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"Kein Krieg in der Ukraine, Nein zu NATO-Expansion" – Britische Friedensbewegung wird wieder aktiv

Die britische "Stop the War Coalition" wendet sich nach eigenen Aussagen gegen die "katastrophale Kriegssucht des britischen Establishments". Sie gab einem angesehenen Politiker, einem Professor und Aktivisten das Wort, die erklärten, wie Diplomatie zu einem Ausweg aus der Ukraine-Krise führen könnte.
"Kein Krieg in der Ukraine, Nein zu NATO-Expansion" – Britische Friedensbewegung wird wieder aktivQuelle: Gettyimages.ru © FrankRamspott / DigitalVision Vectors

Während sich einige Vertreter von NATO-Mitgliedsstaaten oder jenen, die es gern wären, beinahe in Warnungen und Drohungen über eine bevorstehende Eskalation in der Ukraine überschlagen und viele Medienvertreter dies allzu gern wiedergeben oder gar verstärken, erhalten umsichtigere Stimmen kaum prominente Plattformen. Selbst Vertreter der ukrainischen Regierung haben den Westen angehalten, sich zu mäßigen, und jüngst erklärt, eine Invasion stehe nicht unmittelbar bevor.

Dabei gibt es sie vielerorts, die Menschen und Bündnisse, die sich klar für Frieden und Stabilität aussprechen – auch in Ländern, deren Regierungen es geradezu auf eine militärische Konfrontation anzulegen scheinen.

So etwa in Großbritannien, dessen nicht nur innenpolitisch stark angekratzter Premierminister Boris Johnson am Donnerstag vom "gefährlichsten Moment" und der größten Sicherheitskrise für Europa seit Jahrzehnten sprach. Diese heizte er nach Ansicht kritischer Beobachter jedoch zeitgleich weiter an, indem er wie auch Washington und andere NATO-Mitglieder tonnenweise schweres Rüstzeug in Richtung jener Front schickte, für die das Pentagon bereits im Herbst 2019 den Krieg übte.

Denn während in der gegenwärtigen Krise NATO-Vertreter Russland beschuldigen, eine Invasion in der Ukraine zu planen, und Militärmanöver auf russischem Territorium als Beleg anführen, hat das Militärbündnis aus allerlei Richtungen allerhand Geschütz aufgefahren – und das bereits seit einiger Zeit, obwohl Moskau dies klar als Provokation benannt hat.

Entsprechend ist es der Kontext, das gern zitierte "bigger picture", die Makro-Betrachtung der Ereignisse, die gerade mäßigende Kommentatoren anführen, obwohl sie damit das Risiko eingehen, marginalisiert und diffamiert zu werden. So musste die seit Jahrzehnten aktive britische Antikriegsvereinigung "Stop the War Coalition" sich vom Labour-Chef Keir Starmer in seiner öffentlichen Kampfrede für seine unerschütterliche NATO-Linie vorhalten lassen, sie sei keineswegs eine wohlwollende Stimme für den Frieden.

Wie auch anderswo werden in Großbritannien jene, die sich der NATO-Rhetorik widersetzen, mitunter geradezu als Verräter der nahezu existenziell bedeutenden gemeinsamen Wertebasis dargestellt. Ihnen wird pauschale Affinität zu dem in dieser schwarz-weißen Erzählung eindeutigen Bösewicht im Kreml nachgesagt oder gar unterstellt, sie befürworteten eine vermeintlich bevorstehende russische Aggression gegenüber der Ukraine. Diese ist bisher zwar kein NATO-Mitglied, für deren unmissverständliche Zugehörigkeit zum westlichen Orbit sollten sich aber dennoch die restlichen Bürger Europas, und womöglich darüber hinaus, auf einen existenziell bedrohlichen Krieg einstellen.

Sagen Sie dies den Menschen in Afghanistan oder Libyen

"Im besten Fall sind sie naiv, im schlimmsten Fall leisten sie autoritären Führern, die Demokratien direkt bedrohen, aktive Unterstützung. Es ist nicht fortschrittlich, sich mit dem Aggressor zu solidarisieren, wenn unsere Verbündeten unsere Solidarität und – was entscheidend ist – unsere praktische Unterstützung brauchen", behauptete Starmer im Rahmen eines im Guardian veröffentlichten Textes, der wie ein pures Loblied auf die Militärallianz anmutet. Diese sei demnach rein defensiv: "Es gibt keine Gleichwertigkeit zwischen einem Verteidigungsbündnis, das noch nie einen Konflikt provoziert hat, und denen, die anderen die entsetzlichen Kosten eines Krieges aufbürden wollen", behauptet Starmer ironiefrei.

Lindsey German, Vorsitzende der "Stop the War Coalition", antwortete, dies möge Starmer doch den Menschen in Afghanistan und Libyen sagen, die so sehr unter den Kriegen der NATO gelitten haben. Die Aussage, die NATO sei ein Verteidigungsbündnis, werde durch die reine Behauptung aber nicht wahrer.

"Sie hat sich geografisch sehr weit vom Nordatlantik entfernt, der ihr ursprünglicher Aufgabenbereich war. Ihre Ursprünge liegen im Kalten Krieg; seit dem Ende dieses Krieges 1989 spielt sie eine expansive und interventionistische Rolle und beteiligt sich nun aktiv an Manövern und Waffenlieferungen in Osteuropa. Sie blickt zunehmend auf den indopazifischen Raum als weiteren Konfliktherd", schreibt German ebenfalls im Guardian.

