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Vorauseilende Reaktion – USA schlagen Anlegeverbot für russische Schiffe in Europa vor

Der ehemalige US-Gesandte in der Ukraine schlug vor, russischen Schiffen das Anlegen in Häfen der EU und der USA zu verbieten sowie präventive Sanktionen zu verhängen. Merkwürdigerweise erschien der Bericht jedoch vor dem Vorfall in der Straße von Kertsch.
Vorauseilende Reaktion – USA schlagen Anlegeverbot für russische Schiffe in Europa vorQuelle: Sputnik

Der ehemalige US-Gesandte in der Ukraine John Herbst hat vorgeschlagen, russischen Schiffen das Anlegen in Häfen der EU-Länder und der USA zu verbieten, bis Moskau aufhöre, die ukrainische Schifffahrt im Asowschen Meer zu behindern. In einem Bericht rief Herbst die Vereinigten Staaten und die Europäische Union dazu auf, präventive Sanktionen gegen Russland zu verhängen sowie die Waffenlieferungen an die Ukraine fortzusetzen, um eine angebliche russische "Aggression" einzudämmen.

Dabei wurde der Report am 21. November und damit mehrere Tage vor dem Vorfall in der Meeresstraße von Kertsch am 25. November veröffentlicht, bei dem zwei ukrainische Militärschiffe und ein Schlepper gesetzeswidrig die russische Grenze überschritten und daraufhin festgesetzt wurden. Nach Ansicht von Experten könnte Washington an diesem Vorfall beteiligt sein. RT hat sich mit dem Report des ehemaligen Diplomaten, der auf der Internetseite des Atlantic Council veröffentlicht wurde, vertraut gemacht.

Es gilt zu bedenken, dass das Atlantic Council "lediglich" ein Thinktank ist, also eine Denkfabrik (zudem eine von vielen), und daher allenfalls in beratender Form auf die Entscheidungen von Teilen des westlichen Establishments einwirken kann. Dennoch ist gerade die Tatsache, dass sowohl Forderungen zahlreicher westlicher Funktionäre nach einem entschlossenen Konfrontationskurs gegenüber Russland mit denen des Atlantic Council zusammenfallen als auch eine solche Forderung dieser Denkfabrik einige Tage vor (!) einer eindeutigen Provokation der Ukraine geäußert wird, geradezu beunruhigend. "Es wäre nützlich für die Vereinigten Staaten und die EU, eine proaktive Nutzung von Sanktionen – um den Kreml von weiterer Aggression abzuschrecken – in Betracht zu ziehen. […] Möglicherweise sollte man russischen Schiffen, die von Häfen im Asowschen Meer aus abgelegt haben, nicht erlauben, in europäischen und US-Häfen anzulegen, solange Moskau die ukrainische Schifffahrt dort behindert."

Am 25. November überquerten drei Schiffe der ukrainischen Seestreitkräfte – die Artillerieschnellboote "Berdjansk", "Nikopol" und der Seeschlepper "Jany Kapu" – illegal die Staatsgrenze Russlands und drangen in russische Territorialgewässer ein. Die ukrainischen Schiffe wurden aufgebracht und anschließend festgesetzt. Wie der Grenzschutzdienst des FSB erklärte, sei man zum Waffeneinsatz gezwungen gewesen, weil die Schiffe nicht auf Haltebefehle reagierten.

