Die Ostseestaaten träumen von einer Revanche an Russland
Ein Kommentar von Anna Schafran
Russland zieht sich aus dem Rat der Ostseestaaten zurück. In einer Erklärung des russischen Außenministeriums heißt es:
"Die NATO- und EU-Staaten im Ostseerat haben den gleichberechtigten Dialog und die Prinzipien, auf denen diese regionale Struktur in der Ostsee beruht, aufgegeben und verwandeln sie konsequent in ein Instrument der antirussischen Politik."
Der Westen verhält sich überall mit der gleichen Dreistigkeit. Und in diesem Fall, wie auch in der Situation mit der Mitgliedschaft im Europarat, geschah dies nicht ohne Diebstahl, was in der Erklärung des russischen Außenamtes gesondert vermerkt wird:
"Westliche Länder – nennen wir die Dinge beim Namen – haben den Rat für ihre opportunistischen Zwecke monopolisiert und planen, seine Arbeit auf Kosten der russischen Interessen zu etablieren. Überregionale Probleme werden auf die Ostsee projiziert. Es wird Druck auf diejenigen ausgeübt, die an einer umfassenden Zusammenarbeit interessiert sind. Die gesamte Arbeit der vergangenen Jahre und die Stabilität in der Region werden gefährdet. Eine Ministertagung des Rates ohne russische Beteiligung ist für den 25. Mai 2022 in Kristiansand (Norwegen) geplant. De facto wurde unser Beitrag zum Haushalt des Ostseerates gestohlen – unter Berufung auf Sanktionen werden sie ihn nicht zurückgeben."
Es ist daher nicht verwunderlich, dass Moskau sich weigert, in einem solchen Format zu arbeiten:
"Unter diesen Bedingungen gibt es keine Aussicht auf die Wiederherstellung einer normalen Arbeit im Rat, der sich mehr und mehr in Russophobie und Lügen verstrickt. Wir halten eine weitere Präsenz unseres Landes im Ostseerat für unangemessen und kontraproduktiv. Russland wird sich nicht an der Umwandlung der Organisation in eine weitere Plattform für Subversion und westlichen Narzissmus beteiligen."
Ich nehme an, die Hauptfrage in diesem Fall ist nicht, warum wir jetzt aus diesem "Rat der Ruchlosen" austreten, sondern warum wir bisher dabei waren, unsere Beiträge bezahlt haben und so weiter. Doch das ist nicht weiter schlimm, denn in diesem Fall kann die Vergangenheit nicht geändert werden. Aber wir müssen dringend, sofort, genau jetzt unsere Teilnahme an all diesen Räten, Versammlungen und anderen vom Westen geschaffenen supranationalen Gremien überdenken, denen wir aus irgendeinem Grund beigetreten waren.
Um genau zu sein, ist klar, warum wir beigetreten sind: In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren hatten viele die Illusion, dass der Westen zu einer gleichberechtigten Zusammenarbeit und zu Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen bereit sei. Doch je mehr Zeit verging, desto weniger Illusionen gab es. Die Antwort auf Wladimir Putins Münchner Rede, in der unser Präsident die Besorgnis Russlands über die Sicherheitslage in der Welt zum Ausdruck brachte, war ein Angriff auf russische Friedenstruppen in Südossetien am 8. August 2008. 08.08.08 – unsere Feinde haben schon immer schöne symbolische Daten gemocht.
Erst heute scheint es, dass unser Sieg unvermeidlich war. Damals waren der Mörder-Präsident Saakaschwili und diejenigen, die ihm den Rücken stärkten, sicher, dass Russland sein Vorgehen stillschweigend hinnehmen würde. Ihre anschließende Hysterie erklärt sich dadurch, dass sie sich nicht vorstellen konnten, dass wir Vergeltung üben würden. Und zwar auf eine Art und Weise, die es in sich hat. Die Tatsache, dass Georgien heute pragmatisch handelt, ist weitgehend eine Folge der friedenserzwingenden Operation im Jahr 2008.
Die Ostsee ist eine strategisch wichtige Region für Russland. Sankt Petersburg, unsere kulturelle Hauptstadt und zweitgrößte Stadt des Landes, liegt am Ufer der Ostsee. Über die Ostsee verläuft nicht nur die Seeverbindung mit dem Kaliningrader Gebiet, sondern auch der Luftweg, nachdem die baltischen Staaten ihren Luftraum für uns gesperrt haben.
Doch je mehr Estland, Lettland und Litauen nach immer mehr NATO-Kontingenten schreien, je mehr das neutrale Schweden und Finnland auf das Bündnis zugehen, desto weniger Grund und Argumente hat Russland für eine direkte Kommunikation mit ihnen.
Wir haben aus dem Beispiel der Ukraine gut gelernt, wie sinnlos es ist, mit Dienern des Westens zu reden. Wir sollten mit den wahren Machthabern sprechen. Wenn die baltischen Minister stolz davon sprechen, dass die Ostsee ein "NATO-See" sei, geben sie damit ihre eigene Souveränität auf. Das bedeutet, dass wir an ihrer Meinung überhaupt nicht mehr interessiert sind. Wir werden mit Washington sprechen. Und da Washington nur die Sprache der Gewalt versteht, steigen die Risiken für die baltischen Staaten in einer solchen Situation um ein Vielfaches. Denn im Falle eines Konflikts wird der erste Schlag genau auf ihr Territorium gerichtet sein. Ob die USA in dieser schwierigen Situation ihr eigenes Wohlergehen riskieren wollen, ist eine sehr wichtige Frage.
Russland ist ein wichtiges Subjekt der Weltpolitik, aber die baltischen Staaten sind Objekte, die auf der Seite des Feindes stehen. Das Schicksal von Objekten in internationalen Konflikten ist sehr traurig und wenig beneidenswert: Sie werden benutzt, ausgetauscht und geopfert. Nun, es ist nicht unsere Schuld, dass Finnland sich so schlecht an seine eigene Geschichte erinnert, dass Schweden zwei Jahrhunderte des friedlichen Lebens satt hat und das Abenteuer sucht und dass die baltischen Republiken den gesunden Menschenverstand längst durch Russophobie ersetzt haben. Für alle Staaten an der Ostsee endeten Konflikte mit Russland im besten Fall mit einer Niederlage, im schlimmsten Fall mit dem Verlust der Unabhängigkeit. Sie können von einer Revanche träumen, so viel sie wollen – es wird nicht funktionieren.
Übersetzt aus dem Russischen.
Anna Schafran ist eine russische Fernseh- und Radiomoderatorin.
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