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ARD-Faktenfinder: RT DE schürt "gezielt Verunsicherung und Verschwörungslegenden" – eine Erwiderung

Nach Darstellung des ARD-Faktenfinders verbreitet RT DE "krude Thesen für 'Corona-Skeptiker'" und "befeuert offenkundig gezielt Verunsicherung und Verschwörungslegenden in Deutschland". Im Folgenden eine Stellungnahme von RT DE zu den erhobenen Vorwürfen und deren Stichhaltigkeit.
ARD-Faktenfinder: RT DE schürt "gezielt Verunsicherung und Verschwörungslegenden" – eine ErwiderungQuelle: Gettyimages.ru © Sasha/Hulton Archive

"Der russische Staatssender RT DE schürt in der Pandemie offenkundig gezielt Verunsicherung". So lautet die einleitende These eines am 9. Dezember veröffentlichten Artikels des ARD-Faktenfinders mit dem Titel "Russisches Staatsmedium: Krude Thesen für 'Corona-Skeptiker'".

In dem Artikel argumentiert der Journalist und Leiter des Faktenfinders, Patrick Gensing, RT DE verbreite "krude und bereits widerlegte Behauptungen" über die Corona-Pandemie, biete Querdenkern und Rechtsextremen eine Bühne, berichte kritisch über Corona-Maßnahmen in Deutschland, aber unkritisch über solche in Russland und befeuere "gezielt Verunsicherung und Verschwörungslegenden".

Der Faktenfinder ist ein im Frühjahr 2017 geschaffenes Onlineportal, das mit der Webseite von tagesschau.de verbunden ist. Nach eigener Darstellung soll das Portal "Phänomene wie Fake News, Gerüchte, Verschwörungstheorien und auch Hass im Netz" in den Fokus nehmen. Ein "Verifikationsteam", bei dem vor allem die ARD eine "überragende Rolle" einnimmt, soll "für mehr Klarheit sorgen".

"Dazu werde das Team nicht nur gesicherte Informationen recherchieren und darstellen, sondern auch anhand von konkreten Beispielen darlegen, wie gefälschte oder andere unseriöse Meldungen zu erkennen sind."

Im folgenden eine Analyse der einzelnen Vorwürfe, die der Faktenfinder gegen RT DE erhebt. Bereits in einem direkten Schreiben an Herrn Gensing vom 11. Dezember hat RT DE dazu Stellung bezogen. Die Argumente werden im jeweiligen Kontext dargestellt. 

1. RT DE schüre in der Pandemie "gezielt Verunsicherung"

Gensing behauptet, dass RT DE für jeden sichtbar ("offenkundig") und mit voller Absicht ("gezielt") die Menschen "in der Pandemie" verängstigen möchte ("schürt … Verunsicherung"). Dafür bezieht er sich auf zwei Veröffentlichungen von RT DE: Auf einen Artikel, in dem die Position des britischen Mediziners Mike Yeadon dargestellt wird und auf die RT DE-Reihe über den sogenannten Corona-Ausschuss.

Der "Fall Mike Yeadon"

Am 2. Dezember veröffentlichte RT DE den Artikel "Keine 'zweite Welle'? – Ex-Topwissenschaftler von Pfizer spricht von 'Pseudo-Pandemie'". Darin kritisiert der ehemalige Mitarbeiter des US-Pharmakonzerns Pfizer Dr. Mike Yeadon die Verwendung von PCR-Tests als Indikator für die Corona-Pandemie. Er hinterfragt, ob die "zweite Welle" womöglich ein Produkt der massenhaften Verwendung der PCR-Tests sein könne.

Der Faktenfinder hält das für eine "erstaunliche Theorie, die durch die rasante Ausbreitung des Coronavirus mit zahlreichen Todesfällen in diesem Herbst bereits widerlegt wurde". In einem direkten Anschreiben an RT DE hinterfragte Patrick Gensing, warum die Aussagen von Mike Yeadon überhaupt bei RT DE veröffentlich wurden – wo doch "seine Thesen bereits widerlegt wurden?"

RT DE antwortet darauf, es sei verwunderlich, dass Gensing, der selbst regelmäßig Artikel zu der Corona-Thematik veröffentlicht, behaupten könne, Yeadons Thesen seien "bereits widerlegt". Innerhalb der medizinisch-wissenschaftlichen Gemeinschaft ist es ein aktueller Streitpunkt, ob die PCR-Tests nach wie vor als "Goldstandard" zum Nachweis einer Corona-Infektion gelten können.

Eine Begutachtung einer Gruppe von 22 internationalen Experten des Papiers, auf dem die meisten COVID-19-Tests basieren (die sogenannte Corman-Drosten-Studie), hat zehn "große Fehler" im Hauptprotokoll dieser Tests entdeckt. Daraufhin erklärte die Zeitschrift Eurosurveillance, wo die Corman-Drosten-Studie veröffentlich wurde, dass sie die Studie erneut untersuchen werde und versicherte, "gemäß unserer bestehenden Verfahren die Behauptungen evaluieren und eine Entscheidung treffen" zu wollen, wie mit der Studie weiter verfahren werde.

