Chinas Hyperschall-Raketentest sollte Washington als ernste Warnung dienen
Eine Analyse von Tom Fowdy
Am Wochenende erschien in der Financial Times – nach dem Durchsickern des Berichts eines anonymen US-Beamten – ein Artikel, in dem behauptet wurde, China habe im August 2021 eine nuklearfähige Hyperschallrakete getestet, die im Orbit den gesamten Globus umkreist habe. Der Artikel gab die US-Geheimdienste mit den Worten wieder, der Test habe gezeigt, dass China "erstaunliche Fortschritte" auf diesem Gebiet gemacht habe.
Eine Hyperschallrakete unterscheidet sich von einer ballistischen Rakete durch ihre Fähigkeit, in einer niedrigeren Umlaufbahn weit schneller als Schallgeschwindigkeit zu fliegen, was gegenwärtige Systeme zur Raketenabwehr nicht bewältigen können. China selbst hatte diesen Test jedoch nie angekündigt und die Berichte darüber auch nicht kommentiert. Diese Entwicklung folgt auf eine Reihe anmaßender Presseartikel, in denen behauptet wird, Washington habe dank des AUKUS-Deals mit Australien und Großbritannien militärisch die Oberhand gegen China erlangt.
Entsprechend hatte Minxin Pei auf Bloomberg geschrieben, AUKUS zeige, dass "China kein Wettrüsten mit den USA gewinnen kann." In einem Artikel in der Publikation Foreign Affairs (Ausländische Angelegenheiten) hatten Michael Beckley und Hal Brands zudem das "Ende von Chinas Aufstieg" proklamiert. Die gegenwärtigen Entwicklungen zeichnen jedoch ein anderes Bild – eines, in dem Pekings militärische Fähigkeiten entgegen allen Erwartungen weiterhin in einem rasanten Tempo zunehmen. Ein ehemaliger Offizieller im Pentagon, Nicolas Chaillan, hatte daher seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass China das Rennen im Bereich der künstlichen Intelligenz bereits "gewonnen" habe.
Wenn die Geschichte über diese Hyperschallrakete wahr ist, dann ändert sich damit zweifellos Chinas militärische Dynamik und untergräbt die strategische Annahme der USA und ihrer Verbündeten, dass jeder Konflikt an der chinesischen Peripherie im Pazifik eingedämmt werden kann und ausschließlich eine maritime Angelegenheit wäre. Aber offenbar ist dem nun nicht mehr so. Mit einer solchen Hyperschallrakete könnte Peking innerhalb von Stunden praktisch überall auf der Welt zuschlagen – auf Wunsch auch mit einem Atomsprengkopf.
Während ein Atomkrieg aus offensichtlichen Gründen ein Rohrkrepierer bleibt, kippt diese technologische Entwicklung das Kräftegleichgewicht vorerst zu Gunsten Chinas. Beispielsweise könnten in einem Seekonflikt im Südchinesischen Meer – oder im Zusammenhang mit Taiwan – konventionelle Hyperschallraketen ohne Weiteres eingesetzt werden, um alliierte Flotten und US-Flugzeugträger, die Chinas Peripherie angreifen, zu versenken.
In so unmittelbarer Nähe zu Chinas Festland würden sie wie Enten dastehen, die auf ihren sicheren Abschuss warten. Und obwohl die Atom-U-Boote, die von den USA an Australien geliefert werden sollen, als "Game Changer" angekündigt wurden, werden diese wohl nicht vor 2040 ausgeliefert.
Auf der anderen Seite sollte man bedenken, dass diese Geschichte durch eine undichte Stelle bei der US-Regierung an die Öffentlichkeit gekommen ist und somit wohl auch einer Agenda folgt, die es zu Tage zu fördern gilt. Das Durchsickern von Geschichten, in denen Fähigkeiten eines Gegners hervorgehoben werden, um sich dafür mehr Verteidigungsausgaben zu sichern, sind in der US-Innenpolitik eine gern angewandte Taktik. Angst verkauft sich gut. Tatsächlich bezeichnete ein Mitglied der Denkfabrik RAND Corporation die Raketenentwicklung Chinas als deren "Sputnik-Moment" – mit Hinweis auf die Sowjets, die 1957 zu aller Überraschung den ersten Satelliten der Menschheitsgeschichte in den Orbit schossen und so den Wettlauf ins Weltall einläuteten.
