Nahost

USA und Iran rücken einem Krieg immer näher

Mitten in einer Zeit wachsender Spannungen im Persischen Golf führten Iran und die Vereinigten Staaten von Amerika zeitgleich Marineübungen durch – um ein Signal an die Gegenseite zu senden. Das sind alberne Spielchen auf eigene Gefahr.
USA und Iran rücken einem Krieg immer näherQuelle: AFP © Iran Press

Eine Analyse von Scott Ritter

Ein angespanntes maritimes Katz-und-Maus-Spiel im Persischen Golf zwischen den USA und Iran scheint mit der Durchsetzung einseitiger Sanktionen der USA gegen Iran zusammenzuhängen. Irans neuste Aktionen deuten darauf hin, dass Teheran möglicherweise nicht mehr bereit ist, dieses Spiel noch länger mitzuspielen.

An den Übungen der amerikanischen Marine nahmen sechs Küstenpatrouillenboote teil, die von einem Basisschiff und einem Lenkwaffenzerstörer unterstützt wurden. Die Übungen umfassten auch scharfe Schießübungen mit Boden-Boden-Raketen. Iran antwortete auf diese Demonstration militärischer Fähigkeiten der USA mit der Demonstration der eigenen Fähigkeiten, in Form der jährlich stattfindenden Militärübung 'Zolfaqar'. Dieses Manöver umfasste ebenfalls scharfe Schießübungen – mit Raketen zur Schiffsabwehr, Drohnenschwärmen  sowie von U-Booten abgefeuerten Torpedos.

Dieses "Duell der Übungen" fand fast zwei Wochen nach einer Konfrontation zwischen der Iranischen Revolutionsgarde (IRGC) und der US-Marine in internationalen Gewässern statt. Die spezifischen Umstände jener Konfrontation blieben unklar, da sowohl Iran als auch die USA jeweils andere Sichtweisen auf die Ereignisse haben. Eines ist jedoch sicher: Am 24. Oktober 2021 standen sich iranische und US-amerikanische Seestreitkräfte in einer angespannten Situation gegenüber. Geladene Waffen waren aufeinander gerichtet, während iranische Truppen an Bord eines unter vietnamesischer Flagge fahrenden Öltankers gingen und die Kontrolle über das Schiff übernahmen. Nachdem es in iranische Hoheitsgewässer überführt worden war, war auch die Konfrontation beendet.

Iran beschuldigt die USA, in einem Akt der Piraterie beabsichtigt zu haben, eine Lieferung iranischen Öls zu beschlagnahmen. Das Öl war auf der "MV Southys" gebunkert, die der in Hanoi ansässigen "OPEC Petroleum Transport Company" gehört. Iran sah sich gezwungen, das Schiff mittels Hubschrauberkommandos zu sichern, um dann das Schiff samt seiner 26-köpfigen Besatzung auf Kurs in die iranische Hafenstadt Bandar Abbas zu bringen. Die USA bestreiten die iranischen Anschuldigungen und behaupten stattdessen, dass Schiffe der US-Marine in der Region auf Berichte über ein in Seenot geratenes Schiff reagiert hätten und lediglich die Situation überwachten.

Die Erfahrung legt nahe, dass die iranische Version der Ereignisse der Wahrheit näher kommt. Die USA haben den Ruf, iranische Erdöllieferungen auf hoher See zu beschlagnahmen, als Teil dessen, was sie als "rechtmäßige Durchsetzung von US-Sanktionen gegen Iran" bezeichnen. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Sanktionen einseitiger Natur sind und nach internationalem Recht keinen durchsetzbaren Status haben.

Im August 2020 beschlagnahmten die USA vier unter liberianischer Flagge fahrende Schiffe (die Motor-Tanker MT Bella, MT Bering, MT Pandi und MT Luna), die zusammen ungefähr 1.116 Millionen Barrel Treibstoff geladen hatten. Bei der Beschlagnahme der Schiffe setzten die USA keinerlei militärische Gewalt ein. Stattdessen wurden mit Unterstützung ausländischer Partner die Schiffseigner, Versicherer und Kapitäne mit Sanktionen bedroht, um sie dazu zu zwingen, die Schiffe und ihre Fracht der Kontrolle der USA zu übergeben. Die vier unter liberianischer Flagge fahrenden Tanker wurden anschließend auf Kurs zum US-amerikanischen Hafen Houston, Texas, gebracht, wo ihre Ladung gelöscht wurde.

Am selben Tag, an dem die USA die Beschlagnahme der vier Tanker veranlassten, bestieg die Iranische Revolutionsgarde (IRGC) einen weiteren unter liberianischer Flagge fahrenden Tanker, die "MT Wila", vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate. Dabei wandten die Iraner die gleiche Taktik an, die sie im Fall der "MV Southys" eingesetzt hatten – ein Hubschrauberkommando wurde mit einem Helikopter an Deck des Tankers abgesetzt, während bewaffnete iranische Patrouillenboote den Schauplatz umkreisten. Nach fünf Stunden verließen die Iraner das Schiff wieder. Laut iranischen Quellen, stand das Entern der "MV Southys" im Zusammenhang mit der Beschlagnahme der vier Tanker vom August 2020, die iranisches Öl transportierten. Die USA bestätigten, dass die Beschlagnahme der "MT Wila" durch Iran mit der Beschlagnahme der vier Tanker durch die USA zusammenhing. "Sie [die Iraner] suchten nach ihrem Öl", bemerkte dazu ein US-Sprecher.