Am nächsten Tag stimmte die Oberste Rada der Ukraine dafür, im Lande das Kriegsrecht zu verhängen. Das Kriegsrecht soll ab dem 28. November 30 Tage lang in einer Reihe von Regionen gelten, die an Russland angrenzen – darunter die Oblaste Lugansk, Charkow, Winniza und Odessa –, sowie an den Küsten des Schwarzen und des Asowschen Meeres. Nach Ansicht von Sergei Sudakow, einem korrespondierenden Mitglied der Akademie Militärischer Wissenschaften der Russischen Föderation und Politikwissenschaftler, ist Washington an den Aktionen der Ukraine im Schwarzen Meer beteiligt: "Wir hätten wohl kaum derartige Vorfälle erlebt, würde das US State Department die Initiativen der bürokratischen Willkürherrschaft in den Regierungskreisen der Ukraine nicht systematisch unterstützte. Das Regime dieses Landes hat ihren Bezug zur Realität wie ihre Identität verloren. Jedes Wort wird zuerst mit dem State Department abgestimmt und erst danach öffentlich ausgesprochen."

Mit der Aufforderung, Schiffe beim Verlassen der russischen Territorialgewässer einzuschränken, fühle man der Reaktion der Völkergemeinschaft quasi auf den Zahn, so der Politikwissenschaftler. Und der Vorfall mit den Kriegsschiffen solle zeigen, wie man Moskau noch unter Druck setzen kann.

"Das ist so etwas wie ein Lackmustest, der zeigen soll, welche Sanktionen man noch einführen kann – solle die ukrainische Seite doch neue Maßnahmen benennen –, und dann kann man weitersehen, wie sie sich über europäische und US-amerikanische Partner realisieren lassen", erklärte Sudakow.

Eine minutiös geplante Provokation zwecks Ausbau der Sanktionen – so klassifizierte man die Aktion der Ukraine im russischen Auswärtigen Amt. Die Annahme, es handele sich um eine Provokation, wird von Daten des FSB unterstützt: Diesen zufolge wurden die ukrainischen Schiffe von zwei Mitarbeitern des ukrainischen Geheimdienst SBU an Bord betreut, und die tätliche Missachtung der Staatsgrenzen Russlands fand auf Geheiß aus Kiew statt. Dabei dementiert die ukrainische Seite überhaupt nicht, dass sich an Bord der Kriegsschiffe Offiziere des Geheimdienstes befanden, die sich dort – dem Leiter des Dienstes zufolge – mit dienstlichen Aufgaben befassten.

Gerede über Sanktionen

Rufe nach neuen Sanktionen ließen nicht auf sich warten. Nach der Festsetzung der Kriegsschiffe wandte sich der ukrainische Präsident Petro Poroschenko an die Europäische Union mit der Bitte, härtere Sanktionsmaßnahmen gegen Russland zu verhängen.

"Habe beim Telefongespräch mit Polens Präsidenten die EU aufgerufen, den Sanktionsdruck gegen Russland zu verstärken – im Zusammenhang mit einem Akt grober Aggression gegen die Ukraine – und diese Frage auf die Tagesordnung des Europarates zu setzen", twitterte das ukrainische Staatsoberhaupt.

Der Sprecherin des Präsidenten in der Obersten Rada, Irina Luzenko, zufolge seien Moskaus Handlungen bereits von Polen, Kanada und Litauen verurteilt worden. US-Staatsoberhaupt Donald Trump verkündete seinerseits, die USA würden in der ukrainisch-russischen Sache mit der EU zusammenarbeiten.

Bei alledem weigerten sich die meisten Länder, auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates den Vorfall in der Straße von Kertsch zu besprechen, indem sie gegen den von Russland vorgeschlagenen Punkt der Tagesordnung "Missachtung der Staatsgrenzen der Russischen Föderation" stimmten. Wie der erste Vize des ständigen Vertreters Russlands bei der UN, Dmitri Polanski, betonte, werde es eine solche Entscheidung des UN-Sicherheitsrates der Ukraine erlauben, weitere Provokationen gegen Russland durchzuführen.

Auch Herbst erwähnte in seinem Bericht Sanktionen. Er rief die USA und die Europäische Union dazu auf, den präventiven Einsatz von Sanktionen in Betracht zu ziehen, um eine mögliche "Aggression" seitens Moskau zu vereiteln.

