Großbritanniens zweites elisabethanisches Zeitalter waren in Wahrheit 70 Jahre düsterer Niedergang
Ein Kommentar von Paul A. Nuttall
Um die lange Regentschaft von Königin Elisabeth II. ins rechte Licht zu rücken: Sie bestieg den Thron nur sieben Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und Winston Churchill war ihr erster Premierminister. Ihr Engagement für die Pflicht und für ihr Volk ist über jeden Zweifel erhaben, und infolgedessen wird ihr Thronjubiläum mit einer Reihe von feierlichen Fernsehdokumentationen im Fernsehen und Zeitungsartikeln begleitet. Aber machen wir uns nichts vor. Obwohl sie eine großartige Monarchin ist, war ihre Zeit auf dem Thron eine Zeit des steilen Niedergangs von Großbritannien und weit entfernt vom glorreichen ersten elisabethanischen Zeitalter im 16. Jahrhundert.
Die Regierungszeit von Elisabeth I. von 1558 bis 1603 wird als "goldenes Zeitalter" für Großbritannien beschrieben, ein Zeitalter des wirtschaftlichen Wohlstands, des technologischen Fortschritts und der globalen Erkundung. Sie erbte ein instabiles Königreich, gespalten durch Religion, zunehmender Armut und von mächtigen ausländischen Feinden heimgesucht. Unter der Führung dieser schlauen "jungfräulichen Königin" entwickelte sich Großbritannien jedoch zu einer Weltmacht, die in der Lage war, ihre äußeren und inneren Feinde zu bekämpfen. Zu den Errungenschaften von Elisabeth I. gehörten die Wiederherstellung des Protestantismus, die Hinrichtung von Maria, Königin der Schotten, und die Niederlage der spanischen Armada durch die Royal Navy im Jahr 1588, die den Grundstein für Großbritannien legte, um "die Wellen der Weltmeere zu beherrschen". Man könnte tatsächlich argumentieren, dass die zweite elisabethanische Periode den Niedergang der Marine einleitete.
Als Elisabeth II. im Februar 1952 zur Königin gekrönt wurde, war Großbritannien eine der mächtigsten Nationen der Welt. Neben den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion gehörte es zu den "Großen Drei". Großbritanniens Macht wuchs noch im selben Jahr, als es zu einer Atommacht aufstieg. Damals gab Großbritannien 11,2 Prozent seines BIP für die Streitkräfte aus, heute ist diese Zahl auf 2,3 Prozent geschrumpft. 1952 hatte Großbritannien ein stehendes Heer von 871.000 Mann. Diese liegt heute bei 82.000 und soll bis 2025 auf 72.500 reduziert werden. Dies ist nicht wirklich eine Armee, sondern ein Korps.
Ähnlich sieht es auch bei der Royal Navy aus. In den 1950er Jahren hatte Großbritannien eine Marine, die fähig war, die Ozeane rund um den Globus zu beherrschen. 1950 hatte waren 280 Schiffe und 12 Flugzeugträger im aktiven Einsatz. Im Jahr 2020 hatte die Royal Navy lediglich noch siebzig Schiffe und zwei Flugzeugträger im Einsatz. Wenn man die Patrouillenboote der Küstenwache nicht mitrechnet, so ist die Zahl der Schiffe der Royal Navy seit dem Falklandkrieg von 1982 um etwa 74 Prozent zurückgegangen. Dies kann in jeder Hinsicht nur als militärischer Niedergang ausgelegt werden.
Einer der Gründe, warum das Militär so stark war, ist, dass Großbritannien ein Imperium besaß, das sich über die gesamte Länge und Breite des Globus erstreckte. Indien, bekannt als das "Juwel der Krone" des britischen Empire, war 1947 verloren gegangen, aber große Teile Afrikas und der Karibik befanden sich immer noch unter britischer Herrschaft. Doch innerhalb eines Jahrzehnts waren auch diese Kolonien verschwunden und Großbritannien schrumpfte auf der internationalen Bühne auf ein Normalmaß.
