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"Wendepunkt" – Shell gerichtlich zur Einhaltung der Pariser Klimaziele verurteilt

Ein niederländisches Gericht hat den Ölkonzern Royal Dutch Shell zu strengeren CO2-Einsparungen verpflichtet. Nun muss das Unternehmen seine Treibhausgasemissionen erheblich senken. Erstmals wurde ein großer Konzern zur Einhaltung der Pariser Klimaziele verurteilt.

In einem bahnbrechenden Verfahren, welches Friends of the Earth und weitere Umweltschutzorganisationen im Namen von mehr als 17.000 Unterstützern angestrengt haben, verurteilte ein Gericht in Den Haag den Konzern Royal Dutch Shell, seine globalen Kohlenstoffemissionen bis Ende 2030 um netto 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 zu senken.

Im Februar erst hatte der Konzern seine Klimaziele vorgestellt. Bis zum Jahr 2023 wollte man die CO2-Emissionen um mindestens sechs Prozent, bis 2030 um 20 Prozent und bis 2035 um 45 Prozent gegenüber dem Jahr 2016 senken. Bis zum Jahr 2050 wollte der Konzern klimaneutral sein, indem er die Öl- und Gasproduktion verringert und den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreibt. Diese Ziele bezeichnete Shell als weitreichend.

Das Gericht in Den Haag erklärte jedoch, dass die angekündigten Maßnahmen des Unternehmens "wenig konkret, unverbindlich und voller Vorbehalte" seien. "Dies ist nicht genug", hieß es in dem Urteil, das Richterin Larisa Alwin verkündete. "Die Schlussfolgerung des Gerichts ist daher, dass Shell Gefahr läuft, seine Verpflichtung zur Reduzierung zu verletzen."

Alwin betonte, Shell müsse seinen CO2-Ausstoß sofort reduzieren und fügte hinzu, dass das Urteil weitreichende Konsequenzen für das Unternehmen haben und "das potenzielle Wachstum der Shell-Gruppe einschränken" könnte. "Das Interesse, das mit der Reduktionsverpflichtung bedient wird, überwiegt die kommerziellen Interessen der Shell-Gruppe."

Shell führte als Argument an, dass es im Fall einer Verurteilung den Verkauf fossiler Brennstoffe kurzfristig einschränken müsse und somit andere Anbieter diesen Anteil übernehmen würden. Das Argument ließ das Gericht jedoch nicht gelten. Auch andere Unternehmen hätten dieselbe Verpflichtung, hieß es.

Sieben Umweltschutzorganisationen, darunter Greenpeace und Milieudefensie, die niederländische Abteilung von Friends of the Earth, reichten die Klage im Namen von mehr als 17.000 niederländischen Bürgern ein. Gemeinsam forderten sie von Shell, das Pariser Klimaabkommen umzusetzen. Die Umweltschützer werfen dem Unternehmen vor, pro Jahr etwa neun Mal mehr CO2 auszustoßen als der Staat Niederlande selbst. Zudem heißt es, der Konzern verletze Menschenrechte, indem er weiterhin Milliarden in die Produktion fossiler Brennstoffe investiert.

Die Anwälte der Kläger argumentierten, dass dem Unternehmen die gefährlichen Folgen des CO2-Ausstoßes seit Jahrzehnten bekannt wären und seine jüngsten Zielvorgaben nicht angemessen seien. Demnach verstoße Shell gegen Artikel 6:162 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches und verletze Artikel 2 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention – das Recht auf Leben und das Recht auf Familienleben –, indem es Gefahren für Menschen verursache, obwohl alternative Maßnahmen ergriffen werden könnten.

Das Gericht gelangte zu der Ansicht, dass in der Tat Verpflichtungen sowohl nach niederländischem Recht als auch gemäß der Konvention bestehen und dass Shell seit langer Zeit von den Schäden durch Kohlenstoffemissionen gewusst hat. Eine rechtswidrige Handlung des Unternehmens erkannte das Gericht aber nicht.

Shell müsse "seinen Beitrag im Kampf gegen den gefährlichen Klimawandel leisten", so die Entscheidung der Richter. Durch seine Geschäftstätigkeit sei der Konzern für den Ausstoß enormer Mengen an Treibhausgasen verantwortlich und trage somit zu den "schlimmen Folgen des Klimawandels" bei.

Der Konzern, der sich öffentlich zunehmend als Umweltschützer darstellt und beispielsweise im Londoner Science Museum eine Ausstellung über den Klimaschutz gesponsort hat, war laut der Datenbank Carbon Majors in den Jahren von 1988 bis 2015 der neuntgrößte Umweltverschmutzer der Welt. Laut Recherchen von HuffPost vom vergangenen Herbst sind Shell und BP – der jeweils zweit- und viertgrößte Ölkonzern nach Umsatz – entgegen öffentlicher Beteuerungen und ohne dies transparent zu machen aktive Mitglieder von mindestens acht Handelsorganisationen, die gegen Klimamaßnahmen in den USA und Australien lobbyieren.

Dies ist das erste Mal, dass sich Umweltschützer an die Justiz gewandt haben, um ein großes Energieunternehmen zu einer Strategieänderung zu bewegen. Roger Cox, Anwalt von Milieudefensie, dem niederländischen Zweig von Friends of the Earth, rief Organisationen auf der ganzen Welt dazu auf, "den Fehdehandschuh aufzunehmen" und rechtliche Schritte einzuleiten, um multinationale Unternehmen zu zwingen, ihren vollen Beitrag zur Bekämpfung des Klimanotstands zu leisten. Greenpeace nannte das Urteil einen "Paukenschlag für die Ölindustrie", da es weit über Shell hinausreiche und jedes Unternehmen warne, "dass Geschäftsmodelle auf Kosten von Natur und Klima nicht länger zulässig sind".  

"Dies ist ein Wendepunkt in der Geschichte. Dieser Fall ist einzigartig, weil es das erste Mal ist, dass ein Gericht einen großen umweltverschmutzenden Konzern zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens verurteilt. Dieses Urteil kann auch für andere große Umweltverschmutzer große Konsequenzen haben", so Cox weiter.


Donald Pols, Direktor von Milieudefensie, bezeichnete die Entscheidung als "einen monumentalen Sieg". "Dies ist ein großer Gewinn für uns und für alle, die vom Klimawandel betroffen sind", erklärte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Es ist historisch. Es ist das erste Mal, dass ein Gericht entschieden hat, dass ein großer Umweltverschmutzer seine Emissionen senken muss."

Shell kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Man beteuerte, das Unternehmen investiere "Milliarden von Dollar in kohlenstoffarme Energie, einschließlich der Aufladung von Elektrofahrzeugen, Wasserstoff, erneuerbare Energien und Biokraftstoffe. Wir wollen die Nachfrage nach diesen Produkten steigern und unsere neuen Energiegeschäfte noch schneller ausbauen".

"Wir werden uns weiterhin auf diese Bemühungen konzentrieren und gehen fest davon aus, dass wir gegen die heutige enttäuschende Gerichtsentscheidung Berufung einlegen werden", heißt es auf der Presseseite des Konzerns.

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