Meinung

Ohne Feindbild kein Narrativ: US-Medien müssen die Existenz von Sputnik V eingestehen

Die Mainstream-Medien in den USA sind erwacht: Sie geben die Existenz von Sputnik V zu. Jedoch nicht ohne zuvor den Nachweis erbracht zu haben, dass ihnen die Dämonisierung Russlands wichtiger ist, als Menschenleben zu retten und das Leben zu normalisieren.
Ohne Feindbild kein Narrativ:  US-Medien müssen die Existenz von Sputnik V eingestehenQuelle: AFP © AFP PHOTO / TELAM / ANALIA GARELLI

Ein Kommentar von Tony Cox

Man rufe sich die Moderatoren der US-Fernsehsender CNN und MSNBC vor das geistige Auge zurück: Selbstbewusst starrten sie in die Kamera und machten ihrer selbstgefälligen Empörung Luft, als sie den damaligen US-Präsidenten Donald Trump für die buchstäbliche Tötung Hunderttausender Amerikaner anprangerten.

Gegen Trump war jeder Vorwand recht

Bei einem seiner ergreifendsten Auftritte damals im Oktober, schimpfte der CNN-Heuchler Don Lemon über Trump, nachdem dieser mit der Behandlung geprahlt hatte, die ihm ein Team von 14 exzellenten Ärzten während seiner COVID-19-Erkrankung zuteilwerden ließ. Lemon beschuldigte Trump, auf den Gräbern von 215.000 toten Amerikanern zu tanzen, deren Tod er mitzuverantworten habe:

"Die meisten von ihnen hätten nicht infolge der tödlichen Pflichtverletzung eines Präsidenten, einer Pflichtverletzung, die nicht ungeschehen zu machen ist, sterben müssen."

Die zentrale Botschaft "Orange Man böse" klang während der Trump-Ära stets automatisch mit. Doch an Lemons Monolog war noch mehr dran: Der Moderator signalisierte als Vertreter der Medienklasse, uns allen in intellektueller und moralischer Hinsicht haushoch überlegen zu sein. Er machte klar, dass ihm all die Menschen, die durch die Pandemie ihr Leben verloren, sehr wichtig seien. Um all diese Menschen kümmerte er sich augenscheinlich mehr als Trump, und er kümmerte sich wahrscheinlich auch mehr um den Durchschnitts-US-Amerikaner!

Bloß, so war es nicht. Wie wir diese Woche wieder erinnert wurden, kümmern sich US-Mainstream-Medien um ihre jeweilige politische und finanzielle Tagesordnung und ansonsten um kaum etwas anderes. Es geht nur um Macht und Einschaltquoten, um Einschaltquoten und Macht. Nicht um die Menschen und schon gar nicht um die Wahrheit.

Mainstream-Medien entdecken Sputnik V ein halbes Jahr nach der Zulassung

CNN, die New York Times und einige weitere "Nachrichten"-Medien in den USA berichteten am Dienstag, Sputnik V, der russische Impfstoff gegen das Coronavirus, habe sich im Laufe der Phase-III-Studien als zu 91,6 Prozent wirksam erwiesen. Mit diesen Berichten folgten die genannten Medien der renommierten britischen Fachzeitschrift für Medizin The Lancet. Diese hatte Testergebnisse veröffentlicht, die den Impfstoff als sicher und hochwirksam einstufen.

Bei Patienten im Alter von über 60 Jahren ist Sputnik V mit einer Rate von 91,8 Prozent noch um einen Bruchteil wirksamer. Auch traten bei den 16 von fast 15.000 Personen, denen der Impfstoff verabreicht wurde und die danach an symptomatischem COVID-19 erkrankten, keine mittelschweren oder schweren Krankheitsfälle auf. Nicht ein einziges Mal.

Die Wirksamkeitsrate war nur eine von mehreren beeindruckenden Parametern. Nebenwirkungen wie etwa Schmerzen an der Stelle, an der die Impfung injiziert wurde, waren selten und verliefen meist milde. Hilfreich ist auch, dass Sputnik V vergleichsweise kostengünstig in der Herstellung sowie einfach zu transportieren und zu lagern ist. Der Impfstoff muss nur leicht gekühlt werden, schrieb CNN.

Bei CNN brachte man es in der Tat fertig, in die Sache einen rassischen Wermutstropfen zu injizieren. Man wies auf die bedauerliche Tatsache hin, dass die meisten Teilnehmer der klinischen Erprobungen Weiße sind. (Ja, Fakt ist Fakt, aus Gründen.) Doch nun, wo Trump sicher von den Schalthebeln der Macht entfernt wurde, hatte man nicht mehr viele Argumente gegen Sputnik V im Köcher.

Verletzung der selbsterklärten Informationspflicht

Da aber die Zahl der COVID-19-Todesfälle in den USA bereits 447.000 übersteigt, stellt sich die Frage: Wo waren die Medien die ganze Zeit davor? Sputnik V wurde bereits im August vergangenen Jahres für den öffentlichen Gebrauch zugelassen. Vier Monate bevor die in den USA für Betäubungsmittel, Arzneien und Impfstoffe zuständige Federal Drug Agency die Notfallzulassung für den ersten in den USA erhältlichen COVID-19-Impfstoff von Pfizer/BioNTech erteilte.