Mehr zum Thema - Zu viele Ungereimtheiten: Autoren des Corman-Drosten-Papiers über PCR-Tests zunehmend unter Druck

Darüber hinaus sieht RT DE es als Aufgabe eines Nachrichtensenders an, allseitig und umfassend über ein Thema zu berichten. Die Position von Dr. Mike Yeadon – ein namhafter Experte auf den Gebieten der Allergologie, Immunologie und Atemwegserkrankungen mit über drei Jahrzehnen Erfahrung, einschließlich seiner Tätigkeit als Vizepräsident und wissenschaftlicher Chefverantwortlicher von Pfizer – ist lediglich eine der Positionen von Wissenschaftlern und Experten, die bei RT DE abgebildet werden. Daneben werden auch zahlreiche Positionen der Bundesregierung und etablierter Organisationen wie dem Robert Koch-Institut dargestellt, ebenso aber auch Positionen der Opposition und von Wissenschaftlern, die nicht oder nicht in allen Punkten mit den Ansichten der Bundesregierung übereinstimmen. 

Der "Fall Corona-Ausschuss"

Ein weiterer Beschwerdepunkt betrifft die Berichterstattung über den Corona-Ausschuss. Nach Darstellung des Faktenfinders nimmt RT DE eine direkte Positionierung ein, indem behauptet wird, RT DE bezeichne "die Arbeit des 'Ausschusses' als 'ein buchstäblich umwälzendes Ereignis'". Das ist eine Verzerrung der Tatsachen, denn es ist ein fehlerhaftes, weil unvollständiges Zitat. Der vollständige Wortlaut lautet ausdrücklich:

"RT DE berichtet in einer eigenen Serie mit Artikeln und Podcasts über die Arbeit der Stiftung Corona-Ausschuss. Dabei geht es neben der Information eines möglichst breiten Publikums auch um die Dokumentation der Ausschussarbeit zur Corona-Krise als ein buchstäblich umwälzendes Ereignis."

Die Einschätzung als "buchstäblich umwälzendes Ereignis" bezieht sich leicht erkennbar nicht auf die "Ausschussarbeit", sondern auf die "Corona-Krise". Nach der Aufforderung um Richtigstellung ergänzte Gensing am 14. Dezember seinen Artikel um einen Nachtrag: RT DE habe "nicht die Arbeit des Corona-Ausschusses als umwälzendes Ereignis bezeichnet, sondern die Pandemie". 

2. RT DE biete Querdenker-Demonstrationen "immer wieder eine Bühne"

Gensing schreibt, RT DE biete "auch den 'Querdenker'-Demonstrationen […]  immer wieder eine Bühne. Der Staatssender überträgt in langen Livestreams entsprechende Proteste in Berlin, Düsseldorf oder Frankfurt/Oder – oft inklusive von Reden, die voller Verschwörungslegenden sind".

Diese Behauptung des Faktenfinders ist eine einseitige Interpretation – basierend auf einer reduzierten Darstellung des Programms von RT DE. Damit wird unterschlagen, dass RT DE in seiner Berichterstattung bemüht ist, alle relevanten Akteure gesellschaftlicher Ereignisse darzustellen. Bezogen auf das Corona-Thema werden nicht ausschließlich oder vornehmlich die "Querdenker"-Demonstrationen im Livestream übertragen, sondern auch die Protestaktionen gegen die "Querdenker" sowie regelmäßig die Pressekonferenzen des Robert Koch-Instituts und von Vertretern der Bundesregierung.

Man könnte daher auch argumentieren: RT DE bietet der Bundesregierung oder dem Robert Koch-Institut eine Bühne. 

3. RT DE berichte kritisch über Corona-Maßnahmen in Deutschland – nicht aber in Russland

Gensing schreibt in seinem Artikel: "Während also wissenschaftlich höchst fragwürdige oder bereits widerlegte Thesen zu Corona in Deutschland ausführlich dargestellt werden, werden die Gefahren durch das Virus in Russland und die Maßnahmen dagegen offenbar anders bewertet". Dann folgt ein längeres Zitat zur russischen Impfkampagne als Beleg dafür, dass RT DE die Corona-Situation in Russland – im vermeintlichen Gegensatz zu Deutschland – ernst nehme. "Von Zweifeln an der Gefährlichkeit des Coronavirus oder Kritik an den Maßnahmen zur Eindämmung ist im Bezug auf Russland hier keine Rede".

