Wirtschaft

Wirtschaftsexpertin zur Beeinträchtigung deutscher Unternehmen durch Russland-Sanktionen

Laut dem ifo Institut, das sich mit der Analyse der Wirtschaftspolitik beschäftigt, sind die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Russland durch gegenseitig auferlegte Sanktionen erheblich eingeschränkt. RT DE befragte dazu Dr. Jasmin Gröschl am ifo Zentrum für Außenwirtschaft.
Wirtschaftsexpertin zur Beeinträchtigung deutscher Unternehmen durch Russland-SanktionenQuelle: www.globallookpress.com © Dwi Anoraganingrum/Geisler-Fotop/ Global Look Press

Maschinen- und Autobauer, Chemie- und Elektroindustrie sowie die Logistik sind am häufigsten durch Sanktionen beeinträchtigt. Wie groß ist der durchschnittliche Anteil der Geschäfte mit Russland bei Unternehmen aus diesen Branchen? 

In der Unternehmensumfrage geben vor allem Unternehmen aus der Maschinen- und Autoindustrie, Chemie- und Elektroindustrie sowie die Logistikbranche an, am häufigsten durch Sanktionen beeinträchtigt zu sein. Wie groß der durchschnittliche Anteil der Geschäfte mit Russland bei Unternehmen aus diesen Branchen ist, haben wir in der Umfrage nicht abgefragt und können daher dazu leider keine Aussage treffen.

Welche Schadenshöhe für die deutsche Wirtschaft infolge der Sanktionen gegen Russland schätzt man beim ifo Institut?

Um die Schadenshöhe der Sanktionen im Jahr 2019 abzuschätzen, wurden die Unternehmen gebeten, sowohl den Jahresumsatz ihres Unternehmens im Jahr 2019 als auch den Anteil des durch die Sanktionen entgangenen Umsatzes am Jahresumsatz im Jahr 2019 anzugeben. Daraus kann abgeschätzt werden, dass der Umsatzverlust aller befragten Unternehmen durch die Russlandsanktionen im Median 4,25 Millionen Euro im Jahr 2019 betrug. Für KMUs, (also Kleine und Mittelständische Unternehmen) lag der Umsatzverlust mit 0,9 Millionen Euro im Median deutlich unter dem großer Unternehmen, für die der Verlust im Median bei 26,49 Millionen Euro lag. Im Verarbeitenden Gewerbe befand sich der Verlust im Median mit 11 Millionen Euro ebenfalls deutlich über dem der Dienstleistungsunternehmen (0,5 Millionen Euro im Median).

Die Quantifizierung zur beidseitigen Abschaffung der Sanktionen (EU-Sanktionen, US-Sanktionen und Russische Gegensanktionen) im ifo Simulationsmodell brächte Deutschland die größten positiven realen BIP-Effekte mit einer Steigerung um 0,16 Prozent pro Jahr (circa 5,45 Millionen Euro oder 78,3 Euro pro Kopf pro Jahr). Das reale BIP der EU-Mitgliedsstaaten stiege im Durchschnitt um 0,12 Prozent pro Jahr (ca. 21 Milliarden Euro). Russland hingegen könnte am meisten durch die Abschaffung aller Sanktionen profitieren: Das russische BIP stiege um 1,2 Prozent pro Jahr (18,46 Milliarden Euro). 

Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 spaltet deutsche Politiker und laut ihrer Umfrage auch viele Unternehmensführungen. Was würde ein kompletter Baustopp von Nord Stream 2 Ihrer Meinung nach für die deutsche Wirtschaft bedeuten?

Laut unserer Umfrage sind die Unternehmen bezüglich des Nord Stream 2 Pipeline Projekts sehr gespaltener Ansicht, wobei hier die nur relativ kleine Stichprobe von 196 Managern zu beachten ist. Nur eine knappe Minderheit von 48 Prozent spricht sich für einen Baustopp der Nord-Stream-II-Pipeline aus. Die Meinungen gehen auch über die Branchen hinweg stark auseinander: Während sich drei von vier Managern in der Elektrobranche für den Stopp des Projekts aussprechen, liegt der Anteil in der Chemiebranche bei nur einem Drittel. Angesichts der Abhängigkeit der Chemiebranche von Öleinfuhren verwundert dies nicht. Es wird aus der Umfrage auch deutlich, dass kurzfristige politische Signale für Unternehmen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Auch im Dienstleistungsbereich gehen die Meinungen ebenfalls auseinander: Manager der Logistik- (70 Prozent) und der IT-Branche (63 Prozent) sprechen sich mehrheitlich für einen Stopp des Projekts aus, wohingegen die Finanz- und Versicherungsbranche zur Fortsetzung des Projekts tendiert.

