Meinung

Deutschlands Schande oder warum ein ukrainischer Bandera-Fan hierzulande das Sagen hat

Keinem Botschafter wird in Deutschland so eine große Bühne bereitet wie dem ukrainischen. Und kein anderer Botschafter darf so gegen deutsche Politiker hetzen. An welche historischen Vorbilder knüpft der Diplomat an, und welche Kräfte hierzulande unterstützen ihn?
Deutschlands Schande oder warum ein ukrainischer Bandera-Fan hierzulande das Sagen hatQuelle: Gettyimages.ru

Ein Kommentar von Wladislaw Sankin 

Vor genau 77 Jahren, am 27. Januar 1945, haben Soldaten der Roten Armee das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. An diesem Ort wurde über eine Million Menschen auf industrielle Art und Weise getötet und ihre Leichen in Öfen vernichtet. Die meisten von ihnen waren Juden. Seit 17 Jahren wird an diesem Tag international offiziell der Opfer des Holocaust gedacht.

An diesem Tag beteiligen sich deutsche Politiker an Gedenkaktionen und posten Hashtags wie #NieWieder auf ihren Twitter-Accounts. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz beteiligt sich auch an so einer Aktion: In einer Videobotschaft warnt er vor Verfälschung des Gedenkens an die Ermordung der Juden durch sogenannte Querdenker und Impfgegner. "We Remember" steht auf dem Plakat, das er vor der Kamera in der Hand hält.

Scholz nutzt diesen Tag also wie viele andere Politiker, um bestimmte Botschaften zu platzieren, in diesem Fall in der Innenpolitik. Es sei ihnen gegönnt, es ist schließlich ihr gutes Recht. Es wird an diesem Tag daran erinnert, dass auf deutschem Territorium und von deutschen Tätern die "Endlösung der Judenfrage" betrieben wurde. Aber wie aufrichtig die Bundesrepublik mit ihrer immer wieder betonten historischen Verantwortung umgeht, wird vor allem daran gemessen, wie sie international agiert.

Und was sehen wir da? Deutschland gehört mit der gesamten EU zu jenen Ländern, die jedes Jahr bei der UN-Vollversammlung nicht für die Resolution zur "Bekämpfung der Glorifizierung von Nazismus, Neonazismus und anderer Praktiken, die dazu beitragen, gegenwärtige Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Fremdenfeindlichkeit und verwandter Intoleranz zu fördern" stimmen.

Zwei der Staaten, die gegen diese Resolution stimmen, die USA und die Ukraine, nennt Berlin "unsere engsten Freunde und Partner". Das ist schon schändlich genug, aber man könnte das noch notdürftig mit falsch verstandener Partnerschaft, westlichem Schwarmverhalten und Lagerdenken erklären. Die Resolution wird ja schließlich von Russland, dem in diese Rolle eigens gehobenen geopolitischen Gegner eingebracht! Im Endeffekt hilft die Enthaltung gegenüber offenen Diskriminierungspraktiken, die Wiedergeburt des Faschismus unter dem Deckmantel der Bekämpfung des kommunistischen Erbes im Baltikum und der Ukraine nicht zu bemerken.

Aber die Verurteilung des kommunistischen Erbes als "totalitär" führt letzten Endes dazu, dass politische Repressionen in kommunistisch geprägten Staaten mit offen begangenem Genozid an Dutzenden Millionen Opfern gleichgesetzt werden, wie die Argumentation der EU in der Abstimmungsfrage verrät. So schlug die EU vor, in die Resolution "alle Opfer der während und nach dem Zweiten Weltkrieg begangener Verbrechen zu ehren".

Diese Gleichsetzung gipfelte im Beschluss des EU-Parlaments über "die Bedeutung der Erinnerung an die europäische Vergangenheit für die Zukunft Europas", die es im September 2019 verabschiedete. Ziel dieser Resolution war es, die übliche Erinnerung an die Nationalsozialisten und den Holocaust zu rekonstruieren, um den "kommunistischen Totalitarismus" mit dem Nazismus gleichzusetzen. Der Kommunismus, so heißt es in der Resolution, war der ideologische Zwilling des Nationalsozialismus, und die UdSSR trägt dieselbe Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wie Deutschland.

Die Verunglimpfung der Kämpfer gegen den Nazismus von damals auf heute zu übertragen, macht sie zu Agenten des angeblichen russischen Imperialismus, der nun vom Westen bekämpft werden muss. Durch die geopolitische Brille gesehen führt diese Gleichsetzung schließlich dazu, dass diejenigen, die in der Ukraine und im Baltikum die nazistischen Kollaborateure und Teilnehmer an blutigsten Verbrechen des Holocaust zu staatlich geehrten Helden erheben, zu makellosen Partnern Deutschlands werden. Denn es zählt vor allem das, was sie ihren Partnern aus dem Westen sagen:

"Der Westen (EU, NATO, Deutschland) gut, Russland böse."

