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George Galloway: Wer gedenkt der 3.000.000 Indonesier, die mit britischem Zutun massakriert wurden?

Jüngst öffentlich gemachte britische Dokumente enthüllen die Rolle Großbritanniens bei der Abschlachtung von drei Millionen Indonesiern in den 1960er-Jahren. George Galloway fragt sich, wie er das seinen halbindonesischen Kindern erklären soll.
George Galloway: Wer gedenkt der 3.000.000 Indonesier, die mit britischem Zutun massakriert wurden?Quelle: AFP

Ein Kommentar von George Galloway

Neu veröffentlichte, zuvor geheime Dokumente zeigen: Großbritannien der 1960er-Jahre war als imperialen Macht zwar im Begriff zu schwinden. Doch war es immer noch in der Lage, tödliche Rache an denjenigen zu üben, die als Bedrohung seiner "Interessen" angesehen wurden.

Meine Frau ist Indonesierin – doch wurde sie in Amsterdam geboren, weil ihre Eltern, wie viele andere auch, vor dem Völkermord geflohen waren, bei dem Mitte der 1960er-Jahre bis zu drei Millionen Menschen in Indonesien massakriert worden waren.

Wie der australische Schriftsteller Christopher Koch es ausdrückte, war das Jahr 1965 in und für Indonesien "Ein Jahr in der Hölle". Übrigens wurde das besagte Buch später auch verfilmt, mit Mel Gibson in der Hauptrolle.

Millionen anderer Menschen haben es natürlich nicht überlebt. Jenes Jahr und das Jahr danach sind selbst für diejenigen, die den mit dem Oscar ausgezeichneten Dokumentarfilm "Act of Killing" unter Regie Joshua Oppenheimers gesehen haben, kaum auszumalen. In dem surrealen und doch allzu realen filmischen Rollenspiel des Streifens stellen die tatsächlichen Schlächter die letzten Momente der von ihnen Ermordeten nach und zeigen sich dabei (meist) ungerührt von den Erinnerungen. Einige von ihnen haben es mithilfe der Kultur der Straffreiheit zu hohen Positionen in Staat und Wirtschaft gebracht (was meist ohnehin das Gleiche ist), andere wiederum wandern durch die labyrinthischen Einkaufszentren des modernen Indonesiens, das auf den Massengräbern der Ermordeten – derer da eine schwindelerregende Zahl war – errichtet wurde.

Das war einst so anders.

Der Anführer der nationalen Befreiungsbewegung und erster Präsident Indonesiens war Sukarno. Er hatte es auch zu einer leitenden Figur in der Bewegung der blockfreien Staaten geschafft (deren Mitbegründer er zudem war, Anm. d. Red.), die auf der berühmten Konferenz von Bandung im Jahr 1955 gegründet wurde – kurzum, er wurde also zu einer weltpolitischen Größe, was keiner seiner Nachfolger auch nur im Traum von sich selbst behaupten könnte. Alle namhaften Antikolonialisten der Welt strömten in das javanische Juwel Bandung und füllten dessen baumgesäumte Straßen. Vertreter von mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung nahmen an der Konferenz teil.

Sukarnos Geist spukt noch immer in dieser Stadt. Anderswo hingegen gibt es kaum noch Anzeichen dafür, dass die Politik, für die er stand, jemals existierte – selbst wenn seine Parteifreunde (einschließlich seiner Tochter) wieder in ihre Ämter zurückkehren, wenn auch nicht unbedingt an die Macht.

Als das alles passierte, waren noch die Beatles die Nummer eins in der britischen Hitparade – und diese Band existiert schon seit 40 Jahren nicht mehr. Doch obwohl London Welten von Indonesien entfernt ist, hat sich kürzlich herausgestellt, dass es eine weitaus zentralere Rolle bei dem Massenmord gespielt hatte, als wir alle bisher wussten, mich eingeschlossen.

Kürzlich zur Veröffentlichung freigegebene, zuvor geheim gehaltene britische Dokumente zeigen: Das Vereinigte Königreich überschlug sich mit seiner umfassenden Propagandaoffensive im Bemühen, "das kommunistische Krebsgeschwür herauszuschneiden" – was schließlich bei dem Staatsstreich, der Sukarno stürzte und das Gemetzel auslöste, auch geschah. Die britische Regierung ließ eine Zeitschrift gründen, die angeblich von Indonesiern im Exil herausgegeben wurde – in Wirklichkeit aber von britischen Beamten in London geschrieben und gedruckt wurde.