Laut iranischen Quellen stand auch das Entern des MS Southys im Zusammenhang mit der Beschlagnahme jener vier Tanker im August 2020. Eine Analyse der Ereignisse, die zur Beschlagnahme der "MV Southys" durch die IRGC führte, legt nahe, dass dies tatsächlich der Fall sein könnte. Laut einer antiiranischen NGO, der "Vereinigung gegen ein nukleares Iran" (UnitedAgainstNuclearIran.com; UANI), zeigen Satellitenbilder vom Juni 2021, dass die "MV Southys" an einem sogenannten Schiff-zu-Schiff-Transfer von Öl mit einem iranischen Tanker, der "Oman Pride", beteiligt war.

Im August 2021 benannte das US-Finanzministerium die "Oman Pride" als einen Vermögenswert der Quds Brigaden des IRGC. Der Tanker ist Teil eines größeren Plans, um durch den Verkauf von iranischem Öl, Gelder für die Quds Brigaden zu sammeln, unter Verstoß gegen die von den USA auferlegten Sanktionen. Laut der UANI, wurde der größte Teil dieses Öls nach China verkauft.

Gemäß der Webseite TankerTrackers.com, die mit der UANI verbandelt ist, sollte die "MV Southys" rund 700.000 Barrel Rohöl an einen chinesischen Hafen liefern. Aus irgendeinem Grund wurde die Lieferung abgelehnt, und die "MV Southys" fuhr zurück zum omanischen Hafen Suhar. Der Zeitpunkt der Ablehnung der Fracht des "MV Southys" fällt mit einem Schreiben der UANI an die vietnamesische maritime Administration zusammen, in dem die Analyse der Satellitenfotos detailliert beschrieben wurde, die angeblich zeigten, dass die "MV Southys" in einem Schiff-zu-Schiff-Transfer Öl von der "Oman Pride" übernommen hatte.

Angesichts der hochkarätigen Zusammensetzung der Führung bei UANI, zu der viele ehemalige US-Regierungsbeamte und Leiter ausländischer Geheimdienste gehören, ist es wahrscheinlich, dass dieser Brief auch an die US-Regierung gesandt wurde. Diese wiederum könnte die vietnamesische Regierung darauf aufmerksam gemacht haben, dass man sie wegen Geschäften mit der Iranischen Revolutionsgarde mit Sanktionen belegen könne. Wenn dieses Szenario zutrifft, könnte die vietnamesische Regierung die "MV Southys" angewiesen haben, ihre Fracht nicht zu löschen, was dem Tanker keine andere Wahl ließ, als in den Persischen Golf zurückzukehren.

Als sich dann die "MV Southys" iranischen Gewässern näherte, wurde sie von einem amerikanischen Lenkwaffenzerstörer, der USS Sullivans, beschattet. Vielleicht aus Angst, dass die USA versuchen könnten, die Kontrolle über die "MV Southys" und deren Fracht zu übernehmen,  und wegen möglicher Zweifel an der Loyalität des Kapitäns des Schiffes entschieden sich die Iraner, besser selbst die Kontrolle über den Tanker zu übernehmen und ihn nach Bandar Abbas zu überführen, wo die Ladung gelöscht wurde. Damit konnte Iran auch logistische Probleme vermeiden, dass unter den wachsamen Augen der US-Marine Öl auf offener See von Schiff-zu-Schiff auf einen iranischen Tanker umgeladen werden musste.

Die Wahrheit über das, was rund um die "MV Southys" passiert ist, wird zweifellos in den kommenden Wochen ans Licht kommen. Fest steht jedoch, dass die Iraner die US-Sanktionen gegen ihr Land seit Langem als Verstöße gegen das Völkerrecht verurteilen und die amerikanischen Versuche, iranische Öllieferungen zu beschlagnahmen, als Piraterie einstufen. Die Beschlagnahme der "MV Southys" durch iranische Streitkräfte und die aggressive Art und Weise, mit der die US-Marine von iranischen Patrouillenbooten gestellt wurde, deuten darauf hin, dass Iran entschlossen ist, künftigen Versuchen der USA, ihre einseitigen Sanktionen durchzusetzen, noch energischer entgegentreten will.

Eines der größten Hindernisse für die Wiederaufnahme des Atomabkommens mit Iran (Joint Comprehensive Plan of Action; JCPOA) ist die Frage der Beendigung von Sanktionen gegen Iran als Vorbedingung. Wenn überhaupt, so hat die Verzögerung bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen über den JCPOA gezeigt, dass mit dem politischen auch ein militärisches Risiko verbunden ist und dass jede weitere Verzögerung der Verhandlungen zu einem Krieg zwischen Iran und den USA führen könnte.

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Übersetzt aus dem Englischen.

Scott Ritter ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie und Autor von "SCORPION KING: America's Suicidal Embrace of Nuclear Weapons from FDR to Trump". Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrags, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Norman Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der UNO im Irak tätig. Derzeit schreibt Ritter über Themen, die die internationale Sicherheit, militärische Angelegenheiten, Russland und den Nahen Osten sowie Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung betreffen. Man kann ihm auf Twitter unter @RealScottRitter folgen.

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