Vielen, die die Ereignisse auf dem Kiewer Maidan Ende 2013 verfolgt haben, sind noch Bilder der damaligen Europa- und Asien-Beauftragten des US-Außenministeriums Victoria Nuland vor Augen, als sie die Protestierenden an einem trüben Dezembertag mit Keksen und belegten Brötchen versorgte. Zusammen mit dem damaligen US-Botschafter Jeffrey Payette unternahm sie einen Spaziergang zum Zeltlager auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz und bot den Menschen das Essen an.
Wenige Wochen später wurde Amerikas "Krawall-Diplomatin" (Spiegel) als "Fuck-EU-Nuland" berühmt. Zumindest für die Kritiker der US-Einmischung in die Angelegenheiten der Ukraine sind seitdem die "Kekse von Nuland" zum Inbegriff eines vergifteten Geschenks geworden, zu einer diplomatischen Geste, die die politische Unterwerfung der sogenannten Demokratie-Bewegungen weltweit unter die Interessen Washingtons verschleiert.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa glaubte offenbar ein Déjà-vu-Erlebnis zu haben, als sie die Berichte der weißrussischen Ex-Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja über ihr Treffen mit dem US-Präsidenten Joe Biden ansah.
"Tichanowska sagte, dass Biden nach dem Treffen wiederkam und ihr 'Kekse aus dem Weißen Haus' gab. Dies ist ihr direktes Zitat. Wort für Wort", schrieb die Diplomatin auf ihrem Facebook-Account.
"Es scheint, dass die Realität nicht so wunderbar sein kann. Doch, sie kann: Tichanowskaja steht vor einem Journalisten und erzählt begeistert, wie sie (diejenige, die zu Sanktionen gegen das Heimatland aufruft) von dem Adressaten ihres Aufrufs Kekse bekommt."
Das amerikanische Wort für Kekse sei Cookie, so Sacharowa und sie brachte das Wort mit den Internet-Cookies in Verbindung - mit "denjenigen Cookies-Keksen", deren Platzierung von den Webseiten auf unseren Rechnern immer angefragt werde. "Ihre Aufgabe ist es, den Benutzer zu authentifizieren, seine persönlichen Präferenzen und Einstellungen zu speichern und den Status der Zugriffssitzung des Benutzers zu verfolgen. " Kekse" sind der Zugang zu und die Verwaltung von wichtigen Kundendaten. Bingo", resümierte Sacharowa.
Vor wenigen Tagen hat die Vertreterin des russischen Außenamtes Tichanowskajas Besuch in den USA bereits kommentiert. Die Aktivitäten der weißrussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja seien vollständig vom Westen finanziert, sagte sie in einem Interview. Sacharowa zufolge hat der Westen Tichanowskaja sogar für zahlreiche diplomatische Empfänge einen "Sonderstatus" zuerkannt.
Die ehemalige Englischlehrerin Swetlana Tichanowskaja trat bei den Wahlen in Weißrussland im August 2020 statt ihres inhaftierten Mannes gegen den langjährigen Präsidenten Alexander Lukaschenko an. Bereits am Wahlabend warf sie ihm massive Wahlmanipulation vor und rief zu Protesten auf. Die Proteste wurden von zahlreichen Telegramkanälen angefeuert und begleitet. Es gingen in den Folgemonaten Zehntausende Menschen in Minsk und anderen Städten auf die Straßen. Tichanowskaja setzte sich bald nach Litauen ab. Von dort koordiniert sie seitdem die Tätigkeit der weißrussischen prowestlichen Opposition.
Inzwischen verfügt Tichanowskaja über einen Beraterstab, Medienvertreter und sogar so etwas wie eine inoffizielle "Regierung", die "im Fall der Fälle", nach einem Sturz der offiziellen Regierung installiert werden soll. Seit Monaten befindet sie sich auf einer Reise durch westliche Hauptstädte. Im Juni trat sie beispielsweise auf dem Parteitag der Grünen in Berlin auf und besuchte die Berlinale.
Der mehrtägige Besuch in Washington und New York war der bisherige Höhepunkt ihrer diplomatischen Bemühungen. Sie trat bei der führenden US-Denkfabrik "Rat für internationale Beziehungen" auf, traf sich mit den UN-Vertretern Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens, einer Reihe von Senatoren und hochrangigen Regierungsmitgliedern wie dem Außenminister Antony Blinken und seiner Stellvertreterin Viktoria Nuland. Auch mit dem US-Präsidenten Joe Biden gab es einen Kennenlern-Termin, den Tichanowskaja als sehr warmherzig empfand.
"Das Treffen war wunderbar", sagte Tichanowskaja sichtlich berührt bei ihrer Rückkehr ins Hotel. "Es dauerte vielleicht nur zehn Minuten, aber es war so warm. Wir haben uns schon verabschiedet und er ist weggegangen. Ich war schon im Gespräch mit Chris Smith (ein Kongressabgeordnete) als die Tür wieder aufging und Joe Biden zurückkam, er brachte mir eine Handvoll Kekse mit. Kekse aus dem Weißen Haus! "Bitte greifen Sie zu", sagte er. Als ob er gewusst hätte, dass ich kein Frühstück hatte!".
Joe Biden twitterte: "Ich hatte die Ehre, mich heute Morgen mit Tichanowskaja im Weißen Haus zu treffen. Die USA stehen bei dem Streben nach Demokratie und universellen Menschenrechten an der Seite des belarussischen Volkes."
Tichanowskaja-Berater: Machtwechsel mit Hilfe des Westens
Nach Angaben des engsten Beraters von Swetlana Tichanowskaja, Franak Wjastchorka, arbeitet ihr Team unermüdlich an der Schaffung einer breiten internationalen Allianz gegen den weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko, die ihn mittels Wirtschaftssanktionen zum Einlenken zwingen soll. Das Ziel seien Wahlen unter internationaler Beobachtung, die einen Machwechsel zugunsten der "demokratischen Kräfte" einleiten sollen.
Ende Mai haben die EU und die USA das sog. vierte Sanktionspaket gegen mehrere weißrussische Wirtschaftszweige beschlossen. Formaler Grund –die angebliche Flugzeugentführung einer irischen Ryanair-Maschine mit dem von weißrussischen Behörden gesuchten Oppositionsaktivisten Roman Protassewitsch an Bord. Merkwürdig: Die Nachricht über seine Festnahme postete Wjatschorka auf seinem Twitter-Kanal schon 18 Minuten vor seiner tatsächlichen Festnahme.
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