Insgesamt hätte ein kompletter Baustopp vermutlich relativ geringe Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft, vorausgesetzt die Öl- und Gaslieferungen sind über die bekannten Wege sichergestellt. Jedoch wären einzelne Firmen, die sehr stark in dieses Projekt investiert haben, von einem Baustopp deutlich negativ betroffen.

Welche Hürden müssen Unternehmen derzeit bewältigen, um weiter Geschäfte mit russischen Firmen abzuwickeln?

37 Prozent der Unternehmen geben an, dass Sie vor allem bürokratische Hürden nehmen müssen: dies schließt zum Beispiel Genehmigungsverfahren auf deutscher/europäischer/amerikanischer Seite, aber auch auf russischer Seite mit ein. Auch zusätzlichen Exportkontrollen spielen für viele Unternehmen (31 Prozent) eine wichtige Rolle. Von konkreten Exportverboten sehen sich 23 Prozent der Unternehmen beeinträchtigt.

Die Einschränkung der Finanzierungsmöglichkeiten des Exportgeschäfts mit Russland ist für 17 Prozent der Unternehmen maßgeblich. Bei den Importen liegt die Betroffenheit im einstelligen Prozentbereich. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der mit den Sanktionen entstandene erhöhte bürokratische Aufwand für alle Unternehmen die größte Hürde darstellt, gefolgt von konkreten Export- oder Importverboten. Zudem wurden vor allem die starken Währungsschwankungen, speziell die Rubelabwertung, und die damit verbundenen hohen Kosten (in Euro) deutscher Produkte für russische Kunden von einigen Unternehmen als Problem für beeinträchtigte Geschäftsbeziehungen mit Russland verantwortlich gemacht. Mehrere Unternehmen nannten auch die allgemeine negative Grundstimmung gegenüber Russland, damit verbundene mögliche Reputationsrisiken für ihr Unternehmen und die Unsicherheit durch die politische Situation als wichtige Faktoren.

Auch konkrete Marktzugangshemmnisse im nicht-tarifären Bereich, wie zum Beispiel erhöhte Standard und lokale Content-Regeln innerhalb Russlands, über die es zur Importsubstitution kommt und die zusätzlich den Einkauf von Gütern und Dienstleistungen aus Drittländern (v. a. China) befeuern, erschweren für viele Unternehmen in unserer Umfrage das Geschäft mit Russland.

Wie stark ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Firmen seit der Verhängung von Sanktionen zurückgegangen?

Wie stark die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Unternehmen seit der Verhängung von Sanktionen zurückgegangen ist, lässt sich anhand unserer Umfrage nicht konkret beantworten. Insgesamt sehen wir aber anhand der Handelsstatistiken, dass die EU [ohne Deutschland], China und Deutschland auch im Jahr 2018 immer noch die drei wichtigsten Handelspartner Russlands darstellen. Die Handelsanteile Deutschlands mit Russland haben sich seit den Sanktionen kaum verringert. Russlands Exporte nach Deutschland sind sehr stark auf wenige Sektoren konzentriert: 93 Prozent aller Exporte nach Deutschland entfallen auf drei Sektoren, nämlich Rohstoffe, Bergbau und Metalle. Gegensatz zu den Exporten ist bei den russischen Importen keine starke Konzentration auf wenige Sektoren zu beobachten. Der Maschinenbau ist derjenige Sektor mit dem größten Anteil an den russischen Importen aus Deutschland (23 Prozent). Darüber hinaus spielen auch Fahrzeuge, Computer, elektronische Waren, sonstige Güter, Textilien sowie Agrargüter eine wichtige Rolle bei den Importen aus Deutschland.

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