Afghanistan: Zivile Opfer als Kollateralschaden des US-Abenteuers im Nahen Osten
von Seyed Alireza Mousavi
Bei einem Terrorangriff am Flughafen Kabul waren am Donnerstag Dutzende Menschen getötet worden, darunter auch 13 US-Soldaten. ISIS-K, ein Ableger des "Islamischen Staates" (IS), bekannte sich zu den Angriffen. Später wurde berichtet, dass einige der getöteten Zivilisten nicht durch die Detonation der Bomben ums Leben gekommen sein könnten, sondern durch Schüsse von US-amerikanischen Soldaten. Das Pentagon wollte eine diesbezügliche Anfrage der BBC nicht kommentieren. Die US-Soldaten sollen nach dem ersten Selbstmordanschlag angefangen haben, wahllos in die panische Menge zu schießen, da sie von mehreren Selbstmordattentätern ausgingen.
Mindestens 96 Menschen sind bei den Anschlägen getötet worden. 150 Personen wurden verletzt. US-Präsident Joe Biden hatte nach den blutigen Anschlägen von Kabul Rache geschworen.
Die USA reagierten am Samstag mit einem Vergeltungsangriff auf den tödlichen Terroranschlag in Kabul. Die US-Armee soll einen unbemannten Luftschlag auf einen örtlichen Ableger der Terrormiliz IS in der afghanischen Provinz Nangahar durchgeführt haben. "Ersten Anzeichen zufolge haben wir das Ziel getötet. Wir wissen von keinen zivilen Opfern", erklärte der Sprecher des US-Zentralkommandos CENTCOM.
Am Sonntag hatten die USA in Kabul erneut mit einer Drohne einen Luftangriff auf ein "verdächtiges Fahrzeug" geflogen. Bei dem Angriff sind nach Angaben von US-Medien neun Mitglieder einer afghanischen Familie ums Leben gekommen, darunter auch sechs Kinder. Nachbarn und Zeugen am Tatort des US-Drohnenangriffs bestätigten gegenüber CNN, dass mehrere Menschen, darunter auch Kinder, getötet worden seien. Auf diese Meldung reagierte ein hochrangiger US-Militärbeamter, dass das Militär "zuversichtlich" sei, dass sich keine Zivilisten in dem Zielfahrzeug befunden hätten, räumte jedoch ein, dass die Detonation des Sprengstoffs "Kollateralschäden" verursacht haben könnte. Dass ein US-Funktionär afghanische zivile Opfer außerhalb jeglichen Kampfgeschehens als Kollateralschaden bezeichnet, sollte Beobachter, die sich ein wenig mit der westlichen Agenda im Nahen Osten auskennen, nicht verwundern.
Westliche Militärs töteten in den vergangenen Jahren in Afghanistan Tausende Zivilisten und begingen Kriegsverbrechen. Bis zur Vereinbarung des US-Abzugsdeals mit den Taliban im Februar 2020 kamen durch Luftangriffe westlicher Streitkräfte und Spezialkräfteoperationen laut UN-Angaben jährlich etwa Hunderte Zivilisten zu Tode. Allein im Jahr 2019 kamen mindestens 559 Menschen ums Leben. Zahllose Unbeteiligte wurden im Zuge der US-Besatzung in Afghanistan bei US-Drohnenangriffen getötet. Zu der hohen Zahl ziviler Todesopfer im Rahmen von Kriegsoperationen kommen auch gezielte Morde ohne jeden begründeten Anlass hinzu. So belegt ein im Herbst 2020 veröffentlichter Untersuchungsbericht, dass Angehörige australischer Spezialkräfte mindestens 39 Afghanen gänzlich willkürlich umbrachten. Auf einem diesbezüglichen Video ist zu sehen, wie ein australischer Soldat einen wehrlos in einem Feld liegenden afghanischen Zivilisten mit drei Schüssen aus nächster Nähe ermordete.
Am Flughafen in Kabul spielten sich in den letzten Tagen dramatische Szenen ab. Tausende verzweifelter Menschen drängten sich vor den Toren. Manche wurden im Gemenge zerquetscht, andere brachen nach Stunden in der Hitze dehydriert zusammen. Zwei Menschen fielen beim Abflug einer US-Maschine am Flughafen Kabul von dem Flugzeug, da sie sich an das Fahrwerk geklammert hatten. Die US-Luftwaffe teilte später mit, nach der Landung der Maschine in Katar seien "menschliche Überreste" im Fahrwerkschacht entdeckt worden.
Kurz nach den jüngsten tödlichen Terroranschlägen am Flughafen in Kabul – im Zuge der in westlichen Medien öffentlich zelebrierten Evakuierung – erklärte der Sprecher der Taliban Mohammad Naim, dass die Taliban die westlichen Führungen über die Sicherheitsprobleme am Flughafen wegen der Menschenmassen mehrfach gewarnt hatten. Im Grunde trugen die ausländischen Truppen in den letzten Tagen die volle Verantwortung für die Sicherheit der Menschen am Flughafen, da sie zu jenem Zeitpunkt das Gelände unter Kontrolle hatten. Die Taliban haben nun nach eigenen Angaben mehrere Tore am Flughafen Kabul unter ihre Kontrolle gebracht.
Es bleibt allerdings unwahrscheinlich, dass der Westen die Verantwortung für die Toten und Verletzten am Kabuler Flughafen übernimmt, genauso für andere Tausende Zivilisten, die in den letzten Jahren Opfer der westlichen Intervention in der Region geworden sind. Denn der Westen ist von seinen eigenen Werten, und zwar "berechtigten" Interessen, überzeugt und versucht sie dementsprechend überall durchzusetzen. Der chaotische Rückzug der US-Truppen wurde jedoch zu einem westlichen Trauma, da das Bild der USA als Weltmacht offensichtlich auch unter Trumps Nachfolger Joe Biden weiterhin zerfällt. Die prowestlichen Akteure in der Region haben zudem mittlerweile den ersten Geschmack der US-Unverlässlichkeit bekommen – und damit ist das Ansehen des Westens sichtlich gebröckelt.
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