Nahost

Geburt während Hafen-Explosion: Bericht einer Überlebenden der Katastrophe in Beirut

Der erste Geburtstag von Emmanuelle und Edmond Khnaissers Sohn George rückt immer näher, doch vor fast einem Jahr kämpften alle drei um ihr Leben. Am 4. August 2020 lag Emmanuelle den ganzen Tag in den Wehen und befand sich in der letzten Phase der Geburt in dem Saint George Hospital in Beirut.

Doch dann explodierte alles. In jedem Zimmer auf jedem Stockwerk zersprangen in einem einzigen Augenblick die Fenster. Türen flogen aus den Angeln, Decken stürzten ein und Geräte kippten um. Eine Welle aus Staub und pulverisiertem Glas wogte durch die Stationen und Flure. In der Dunkelheit und dem Chaos ertönten die Schreie der blutüberströmten Patienten, Ärzte und Krankenschwestern.

Das Saint George Hospital, eines der renommiertesten und ältesten medizinischen Zentren des Libanons, liegt an der Mittelmeerküste, etwa 900 Meter vom Hafen von Beirut entfernt. Am 4. August 2020 explodierten Tonnen von Ammoniumnitrat, die unsachgemäß in einem Hafenlager deponiert worden waren.

Die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzte die Sprengkraft auf 500 bis 1.100 Tonnen TNT-Äquivalent. Es handelte sich um eine der größten nichtnuklearen Explosionen der Geschichte. Die Explosion, die um 18.07 Uhr die libanesische Hauptstadt erschütterte, zerstörte ganze Stadtviertel und tötete 211 Menschen, darunter 22 im Saint George Hospital. Mehr als 6.500 Menschen wurden verletzt.

Gegen 17.45 Uhr war der Kopf des Babys zu sehen und Emmanuelle wurde in den Kreißsaal gerollt. Gerade als Edmond fragte, ob er eintreten könne, schlug die Explosion ein. Deckenplatten und Fensterrahmen stürzten auf Emmanuelle herunter. Ihr gesamtes Bett wurde fast einen Meter weit geschleudert und sie war von der Taille abwärts mit Glassplittern übersät. Ein Arzt wurde unter dem Bett begraben, ein anderer von Trümmern getroffen. Ihre blau-weißen Uniformen waren mit Blut bespritzt. Das CTG, das Georges Herzschlag registrierte, brach ab.

Das Baby hatte sich aufgrund der Explosion zurückgezogen, und die Geburt musste von vorne beginnen. Die Ärzte verlegten ihr Bett in den Notausgangskorridor, wo weniger Schäden entstanden waren. Als es Zeit wurde zu pressen, musste Emmanuelle sich konzentrieren. Sie dachte an ihre Eltern und die Eltern ihres Mannes. "Ich nahm all meine Kraft zusammen, verdrängte alle negativen Gedanken und konzentrierte mich", sagte sie. Um 19.18 Uhr kam schließlich ihr kleiner Junge mit dunkelbraunem Haar zur Welt, 71 Minuten nach der Explosion. "Als sie ihn mir auf die Brust legten, fühlte ich mich sehr schuldig und sagte zu ihm: 'Es tut mir leid, mein Schatz, dass du auf diese Weise geboren werden musstest.'"

Nach der Geburt sagten die Ärzte dem Paar, dass sie George innerhalb von vier Stunden in ein anderes Krankenhaus bringen sollten. Die frischgebackenen Eltern liefen einen Häuserblock entlang durch Trümmer und Glasscherben zu einem Verwandten, der in seinem schwer beschädigten Auto wartete. Sie fuhren etwa acht Kilometer in ein nördlich des Stadtzentrums von Beirut gelegenes Krankenhaus. Sie verbrachten eine Woche in dem Krankenhaus, wo Emmanuelle wegen einer Infektion behandelt wurde. Dann durften sie ihr Baby endlich mit nach Hause nehmen.

Ein Jahr später ist jeder Moment dieses Tages in den Köpfen all derer, die ihn erlebt und überlebt haben, noch immer tief verankert. Viele kämpfen bis heute mit dem physischen und psychischen Trauma. Einige ringen mit dem unerklärlichen Verlust eines geliebten Menschen, andere versuchen zu begreifen, was es bedeutet, überlebt zu haben. Die Khnaissers werden den ersten Geburtstag ihres Babys ein paar Tage nach dem 4. August feiern, aus Respekt gegenüber den vielen Menschen, die an diesem Tag vor einem Jahr ihr Leben verloren haben oder verletzt wurden. Emmanuelle sagte, man habe ihr berichtet, dass Babys alles mitbekommen, was um sie herum passiert. Eines Tages, so sagte sie, wird sie George von seiner Geburt in der Explosion erzählen. "Ich werde ihm erzählen, wie seine Geburt ein Lichtstrahl inmitten all der Dunkelheit war."

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