Sie ließ auch einen Radiosender gründen, der von Singapur aus pechschwarze Propaganda herauspumpte. Sie vertuschte absichtlich, dass die indonesischen Generäle die Massenmorde koordinierten, indem sie die Lüge verbreitete, zu den Massakern sei es "spontan" gekommen. In der Tat überwachten die Briten die gesamte Kommunikation der indonesischen Armee, einschließlich der des Putschisten und späteren Diktators Suharto.

Die Briten agitierten unablässig für die "vollständige Vernichtung" von Sukarnos Anhängern "für alle Zeiten" – in der "Hoffnung, dass die Generäle es besser hinbekommen als der vorige Sauhaufen". Sukarno und seine Anhänger, hieß es, "müssen bestraft werden", weil sie sich dem Empire entgegengestellt hatten.

"Sturz Sukarnos Propagandasieg Großbritanniens zu minimalen Kosten"

Diese Geheimoperation befehligte ein britischer Spion, ein gewisser Norman Reddaway, der die Massaker von Britisch-Singapur aus unterstützte. Er sollte später in seinen schäbigen, Gin-versifften Londoner Clubs damit prahlen, dass "der Sturz Sukarnos einer der größten Propagandasiege Großbritanniens" war, der auch noch "mit minimalen Kosten erzielt wurde". "Mit minimalen Kosten für London" meinte er natürlich, nicht für die Millionen von Menschen, die dort abgeschlachtet wurden.

Was, abgesehen vom Offensichtlichen – dem schieren Hass der Briten auf die mächtige Kommunistische Partei Indonesiens (PKI), die größte kommunistische Partei der Welt außerhalb Chinas und des Sowjetblocks, der Wut wegen Sukarnos Ausrichtung auf Moskau, der Anziehungskraft der Bewegung der Blockfreien auf die Völker, die sich in den 1950er-Jahren aus dem Kolonialismus befreiten – also, was brachte den Sukarno-Anhängern denn nun die Feindschaft des verblichenen imperialen Großbritanniens ein?

In den freigegebenen Dokumenten werden Reddaway Handelsverluste in Höhe von 250 Millionen britischen Pfund erwähnt, obwohl dieser Umstand nirgends auch nur skizzenhaft umrissen wird.

Höchstwahrscheinlich war es vor allem Sukarnos Weigerung, den Wunsch der Briten zu akzeptieren, ihre Kolonialgebiete in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu behalten – entweder direkt in Borneo oder aber durch neue Akteure wie Malaysia, von dem die Briten glaubten (fälschlicherweise, wie sich herausstellte), sie könnten es weiterhin manipulieren, auch nachdem dort die Unionsflagge bei der Erklärung der, wie sie dachten, nur Pro-forma-"Unabhängigkeit" heruntergelassen worden war.

Kein Stolperstein für Malaysier

An die Millionen, die dort massakriert wurden, erinnert man sich heute im Westen mit seiner "regelbasierten Ordnung" und allem, was dazugehört, genauso wenig, wie sie damals in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Ihr vergossenes Blut, das Blut, das in den Adern meiner eigenen Kinder fließt, war im Westen damals nur wenig wert – ebenso wenig wie heute.

Sie waren "Schlitzaugen", die es abzuschlachten galt – vor den "Schlitzaugen", die bald darauf in Vietnam, Laos und Kambodscha abgeschlachtet werden sollten, und nach den "Schlitzaugen", die in Korea massakriert worden waren (siehe Picassos Gemälde). Ihr Leben galt nichts.

"Die nun freigegebenen Papiere rufen also Erinnerungen an das britische Weltreich hoch, das einst so groß war, dass in ihm 'die Sonne nie unterging'. Mein irischer Großvater pflegte mir zu erklären, das sei so, 'weil Gott den Briten in der Dunkelheit niemals trauen würde'."

Wäre er heute noch am Leben, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass er dies meinen halbindonesischen Kindern auf gleiche Weise erklären würde.

Übersetzt aus dem Englischen. 

George Galloway war fast 30 Jahre lang Abgeordneter im Unterhaus des britischen Parlaments. Er ist Filmemacher, Schriftsteller und ein angesehener Redner. Galloway präsentiert auch Fernseh- und Radiosendungen, unter anderem bei RT International. Seinen englischsprachigen Twitterkanal liest und abonniert man unter @georgegalloway

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