Während es für die Unterstützer Chinas ermutigend sein muss zu hören, dass das Land militärisch Fortschritte macht, sollte man sich immer auch daran erinnern, dass die USA die Fähigkeiten ihrer Rivalen immer gerne übertreiben und Massenhysterie schüren, um sich entsprechend zu mobilisieren. Insbesondere, wenn die Waffenindustrie davon profitieren soll. Die Lage wird dann immer so dargestellt, dass der Feind die Oberhand hat, selbst bei kleineren Gegnern wie Nordkorea. Weil das Ziel darin besteht, über diesen Weg die USA zum Handeln und zu einer härteren Politik zu zwingen.
Nichtsdestotrotz ist es tatsächlich so, dass China aktuell über militärische Überschallfähigkeiten verfügt – und die USA derzeit nicht. Die Absicht wäre somit, dass die Vereinigten Staaten in sich selbst investieren und eine Gegenkapazität aufbauen. Würde man solches ausschließen wollen? Derzeit haben Russland und sogar Nordkorea Hyperschallfähigkeiten erreicht, und es scheint, gelinde gesagt, unwahrscheinlich, dass Amerika sich lange aus diesem Spiel heraushalten kann. Dies ist ein Wettrüsten.
Aber die größere Frage ist: Wie lange hält dieses Wettrüsten an, und wer fällt am Ende zurück? Die UdSSR lag den USA in vielen Aspekten beim Wettlauf in den Weltraum und bei der Entwicklung von Atomwaffen bekanntermaßen voraus, verlor diesen Vorsprung jedoch auf lange Sicht.
Was viele Menschen nicht berücksichtigen, ist, dass die Kommunistische Partei Chinas nicht mit derjenigen der Sowjetunion verglichen werden kann und Erstere unter viel günstigeren Bedingungen existiert. Sie hat sehr gut ausgebildete Funktionäre, die eine gigantische Bevölkerung repräsentieren, ein ständig wachsendes Volksvermögen, das für Investitionen verwendet wird, Universitäten auf Weltklasseniveau, und vieles mehr.
Es ist daher unlogisch, anzunehmen, dass AUKUS ein "finales Rennen" darstellt, bei dem China die USA und ihre Verbündeten nicht einholen könnte. Obwohl diese Geschichte rund um Chinas Hyperschallraketen teilweise einer durch eine Agenda motivierten Hysterie entspringt – und einem bestimmten Zweck dienen soll –, spiegelt sie die Tatsache wider, dass Chinas militärische Fähigkeiten weiterhin unerbittlich erweitert und in neue Technologiefelder vordringen werden. Wie selbst der britische Telegraph zugeben musste, produziert China, in Bezug auf Tonnage, alle vier Jahre das Äquivalent einer kompletten britischen Royal Navy. China baut sogar bewaffnete Drohnen-Schiffe, während der Bau seines dritten Flugzeugträgers in vollem Gange ist.
In gewisser Weise ist Chinas Hyperschall-Raketentest also ein böses Erwachen, auch wenn die US-Regierung die Geschichte absichtlich in die Öffentlichkeit durchsickern ließ. Washington hat sich nun zu einem langen Rüstungskampf mit Peking um die Vorherrschaft im asiatisch-pazifischen Raum verpflichtet und in seiner Arroganz möglicherweise unterschätzt, wozu China auf Dauer wirklich fähig ist.
Hat man denn wirklich geglaubt, durch AUKUS hätten sich die Machtverhältnisse gegenüber Peking verschoben? Vielleicht sollte man das noch einmal überdenken.
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Übersetzt aus dem Englischen.
Tom Fowdy ist ein britischer Autor und Analytiker für Politik und internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Ostasien. Er twittert unter @Tom_Fowdy
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