Ich plädiere nicht zugunsten von Kolonialismus, aber die Tatsache, dass Großbritannien bereit war, sein Imperium so schnell aufzugeben – oder "zu versenken", wie Churchill es ausdrückte – unterstreicht nur den rapide schwindenden Status des Landes. In der Tat, wie Dean Acheson, der ehemalige US-Außenminister, 1962 sagte: "Großbritannien hat ein Imperium verloren, aber seine neue Rolle noch nicht gefunden."
Als Alternative schauten britische Politiker in dieser Zeit auf den europäischen Kontinent, um diese neue Rolle zu finden. In den 1970er Jahren wurde Großbritannien zu Recht spöttisch als "der kranke Mann Europas" bezeichnet. Die Arbeitslosigkeit lag erstmals seit der Weltwirtschaftskrise bei über einer Million, und das Land wurde von Arbeitskämpfen zerrissen, was zu regelmäßigen Stromausfällen und zur Einführung der Drei-Tage-Woche führten. Aus dieser Position der Schwäche heraus trat Großbritannien 1973 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) bei, eine demütige Akzeptanz seines reduzierten Status.
Der Niedergang Großbritanniens wird am besten durch den Zusammenbruch seiner Fertigungsindustrie deutlich. Früher nannte man das Land die "Werkstatt der Welt", heute nicht mehr. Seit den 1960er Jahren wurde die britische Fertigung durch Arbeitskämpfe, einer unfähigen Regierungspolitik und dem globalen Wettbewerb dezimiert. Großbritannien verzeichnet seit 1983 jedes Jahr ein Handelsdefizit bei Waren und es wird kaum noch etwas produziert. Der Markt für Fertigung von Waren ist längst an Asien abgetreten worden. Infolgedessen wurden ganze Gemeinden in Nordengland und Wales von hoher Arbeitslosigkeit und den daraus resultierenden sozialen Problemen heimgesucht.
Eine der Folgen der Deindustrialisierung und der Auflösung von Gemeinschaften war ein steiler Anstieg der Kriminalität. In den 1950er Jahren wurden etwa 500.000 Straftaten pro Jahr registriert, doch bis 2003 hatte diese Zahl die atemberaubende Zahl von sechs Millionen erreicht. Auch die Mordrate ist explodiert: 2021 wurden 600 Morde registriert, verglichen mit nur 27 im Jahr 1952. In der britischen Gesellschaft ist eindeutig etwas schief gelaufen, und es ist schwierig, die genauen Ursachen zu bestimmen, obwohl die Deindustrialisierung, der Zusammenbruch der Religion und der Zusammenbruch der Familie allesamt dazu beigetragen haben. Großbritannien im Jahr 2022 ist ein weit weniger sicherer und ein weit weniger schöner Ort zum Leben als das Großbritannien von 1952.
Elisabeth II. ist vielleicht eine ikonische Monarchin und repräsentiert alles, was an Großbritannien noch gut ist. Die zweite elisabethanische Periode war jedoch kein "goldenes Zeitalter" wie die erste. Weit davon entfernt. Das ist in keiner Weise die Schuld von Elisabeth II. Im Gegensatz zu ihrer Namensvetterin, ist sie eine konstitutionelle Monarchin ohne wirkliche Macht.
Die Schuld liegt stattdessen bei den Politikern – insbesondere bei den 14 Premierministern, die während der Amtszeit von Elisabeth II. gedient haben – die sowohl die Königin als auch ihr Volk jahrzehntelang im Stich gelassen haben. Auch wenn wir in den kommenden Wochen und Monaten mit Artikeln über Königin Elizabeths glorreiche 70 Jahre auf dem Thron überschwemmt werden, garantiere ich, dass zukünftige Historiker nicht so milde sein werden, wenn sie über Großbritanniens "Zeitalter des Niedergangs" schreiben, der sich unter der Regentschaft von Elisabeth II. zugetragen hat.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Übersetzt aus dem Englischen.
Paul A. Nuttall ist Historiker, Autor und ehemaliger Politiker. Er war von 2009 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und war ein prominenter Aktivist für den Brexit.
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