Beobachten oder eingreifen? Streit um Wahlbeobachter der EU in Venezuela
Die venezolanische Regierung bezweifelt die Neutralität der EU-Wahlbeobachtermission, die zu den Regional- und Gemeindewahlen am 21.November entsandt werden soll. Sie forderte die EU und ihre Vertreter auf, diese Mission "nicht politisch motiviert zu beschädigen."
Bei diesen Wahlen werden erstmals seit Jahren auch Vertreter der radikalen Opposition teilnehmen; dies ist ein Ergebnis der Verhandlungen, die zwischen der Regierung Maduro und der Opposition bis zum September in Mexico-City geführt wurden. Am 29. September wurde zwischen der EU und der Venezolanischen Wahlkommission ein Vertrag über eine Wahlbeobachter-Mission der EU zum 21. November geschlossen. Dazu erklärte der Leiter der Mission: "Nach Jahren der Spannungen und Polarisierung sind die kommenden Wahlen ein möglicher wichtiger Schritt, um eine friedliche und demokratische Lösung für die Krise in Venezuela zu finden."
Die EU ist Venezuela gegenüber in den vergangenen Jahren alles andere als neutral gewesen; sie hat ebenso wie die USA Juan Guaidó zum Präsidenten erklärt und ist damit gescheitert. Außerdem wie die USA Sanktionen gegen Venezuela verhängt, die, nach einem Bericht, den die Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen, Alena Douhan, im September vorlegte, dramatische Folgen für die Lebensumstände der Venezolaner haben.
Douhan berichtete, dass inzwischen 94 Prozent der Bevölkerung in Armut leben, 67 Prozent sogar in extremer Armut. Da das Land nur ein Viertel seines Nahrungsmittelbedarfs selbst decken kann, Importe aber durch die Sanktionen massiv erschwert werden, ist die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren mangelernährt. 88 Prozent der Bevölkerung sind auf die Lebensmittelhilfen der Regierung angewiesen.
Die Sanktionen haben auch die Gesundheitsversorgung in Venezuela deutlich verschlechtert. "Die Sanktionen haben Käufe von Gütern wie menschlichem Albumin, Immunglobulin und anderen Blutprodukten blockiert – sogar auch von Antibiotika."
Erst vor wenigen Tagen hat eine portugiesische Bank sich geweigert, eine Zahlung der venezolanischen Bank für wirtschaftliche und soziale Entwicklung freizugeben, die zum Erwerb von Impfstoffen gegen Masern, Diphtherie, Polio und Gelbfieber dienen sollte. An dieser Bank ist ein US-Investmentunternehmen beteiligt, und selbst Brandbriefe von Europaabgeordneten führten nicht dazu, dass die Zahlung ausgeführt wurde.
Das Ziel der venezolanischen Regierung bei den Verhandlungen in Mexico-City war also vor allem, die Sanktionen loszuwerden, die das ölreiche Land ökonomisch verkrüppeln. Die Aussagen des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell auf einem Frühstücksbriefing in einem Madrider Hotel am 08.10. können als Ankündigung einer parteilichen Mission gelesen werden: Die EU-Beobachter wollen die Opposition ''begleiten'', heißt es. Denn ''es ist eine größere Garantie, dass wir anwesend sind und das System überprüfen'', so Borrell weiter.
Schließlich fügte Borrell auch noch hinzu, der Bericht der Mission werde die Regierung Maduro "legitimieren oder delegitimieren," als sei es das Vorrecht der EU, die Regierungen anderer Länder für gültig zu erklären.
Die Aussagen Borrells lassen allerdings auch erkennen, dass die Einigkeit zwischen EU und USA, die sich noch in der Installation der Marionette Guaidó zeigte, wohl der Vergangenheit angehört. Es muss wohl Vorwürfe gegen die EU gegeben haben, die Beobachtermission legitimiere die Wahlen, denn Borrell sagte auch: "Wenn die Opposition beschließt zu gehen und dies ein Weg ist, eine Bresche zu schlagen und eine stärkere Institutionalisierung der Opposition zu erreichen, werde ich dann sagen, dass ich keine Wahlbeobachtungsmission entsenden werde, weil die Wahlen gefälscht sind?". Er fügte dann hinzu, in Venezuela "sind wir nicht weniger bestrebt" als die Amerikaner, "die derzeitige Situation zu ändern", aber "um dies zu erreichen, gibt es Dinge, die uns positiv erscheinen, und andere, die kontraproduktiv sind."
Der Präsident der venezolanischen Wahlkommission, Pedro Calzadilla, hat empört auf Borrells Äußerungen reagiert. "Ich fordere nicht nur eine Erklärung, sondern auch, dass die Europäische Union sich öffentlich beim venezolanischen Volk entschuldigt," sagte er zur Presse. "Kein Land würde die Anwesenheit einer Beobachtungsmission erlauben, die nur ins Land kommt, um nur einen Teil der Öffentlichkeit zu unterstützen. Kein Land der EU würde das erlauben."
Der diplomatische Dienst der EU hat darauf inzwischen reagiert und durch einen Sprecher verkünden lassen, "es ist in keiner Weise die Absicht der EU, in den Wahlprozess in Venezuela einzugreifen."
Die Wahlbeobachtungsmission der EU dürfte ungeachtet dieser Auseinandersetzung stattfinden. Und die strategische Differenz im westlichen Lager, die Borrell andeutete, könnte den Handlungsspielraum der venezolanischen Regierung erhöhen, selbst wenn die EU weiter auf der Fantasie beharren sollte, den Venezolanern vorzuschreiben, von wem sie sich regieren lassen sollen.
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