Doch die Medien taten meist so, als gäbe es Sputnik V nicht. So wurde das Produkt von Pfizer/BioNTech oft als der erste COVID-19-Impfstoff bezeichnet. Nicht als der erste, der in Großbritannien und den USA angeboten wurde, sondern als der erste überhaupt.

In den seltenen Fällen, in denen CNN Sputnik V erwähnte, geschah dies, um den Impfstoff in Verruf zu bringen. So behauptete CNN im Dezember in einem Artikel, die russischen Impfstoffe kämen wegen des "weit verbreiteten Misstrauens" nur langsam voran. Sputnik V sei in wissenschaftlichen und medizinischen Kreisen verpönt, erklärte CNN, da es aus politischen und PR-Gründen zu schnell genehmigt worden sei.

Ein Sender, der noch nie einen Impfstoff vorgestellt hat, ohne diesen fast reflexartig als "sicher und wirksam" anzupreisen, sah plötzlich alle möglichen Zweifel und Probleme mit Blick auf Sputnik V. CNN zitierte sogar Alexei Nawalnys Stabschef Leonid Wolkow, der den russischen Präsidenten Wladimir Putin dafür geißelte, dem Impfstoff Sputnik V "den schlechtesten Ruf unter den Impfstoffen" gegeben zu haben.

Der Journalist im Dienst des Lesers

Dieses Berichten und Nichtberichten zum Thema Sputnik V erinnert mich an ein lang zurückliegendes Vorstellungsgespräch mit einem überaus angsteinflößenden Chefredakteur. Sein Standpunkt, den er wie mit einem Vorschlaghammer immer wieder in mich hinein hämmerte, lautete: "Wir sind Agenten unserer Leser."

Nun, wir arbeiten mit Quellen, aber wir sind nicht Agenten dieser Quellen. Wir arbeiten für ein Gehalt, aber wir sind keine Agenten des Chefs, der den Gehaltsscheck unterschreibt. Wenn man über gewisse Anlässe berichtet, sollte keine andere Agenda oder Priorität über dem Dienst am Leser stehen. Man sollte dem Leser berichten, was er wissen will, was er wissen muss und was ihm von Nutzen ist. Und natürlich sollte man die Wahrheit berichten.

Dieses altmodische Ideal ist in den heutigen Mainstream-Medien tot. Wäre dem nicht so, würde es keine Rolle spielen, dass Sputnik V aus Russland kommt. Auch wäre unwesentlich, wer Präsident in Washington oder Moskau ist. Mit einer globalen Pandemie im Gange, die angeblich so bedrohlich ist, dass wir die Wirtschaft herunterfahren, Leben zerstören und bürgerliche Freiheiten ignorieren müssen, wäre die Entwicklung des ersten COVID-19-Impfstoffs ein Anlass für eine massive weltweite Berichterstattung. Man würde fair und voller Wissensdurst an die Berichterstattung über diese Sache herangehen.

Was hätten wir nicht alles über Sputnik V erfahren können? Ist der Impfstoff sicher und wirksam? Wie waren die Ergebnisse in den ersten Tagen der Impfungen? Gibt es irgendwelche Lehren, die die Entwickler der weiteren noch in Arbeit befindlichen Impfstoffe ziehen sollten? Ist er gut genug, um für die Produktion und den Vertrieb in den USA lizenziert zu werden? Ist jetzt endlich der Zeitpunkt für eine globale Zusammenarbeit gekommen, von der die Milliardäre immer sagen, dass wir sie brauchen?

Keine dieser Fragen wurde gestellt, niemand ging ihnen auf den Grund. Selbst dann nicht, als es Anzeichen für Probleme mit den anderen Impfstoffen gab. Unsere Medien sehen die Dinge nur durch die Linse ihrer egoistischen Interessen. Orange Man böse. Russland böse. COVID-19 beängstigend. Kauern Sie sich in der Ecke zusammen und versuchen Sie, durch drei übereinandergelegte Masken zu atmen. Schalten Sie aber den Fernseher nicht aus.

Jetzt ist Trump weg. Der 44-prozentige Rückgang bei den Einschaltquoten von CNN ist hierfür ein Zeugnis. Die Medien können endlich unter Zähneknirschen akzeptieren, dass Sputnik V tatsächlich ein wirksamer Impfstoff ist. Menschen, die bei Motorradunfällen ums Leben kommen, müssen in den USA nicht mehr als COVID-19-Tote gezählt werden. Die Don Lemons dieser Welt können sich darauf einstellen, von einem dramatischen Sieg über die Pandemie zu berichten, der von Präsident Joe Biden eingefädelt wurde.

Schließlich dürfen sie nicht zulassen, dass Putin als erster Staatschef von Weltrang auf dem Grab von COVID-19 tanzt.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem EnglischenTony Cox ist US-amerikanischer Journalist und Herausgeber. Er schreibt für Bloomberg und mehrere große Tageszeitungen. 

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