Der wohl bekannteste Vertreter dieser Sorte von "Partnern" ist der ukrainische Botschafter Andrei Melnyk. Seit dem Jahr 2014 leitet der smart wirkende 46-jährige Diplomat die ukrainische Vertretung in Berlin. Er stammt aus der Westukraine und bekennt sich öffentlich als Verehrer des ukrainischen Nationalistenführers Stepan Bandera. So bejubelte er kurz nach seinem Amtsantritt als Botschafter die feierliche Einweihung eines Denkmals für den "Nationalhelden" Bandera, der die Verantwortung für die tausendfache Ermordung von Polen und Juden trägt. Als die Wehrmacht in Lwow Ende Juni 1941 einmarschiert war, hatte sich auch die von ihm gegründete Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN) an dem Massaker beteiligt, bei dem über 7.000 Kommunisten und Juden getötet worden waren. "Banderowzi" ist seit den Kriegszeiten der Sammelbegriff für Nazikollaborateure aller Couleur, die vor keiner Gräueltat zurückschreckten.

Allein dieser Umstand müsste eigentlich reichen, in jenem Land, in dem die Erinnerung an den Holocaust staatlich festgeschrieben ist, den diplomatischen Bandera-Verehrer zur Persona non grata zu erklären. Doch das Gegenteil passiert! Im Laufe der Jahre baute Melnyk zusammen mit seinen Komplizen in den deutschen Medien enormes politisches Gewicht auf. Der angriffslustige Botschafter schreckt vor so ziemlich keinem diplomatischen Skandal zurück, zu denen neben Boykotten russischer Initiativen auch die öffentliche Rüge der wichtigsten deutschen Amtsträger wegen ihrer angeblichen Russlandnähe gehört – in diesem Artikel werden die bekanntesten der inzwischen nahezu zahllosen Fälle aufgezählt.

So oft und so undiplomatisch mischt sich sonst kein Botschafter in die Innenpolitik und die außenpolitischen Debatten des Gastgeberlandes ein. Um mit einem in Deutschland bekannten Politbeobachter zu sprechen: Er behandelt Deutschland wie ein Generalgouverneur. Aber warum und von wem wird ihm das zugestanden? Seine in letzter Zeit fast täglich erklingenden Forderungen nach Waffen für die Ukraine zeigen: Er ist ein bequemes Sprachrohr jener Falken in der deutschen Führung, die das selbst gerne fordern würden und es nur nicht auszusprechen wagen. Es ist bequem, sich hinter einem breit lächelnden Diplomaten aus einem angeblich von Russland bedrohten Land zu verstecken. Offenbar wollen sie, dass Deutschland endlich einen echten Stellvertreterkrieg gegen Russland führt.

Aber ist Deutschland mit seinen Kuraufenthalten für ukrainische Soldaten, Militärkrankenhäusern und nun schon einer Helmlieferung für die Armee an diesem Krieg etwa nicht schon beteiligt genug am Krieg der ukrainischen Armee und nationalistischen Freiwilligenbataillone gegen die Zivilbevölkerung? Die Methoden der Kriegsführung, zu denen außer dem Beschuss ziviler Einrichtungen und Häuser auch Sabotage- und Terrorakte, Morde führender Politiker aus dem Hinterhalt, Folter sowie Propaganda- und Psychokrieg zählen, genießen von Deutschland volle Rückendeckung.

Die Bundesregierung hatte schon mehrfach in Gestalt ihrer obersten Vertreter inklusive der ehemaligen Bundeskanzlerin signalisiert, dass ihr Leben dieser Soldaten, die diesen Krieg führen, mehr wert ist als das Leben der Zivilisten und Milizionäre, die im von der Ukraine und dem Westen sanktionierten Sperrgebiet in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk leben. Dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij, der Millionen ukrainischen Bürgern, die "Russland mögen", für ihre politischen Ansichten und "falsches" Heimatgefühl mit Repression und Vertreibung drohte, wird regelmäßig die Hand geschüttelt.

Der Faschismus wird heutzutage durch ständiges Relativieren und Vereinnahmung durch Hunderte angeblich liberale NGO-Ideologen verniedlicht und schon lange nicht mehr als solcher erkannt. Nationalisten werden dabei als Freiheitskämpfer verherrlicht, Antisemitismus durch Russophobie ersetzt. Die Narrative der ukrainischen und anderen Nationalisten im postsowjetischen Raum, die im Endeffekt ihren ja fast eschatologisch ausgetragenen Kampf gegen das minderwertige Russentum rechtfertigen, werden auch durch Förderprogramme deutscher Stiftungen stimuliert. Die deutschen Partner sind sich natürlich dessen bewusst. "Leider haben sie keine anderen Nationalhelden außer diesen Faschisten", sagte ein mit der Ukraine kooperierender deutscher Historiker dem Autor dieser Zeilen in einem vertraulichen Gespräch. Wenn diese Partner von den Grünen kommen, werden die Auswüchse des ukrainischen Nationalismus verharmlost, dessen Entstehen Russland in die Schuhe geschoben. "Russland ist selbst an diesem angeblichen Nationalismus schuld, weil die 'Heimholung' der Krim ein zutiefst faschistischer Akt war", sagte eine Grünen-Politikerin bei einer Podiumsdiskussion, als sie auf eine RT DE-Frage antwortete.