Waffenlieferungen

Ferner riet der ehemalige Diplomat den USA und ihren Verbündeten, die Waffenlieferungen in die Ukraine und nach Georgien fortzusetzen sowie die Häufigkeit und Intensität regelmäßiger Militärmanöver mit diesen Ländern zu steigern.

"Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten sollten über die Lieferung neuer Chargen an Waffen an Georgien, aber vor allem an die Ukraine nachdenken. […] Die Front verläuft jetzt im Osten der Ukraine. Das legitimiert finanzielle Hilfe seitens des Westens in einer Höhe von einer Milliarde US-Dollar jährlich, fünf Jahre lang, für den Erwerb von Rüstungsgütern", heißt es im Dokument. Herbst zufolge geht es um Panzerabwehr-Lenkraketen, fortschrittliche militärische Drohnen, Kommunikationsequipment und ein Radar für Flugabwehrraketen. Besagte Flugabwehrwaffen sollen ebenfalls Teil der Lieferungen sein, ebenso wie Raketen zur Schiffsabwehr – sie "würden Moskau davon überzeugen, von Landungsoperationen  oder Einsätzen der Luftwaffe gegen die Ukraine abzusehen".

Zuvor wurde bekannt, dass Kiew im Jahre 2019 eine Reihe von Waffensystemen erhalten wird, darunter die US-Panzerabwehr-Lenkwaffen Jawelin. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erklärte mehrmals, dass in den letzten Jahren die Sturm- und Luftlandetruppen der Streitkräfte der Ukraine an die 150 neuesten Waffen und Fahrzeuge erhielten. Darunter sind der gepanzerte Schützenpanzerwagen BTR-3DA sowie Panzerabwehr-Lenkwaffen Stugna und Korsar. Die Ukraine erhielt ferner 250 Millionen US-Dollar an militärischen Hilfsgeldern, die Kiew für Feldmedizin, Flugabwehr und Mittel der elektronischen Kampfführung ausgeben will.

Der Kampf um das Schwarze Meer

Neben Rüstungshilfe wird im Bericht von einer Notwendigkeit gesprochen, eine verstärkte Präsenz im Schwarzen Meer in Betracht zu ziehen:

"Die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Verbündeten sollten sich außerdem mit der Frage nach einem Ausbau der eigenen Präsenz in der Schwarzmeer-Region befassen."

Im Jahr 2017 verkündete NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Entschluss der Allianz, ihre militärische Präsenz im Schwarzen Meer zu verstärken. Dies sei notwendig, um die Intensität der gemeinsamen Manöver zu steigern, und um besser im Bild von der Lage dort zu sein.

Für eine Vergrößerung des NATO-Aufgebots in der NATO sprach sich ferner ein weiterer US-Diplomat aus, der ehemalige US-Gesandte in Russland Alexander Vershbow – in einem weiteren analytischen Memorandum, das ebenfalls auf der Internetseite des Atlantic Council veröffentlicht wurde. Ihm zufolge sollte die Allianz ihre Unterstützung der ukrainischen Marine verstärken. Vershbow meint außerdem, dass "Russland absichtlich Akte der Aggression ausübt, um die Ukraine im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2019 zu destabilisieren".

Er schlug darüber hinaus vor, im Rahmen von Sanktionen gegen Russland den Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 zu stoppen oder gänzlich abzubrechen, falls Moskau seinen Kurs nicht ändere.

Der Abgeordnete der russischen Staatsduma für die Autonome Republik Krim Ruslan Balbek erklärt das Vorhaben der NATO zum Präsenzausbau im Schwarzen Meer mit einem Wunsch der Allianz, eine zusätzliche Finanzspritze von den USA zu erhalten.

Auch der Chef des russischen Auswärtigen Amter Sergei Lawrow kommentierte das Wirken der NATO nahe der Grenzen Russlands. Er bemerkte eine "Stimmung zur Generalüberholung der Transport-Infrastruktur in Europa, sodass die schweren Waffen der USA – und auch anderer Länder – es leichter haben", die Grenzen Russlands zu erreichen.

