USA: Wie man eine Wahl zuckert – Zuckerberg, das CTCL und Philadelphia
von Dagmar Henn
Auch wenn das Thema in den deutschen Medien konsequent übergangen wird, die Frage der Manipulation der US-Präsidentschaftswahlen im vergangenen Herbst ist noch lange nicht vom Tisch. Doch neben der Frage der direkten, offenen Fälschung gibt es auch demokratisch sehr fragwürdige Formen der Beeinflussung. Ein Musterbeispiel dafür findet sich in der Stadt Philadelphia, die in einem der Staaten liegt, die damals über den Wahlausgang entschieden, in Pennsylvania.
Der Hauptakteur in diesem Stück war eine Organisation namens Center for Tech and Civic Life (CTCL), übersetzt ist es das "Zentrum für Technologie und Bürgerleben"; steuerbefreit, ähnlich wie hier ein gemeinnütziger Verein, aber ohne demokratische Binnenstruktur.
Die Gründer dieser NGO kamen aus dem New Organizing Institute (NOI), einer weiteren den Demokraten nahestehenden NGO, die sich mit Boot-Camps für Kampagnen befasst hat; gewissermaßen Marketingschulungen für den Verkauf vorgegebener politischer Inhalte unter Einsatz sozialer Medien.
Die Tätigkeit des NOI war eine Mischung aus Politik und Werbung. Teilnehmer der dort angebotenen Kurse lernten, wie man Kurzbotschaften für einzelne Kandidaten oder Themen optimiert. In einem Artikel der Washington Post aus dem Jahr 2014, in dem das NOI als "das Hogwarts der demokratischen Partei für digitale Zauberei" beschrieben wurde, hieß es:
"Politische Technologie erreicht die größten Veränderungen eher am Rand: ein paar mehr Leute dazu zu bringen, die Facebook-Seite eines Kandidaten zu teilen, oder die Spendenbereitschaft um ein paar Prozent zu erhöhen. Aber all dieses Anstupsen summiert sich."
Anstupsen, oder Nudging, ist in den letzten Jahren auch bei uns zum Schlagwort geworden und wird verwandt, um eine Technik zu beschreiben, mit der aus der Politik die Meinung der Bevölkerung auf unauffällige Weise gedreht wird. Demokratie, das sollte man angesichts solcher Technologien gelegentlich in Erinnerung rufen, bedeutet, dass die Bevölkerung politische Entscheidungen trifft und die Politiker diese ausführen; sie bedeutet nicht, dass die Ausführenden entscheiden, was sie ausführen wollen, und dann dafür sorgen, dass die Bürger entsprechend denken.
Die Kampagnenschulungen, die Organisationen wie das NOI anbieten – und die auch bei uns in politischen Zusammenhängen immer populärer werden –, haben nichts mehr mit politischer Bildung im klassischen Sinne zu tun. Denn letztere zielt darauf ab, eine wirkliche Beschlussfassung zu ermöglichen; den Einzelnen zu befähigen, eine politische Frage zu durchdenken und dann auf Grundlage eigener Erkenntnis zu handeln. In der Welt der "Nudger" geht es um fertige Inhalte, die nur noch verbreitet werden müssen; statt politisch denkender Menschen werden nur Drückerkolonnen erzeugt, die das ihnen übergebene Material möglichst erfolgreich verkaufen.
Das CTCL geht einen Schritt weiter, und es hatte im Jahr 2020 seinen großen Auftritt. Die 2012 gegründete NGO hatte noch im Jahr 2018 ein Budget von 841.577 US-Dollar; im letzten Jahr, zur US-Präsidentschaftswahl, erhielt sie allein von Zuckerberg Spenden in Höhe von 350 Millionen Dollar; wie viel zusätzlich noch z. B. von Google oder dem Rockefeller Brothers Fund kam, ist bisher nicht bekannt.
Auf seiner Webseite beschreibt sich das CTCL so: "CTCL ist ein Team aus Bürgertechnologen, Trainern, Forschern, Wahlverwaltungs- und Datenexperten, die daran arbeiten, eine informiertere und engagiertere Demokratie zu fördern und dabei zu helfen, die US-Wahlen zu modernisieren." Und weiter preist es sich:
"CTCL hat Funktionäre für staatliche und lokale Wahlen ausgebildet, die über der Hälfte der US-Wahlberechtigten dienen."
Und nun ab nach Philadelphia, zur Frage, was das CTCL tatsächlich mit den Zuckerberg-Millionen getan hat.
Die Stadt mit 1,6 Millionen Einwohnern ist die größte in einem der 2020 wahlentscheidenden Swing-States; in ganz Pennsylvania betrug der Vorsprung des Demokraten Joe Biden nur 80.555 Stimmen. Nicht überraschend, dass sich das CTCL hier engagierte.
Die enormen Spendengelder, die das CTCL im Jahr 2020 einnahm, wurden verwendet, um "örtlichen US-Wahlbüros die Finanzmittel zu verschaffen, die sicherzustellen helfen, dass sie die kritischen Ressourcen besitzen, um jeden Wähler im Jahr 2020 sicher zu bedienen." Klingt das unschuldig? Übersetzen wir das einmal: "Wir bezahlen euch die Organisation der Wahl." So klingt das schon weniger unschuldig.