Offenbar wurzelt die Tatsache, dass auch solche "Unappetitlichkeiten" wie der ukrainische "Banderismus" von den Deutschen so widerstandslos hingenommen wird, darin, dass ukrainischer Nationalismus seit je ein Instrument der Expansion nach Osten war. Bandera führte nach dem Krieg ein ruhiges Leben in München, wo er durch einen Giftanschlag im Jahre 1959 auch starb. Mit ihm wurden auch Hunderte und Tausende andere Nationalisten von Deutschland und ihren US-Partnern für den vom Westen entfesselten Kalten Krieg eingespannt.

Das Ausmaß dieser Zusammenarbeit wurde ausgerechnet im Jahr des nationalistischen Maidan-Putsches in der Ukraine 2014 deutlich, als die New York Times die jahrzehntelang unter Verschluss gehaltenen Informationen aus den Dokumenten der US-Geheimdienste veröffentlichte. Ihnen zufolge waren während des Kalten Kriegs mindestens 1.000 Ex-Nazis als Spione oder Informanten angeheuert worden. Polizei- und Geheimdienstleiter wie FBI-Chef J. Edgar Hoover und CIA-Direktor Allen Dulles hätten in den 50er-Jahren "aggressiv einstige Nazis jeglichen Rangs rekrutiert" und ihnen ein Ticket in die USA verschafft, berichtete die Zeitung unter Berufung auf freigegebene Aktenaufzeichnungen und Interviews. Angeworben und operiert worden war auch in Deutschland.

Auch die deutschen Medien griffen die Enthüllung auf und zeichneten die Karriere des ukrainischen Nazikollaborateurs und Bandera-Anhänger Nikola Lebed nach. Seine Geschichte steht stellvertretend für eine ganze Generation. So berichtete damals Die Zeit:

"Lebed hatte eine SS-Ausbildungseinrichtung in Polen besucht und als Leiter einer Einheit unter Stephan Bandera gekämpft, dem berüchtigten Führer der ukrainischen Untergrundarmee. Die ukrainischen Nationalisten waren an Massenmorden beteiligt, arbeiteten mit den Nazis zusammen und hatten eigene Bataillone, die Jagd auf Juden machten. Die US-Armee vermerkte über Lebed, er sei in der Ukraine 'ein bekannter Sadist und Nazi-Kollaborateur' gewesen. Doch das hielt die Amerikaner nicht davon ab, ihn als Spion zu rekrutieren, statt ihn zu verhaften.

Tatsächlich wurde Lebed die wichtigste Person für die CIA-Operation 'Aerodynamic'. Damals hoffte man, genug Untergrundkämpfer für einen antikommunistischen Aufstand ausbilden zu können. Der Ukrainer war an vorderster Front dabei, zunächst von München aus. CIA-Chef Allen Dulles bezeichnete ihn als einen seiner unentbehrlichsten Helfer."

Ob die Bandera-Anhänger von heute zum friedlichen Aufbau ihres Landes fähig sind, bleibt nur eine rhetorische Frage. Bislang konnten sie ungestraft ihre Verbrechen an den Zivilisten im Osten der Ukraine und Andersdenkenden in anderen Regionen begehen, wohl wissend, dass der gemeinsame Westen, Deutschland inklusive, ihnen Rückendeckung gewährt. Mehr noch, mit einer Lobby direkt in Berlin können sie sogar noch der Bundesregierung die Politik diktieren und sie zu mehr Militanz auffordern.

Wenn es in Deutschland irgendwo noch einer historischen Aufarbeitung bedarf, dann ausgerechnet hier – bei der schändlichen Unterstützung und Beteiligung an der Weißwaschung der ukrainischen und sonstigen Nazikollaborateure, angefangen mit der Anwerbung Banderas für den Nazi-Militärgeheimdienst Abwehr Ende der 1930er bis heute. Einen Hashtag "NieWieder" in die Welt zu setzen und wie auch immer geartete Demonstranten als "Nazis" zu beschimpfen reicht da nicht. Die echten Taten zählen, und die Erklärung des ukrainischen Botschafters für untragbar wäre da nur ein erster Schritt.

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