Weil es bei dieser Strategie des schleichenden Heranrückens eben nicht nur um die an Land verlaufenen Grenzen geht, kann es dabei zu Versuchen kommen, altbewährte internationale Verträge zu revidieren oder sich über sie hinwegzusetzen. Der Militärexperte und Redakteur der Zeitschrift Arsenal Otetschestwa (dt.: "Arsenal des Vaterlandes") Alexei Leonkow erinnert an den Vertrag von Montreux, der die Präsenz von Kriegsschiffen von Nichtanrainerstaaten im Schwarzen Meer regelt. Demgemäß dürfen ihre Schiffe nicht länger als 21 Tage in diesen Gewässern verweilen.

"Aufgehoben hat den Vertrag niemand, doch Revisionsversuche gab es mehrmals – seitens Rumäniens, aber auch seitens Georgiens. Ein zu erwartender Anlass zu einem weiteren Revisionsversuch können die angespannten Beziehungen zwischen den USA und der Türkei dienen. Davon abgesehen suchen US-Kriegsschiffe regelmäßig die Schwarzmeergewässer auf und nehmen dort an Manövern teil – zusammen mit anderen NATO-Ländern", legte der Experte im Gespräch mit RT die Lage dar. Leonkow brachte den planmäßig fälligen Aufruf zur Aufrüstung in der Schwarzmeer-Region mit der aktuellen Situation in der Ukraine in Zusammenhang – jedoch aus einem etwas anderen Winkel:

"Kiew spielt nicht die letzte Rolle im innenpolitischen Kampf in den USA. Die Gegner von Donald Trump ziehen Europa in die Geschehnisse in der Ukraine hinein – und zwar im Hinblick nicht nur auf Politik, sondern auch auf die Finanzen. Das Projekt, das für das Jahr 2014 entworfen wurde, hat ihnen nicht das Gewünschte erbracht. Jetzt will man diesem Projekt neues Leben einhauchen, damit es für Waffenlieferungen und Finanzierung attraktiver wird", schloss der Militärexperte ab.

Wie weit will man gehen?

Wie weit gewisse Kreise der US-Eliten die Ukraine wirklich treiben würden, wenn sie überall freie Hand hätten, zeigt jedoch eine andere Veröffentlichung des Atlantic Council am besten. Der Autor Stephen Blank veröffentlichte auf der Internetseite der Denkfabrik – nur einen Tag nach der Provokation in der Straße von Kertsch – Folgendes:

Die Ukraine sollte die Möglichkeit einer Spezialoperation eingehend betrachten, bei der die Brücke zerstört wird, die Moskau als Verbindung zwischen der Krim und [dem russischem Festland] erbaut hat. Doch das ist noch nicht alles. Die Ukraine sollte die Vereinigten Staaten und die NATO einladen, eine Flotte von Kriegsschiffen mit einer Visite nach Mariupol – die wichtigste Stadt an der Asow-Küste – zu entsenden. Dann soll Russland einmal versuchen, auf NATO-Schiffe zu feuern oder sie durch Blockade von der Ausübung ihres Rechts abhalten, in Häfen der Ukraine anzulegen. Diese Schiffe sollen bewaffnet sein – und Deckung aus der Luft genießen […].

So gern man derlei Vorschläge als unseriöses Säbelrasseln abtäte, so beunruhigend sind sie – denn, um es mit den prägnanten Worten von Alexander Neu zu sagen: "Die Souveränität der Ukraine entspricht in etwa der Souveränität eines dreijährigen Kindes in Abhängigkeit von seiner Mama."

Das oben Dargelegte zeigt aber deutlich: Diese Rabenmutter spricht zu ihrem Stiefkind mit Stimmen, zu denen auch die des Atlantic Council gehört. Und das Stiefkind zeigt Gehorsam. 

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