Ein Rückblick auf die Interventionen zeige, dass die Koalition trotz aller Anschuldigungen bisher immer richtig gelegen habe:

"Vor mehr als 20 Jahren wurde uns gesagt, dass der Widerstand gegen den Krieg in Afghanistan gleichbedeutend mit der Unterstützung der Taliban sei; dann hieß es, wir würden Saddam Hussein helfen, als wir 2003 gegen den Krieg gegen den Irak demonstrierten. Als wir uns 2011 gegen die Bombardierung Libyens durch die NATO aussprachen, wurden wir beschuldigt, Muammar Gaddafi zu unterstützen."

"Stop the War" habe in Bezug auf die vorangegangenen Kriege jedoch Recht behalten, während diejenigen, die sie fälschlicherweise unterstützt haben, aus den schrecklichen Folgen ihrer Fehler keine Lehren gezogen zu haben scheinen, so German.

"Ein Krieg um die Ukraine, an dem Atommächte beteiligt sind, könnte weitaus schlimmere Folgen haben."

Starmers Aufgabe als Teil der britischen Opposition sei es, der aktuellen Regierung etwas entgegenzusetzen. Stattdessen scheine er sich als Opposition der Friedensbewegung zu positionieren und die Kriegstrommel sogar noch stärker zu rühren als die britische Regierung, betont auch Andrew Murray von "Stop the War".

Starmers Amtsvorgänger Jeremy Corbyn, der von Mitgliedern der eigenen Partei effektiv aus dem Amt sabotiert wurde, hat als ausgesprochener Kriegsgegner in einer von "Stop The War" organisierten virtuellen Podiumsdiskussion am Donnerstag die Vorwürfe Starmers zurückgewiesen und festgestellt, dass die Koalition im Jahr 2001 als Reaktion auf 9/11 gegründet wurde und in diesen Jahren bereits dafür eintrat, dass ein Einmarsch in Afghanistan nicht die richtige Lösung sein könne.

Zwanzig Jahre später zeige sich nach Tausenden Toten und auch mit der kläglichen Situation der Menschen in Afghanistan, dass der damalige Ansatz, die einzige Lösung bestünde darin, Truppen und Bomben ins Land zu schicken, für die heutige Situation nur bedeuten könne, dass man ein wenig weiterdenken müsse.

Die militärischen Machtdemonstrationen in der aktuellen Ukraine-Krise seien unglaublich gefährlich, insbesondere seitens Washingtons mit der Unterstützung Großbritanniens. Wie auch andere Redner vor ihm, darunter der Professor für russische und europäische Politik an der Universität von Kent, Richard Sakwa, verwies Corbyn auf diplomatische Grundlagen, darunter das Minsker Abkommen, die als Alternative zu militärischen Mitteln zurückgedrängt wurden.

Expansionistische Logik als Grundlage der Aggression

Sakwa ging ebenfalls darauf ein und erklärte zudem, dass noch weitere Vereinbarungen einzuhalten seien, um den derzeitigen Konflikt in Europa zu lösen. Laut Sakwa ist die aktuelle Situation erst entstanden, weil Russland nach dem ersten Kalten Krieg die Option der Transformation und eines gemeinsamen europäischen Hauses vorsätzlich verwehrt worden sei, insbesondere von George H. W. Bush. Stattdessen wurde entgegen damaliger Abmachungen zu Ungunsten der Sicherheitsinteressen Russlands auf NATO-Expansion gesetzt.

Während sich noch heute einige westliche Regierungen auf einige der damals beschlossenen Grundsätze der Weltordnung nach dem Kalten Krieg bezögen, darunter das Helsinki-Abkommen, die Charta von Paris und mehrere andere, täten sie das aber nur zur Hälfte. Häufig bezögen sich NATO-Befürworter darauf, dass Staaten die Wahl hätten, wie sie ihre Sicherheit organisieren, also ob sie der NATO beitreten. Jedoch werde die andere Hälfte weggelassen, nämlich die Vereinbarung "Sicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden". Trotzdem sei es seither eine expansionistische Logik gefolgt, und zwar ohne die Sicherheitsinteressen Russlands einzubeziehen.

Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Spannungen seien die von Moskau erst im Dezember letzten Jahres vorgelegten Sicherheitsinteressen abgelehnt worden, ohne auf die substanziellen Punkte darin einzugehen. Dabei seien es die gleichen, die Moskau seit Langem als seine nationalen Sicherheitsinteressen dargelegt hat. Auch von Medwedew waren diese Punkte einer unteilbaren Sicherheit schon vor über zehn Jahren in Europa vorgebracht worden, doch wurden diese damals wie heute verhöhnt. Die britische Regierung gieße lediglich Öl ins Feuer.

Aktuell müsse es darum gehen, eine Position für die Ukraine zu finden, die Sicherheit für alle Seiten ermögliche, durch eine europäische Sicherheitsordnung, die aber derzeit nicht existiere, weil einige Akteure dagegen seien. Laut Sakwa wurde die Möglichkeit einer guten Kooperation zwischen Moskau und Kiew vorsätzlich seit Langem vergiftet. Bereits der frühere Nationale Sicherheitsberater der USA Zbigniew Brzeziński hatte einen Spalt zwischen Russland und der Ukraine angeraten. 

Brzeziński war es auch, der 1979 die Möglichkeit sah, der UdSSR "ihren Vietnamkrieg" zu bescheren. Nach dem Einmarsch in Afghanistan freute er sich: 

"Wir haben die Russen nicht zum Eingreifen gedrängt, aber wir haben wissentlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie eingreifen würden."

Vor dem Hintergrund der aktuellen Spannungen um die Ukraine bewertet die "Stop the War Coalition" Boris Johnsons Kriegsdrohung in der Ukraine als Manöver, um von der Implosion seines Premierministeramts abzulenken, und warnt auch im Hinblick auf frühere kriegsbereite Labour-Politiker, die nicht wenige Briten heute teils als Kriegsverbrecher ansehen:

"Lasst euch nicht wieder täuschen."

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