Philadelphia erhielt tatsächlich 10.016.074 US-Dollar aus den Mitteln der Zuckerberg-Spende. Im Antragsdokument für diese milde Gabe wird im Detail ausgeführt, wofür: etwa ein Industrie-Schnelldrucker für den Druck der Briefwahlzettel für 987.980 Dollar, zwei Maschinen zum Sortieren der Briefwahlschreiben nach Postleitzahlen für je 488.592 Dollar, acht Wahlzettelscanner zum Gesamtpreis von 611.300 Dollar; Laptops, Wahlurnen und Möbel für zwei sogenannte "mail-in"-Wahllokale, die Wochen vor dem eigentlichen Wahltermin im Stadtzentrum eröffnet wurden, nicht zu vergessen je 30.000 Dollar für je einen Angestellten; für 15 im Stadtgebiet aufgestellte "Wahlbriefkästen" für je 10.000 Dollar brauchte es noch zwei Abholteams mit zwei Chefs je 56.000 Dollar und insgesamt fünf weiteren Abholern für je 8.000 Dollar und dann noch einmal "Sicherheitsbedarf" für 250.000 Dollar; schließlich hundert Dollar Gefahrenzulage für jeden der 8.515 Wahlhelfer am Wahltag selbst ...
Wer das deutsche Briefwahlverfahren kennt, wundert sich schon über den ersten Posten. Hiesige Briefwahlunterlagen kommen einheitlich von der Bundesdruckerei; sie sehen überall gleich aus und werden nur an die Meldeadresse geschickt, und wer vor dem Wahltag seine Stimme persönlich abgeben will, muss dafür diese Briefwahlunterlagen mitbringen.
In den USA, die keine Meldepflicht kennen, ist es schon deutlich schwieriger, Wahlberechtigte zu identifizieren; der Staat Pennsylvania nimmt dafür den Führerschein oder die letzten Zahlen der Sozialversicherungsnummer, kennt aber sogar Sonderregeln für jene, die aus religiösen Gründen ablehnen, fotografiert zu werden. Und die Briefwahlunterlagen werden, das belegt der Kauf des Schnelldruckers, jeweils örtlich gefertigt, nicht zentral.
Das jährliche Budget des Wahlamts in Philadelphia beträgt 12,3 Millionen Dollar. Die zehn Millionen des CTCL sind da kein Trinkgeld. Man kann es auch anders formulieren – Zuckerberg hat sich schlicht den kompletten institutionellen Apparat des Wahlprozesses selbst gekauft.
Das belegt keine Fälschung, aber es wurden Anreize dafür gesetzt. Man muss nur einmal die Personalausgaben betrachten, die sich in dieser milden Gabe finden. Sie bieten durchaus die Möglichkeit, dem einen oder anderen unauffällig etwas zukommen zu lassen. Und ganz nach dem Prinzip des "Nudging" – die 8.515 Wahlhelfer, die aus der Zuwendung eine Gefahrenzulage von je hundert Dollar erhielten, wurden dadurch sicher nicht gekauft, aber doch gewogen gestimmt.
Aber was ist denn dabei, könnte man sagen, wenn doch nur die technische Durchführung von Wahlen etwas unterstützt wird? Nun, es gibt zwei Punkte, bei denen es kritisch wird.
Der erste ist die Schulung von Wahlleitern, die ebenfalls Teil des CTCL-Pakets ist. Bei den meisten rechtlichen Regelungen gibt es einen gewissen Ermessensspielraum; beim deutschen Wahlverfahren betrifft der zum Beispiel die Frage, ob der Wählerwille eindeutig erkennbar ist oder nicht. Hier kann der eine Wahlleiter eine Stimme für ungültig erklären, weil das Kreuz nicht genau genug im Kreis ist, und der andere lässt sie noch durchgehen. Wie bei allen "Nudging"-Techniken: wenn in der Schulung die Haltung der Wahlleiter in die eine oder andere Richtung beeinflusst wird, verändert das im Einzelnen wenig, aber in der Summe eine ganze Menge.
Endgültig zur Manipulation wird die Tätigkeit des CTCL allerdings durch die Verteilung seiner Aktivitäten. Wenn auch Philadelphia der am besten dokumentierte Fall ist, so lag doch der Schwerpunkt in den beiden Staaten Michigan und Wisconsin. Beides, wie Philadelphia, Swing-States, mithin wahlentscheidend.
Natürlich kann eine private Organisation ihre ebenfalls privaten Mittel dort einsetzen, wo es ihr passt. Nur ist das dann eben keine Förderung demokratischer Prozesse, sondern eine Förderung, die klaren Interessen folgt. Die Mittel wurden nicht dort verteilt, wo die durch COVID-19 ausgelösten Probleme am größten waren, und schon gar nicht danach, wo die meisten benachteiligten Wähler lebten; sie wurden dorthin vergeben, wo die Demokraten hoffen konnten, noch zusätzliche Stimmen zu holen. Und mit der "Förderung" des Wahlverfahrens selbst wurde vielleicht der Anfang für eine Korrumpierung in bisher ungekannter Tiefe gemacht.
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