Diese Ausführungen von Gensing legen den Schluss nahe, dass er sich einfach herauspickt, was seiner Argumentation förderlich ist. Tatsächlich gibt es in der Berichterstattung von RT DE Artikel, in denen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung kritisch betrachtet werden, und es gibt Artikel, in denen die Corona-Situation in Russland so ernst dargestellt wird, wie sie ist. Genauso gibt es aber auch Artikel bei RT DE, in denen die vom Virus ausgehenden Gefahren in Deutschland als auch Probleme bezüglich der Corona-Maßnahmen in Russland thematisiert werden. Sogar die Position des SPD-Politikers Karl Lauterbach wird regelmäßig wiedergegeben.

RT DE wies Herrn Gensing auf die Einseitigkeit seiner Darstellung hin. Während er andere Antworten von RT DE in einer nachträglichen Ergänzung am Ende des Textes wiedergab, wurde dieser Hinweis allerdings ignoriert. 

4. RT DE sei eine "Quelle für Rechtsradikale und Verschwörungsanhänger"

Der Faktenfinder bezeichnet RT DE als "Quelle für Rechtsradikale und Verschwörungsanhänger". Begründet wird diese Behauptung mit "Datenanalysen" der "Open-Source-Plattform Media Cloud": "Quasi täglich tauchen RT-Beiträge" in "rechten Social-Media-Milieus" auf. Gensing argumentiert, über das Programm "CrowdTangle" lasse sich aufzeigen, "wer bestimmte Inhalte weiterverbreitet": "So teilten diverse AfD-Facebook-Seiten den Beitrag über die angeblich nicht existente zweite Corona-Welle, genauso Impfgegner und bekannte Corona-Leugner."

Daraus schlussfolgert Gensing: "Der russische Staatssender erreicht mit seinem Programm für Deutschland zwar keine breiten Bevölkerungsschichten, befeuert aber offenkundig gezielt Verunsicherung und Verschwörungslegenden in Deutschland". In seinem Anschreiben an RT DE fragt Gensing: "Entspricht es der Strategie von RT DE, diese Zielgruppe zu bedienen?"

RT DE antworte darauf:

"Als Nachrichtenplattform ist RT DE nicht verantwortlich für jene, die unsere Inhalte teilen. Als Nachrichtensender liegt es nicht in der Absicht von RT DE, irgendeine bestimmte Gruppe anzusprechen. Stattdessen zielen wir auf das gesamte Spektrum der Öffentlichkeit ab, das an einer umfassenden und objektiven Berichterstattung interessiert ist."

Gensing hat das Statement von RT DE in seinem Nachtrag vom 14. Dezember übernommen, seine Berichterstattung aber ansonsten inhaltlich nicht korrigiert. Außerdem bleibt bei ihm unerwähnt und gänzlich offen, wie stark und in welchen Milieus beispielsweise Beiträge der Tagesschau geteilt werden und wem sie somit als Quelle dienen. 

Journalistische Sorgfalt bei RT DE

RT DE bemüht sich stets um ein möglichst breites Meinungsspektrum zu allen relevanten Nachrichtenthemen. Das betrifft auch die Berichterstattung zur Corona-Krise. RT DE "befeuert" keine "gezielte Verunsicherung". RT DE blendet aber auch nicht aus, wenn es Unsicherheiten in der Faktenlage gibt. Die Journalisten von RT DE beachten den deutschen Pressekodex. Dieser besagt in Ziffer 14 zur Medizin-Berichterstattung:

"Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden."

Wenn es medizinisch-wissenschaftlich begründete Zweifel gibt, etwa an PCR-Tests, der Verträglichkeit von Impfstoffen oder der Wirksamkeit von Corona-Maßnahmen, dann hält RT DE es für notwendig, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. RT DE erachtet dies als integralen Bestandteil einer journalistischen Arbeit. Die "wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit" wird in Ziffer 1 des Pressekodex als eines der "obersten Gebote" der Pressearbeit bezeichnet. Über Unsicherheiten der Faktenlage nicht zu berichten, erachtet RT DE als Verstoß gegen dieses Gebot.

Für RT DE ist es ein selbstverständliches Element "journalistischer Sorgfalt" (Ziffer 2 des Pressekodex), seine Quellen zu benennen und zu verlinken – sofern möglich. Dadurch können sich die Leser ein eigenes Bild von der zugrunde gelegten Faktenlage machen.

Der Faktenfinder folgt diesem Beispiel nicht. In dem Bericht über die "kruden Thesen" des "russischen Staatsmediums" finden sich keine einzige Verlinkungen zu RT DE. Den Lesern des Faktenfinders wird es somit erschwert, sich ein eigenes Bild zu machen, um die Richtigkeit der gegen RT DE erhobenen Vorwürfe überprüfen zu können. 

RT DE empfiehlt im Umgang mit Medien – auch mit RT DE selbst – stets: "kritisch bleiben".

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