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Stefan Schubert: "Die Geheimdienste taten alles, damit Anis Amri nicht festgenommen wird"

Der Autor Stefan Schubert sieht sich durch die neuen Enthüllungen zum Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz in seiner Einschätzung bestätigt. Regierung und Behörden hätten alles getan, um Amri den Weg freizumachen - und vertuschten bis heute die Wahrheit.
Stefan Schubert: "Die Geheimdienste taten alles, damit Anis Amri nicht festgenommen wird"Quelle: AFP © AFP PHOTO / HO / AAMAQ NEWS AGENCY

Der Autor Stefan Schubert hat in seinem Buch "Anis Amri und die Bundesregierung: Was Insider über den Terroranschlag vom Breitscheidplatz wissen", das im Januar 2019 im Kopp-Verlag erschien, detailliert ausgeführt, dass Anis Amri, der Attentäter vom Breitscheidplatz, kein Einzeltäter war, sondern Teil eines IS-Netzwerkes. Schubert legt auch dar, wie die Bundesregierung und deutsche Behörden eine Verhaftung und Ausweisung Amris verhinderte, um eine im Hintergrund laufende CIA-Operation nicht zu gefährden, und nach der Tat alles daran setzten, das tatsächliche Geschehen zu vertuschen. RT Deutsch bat Stefan Schubert um seine Einschätzungen zu den neueren Entwicklungen in diesem Fall.

Herr Schubert, der Focus berichtete im Februar, dass Bilal Ben Ammar, der Vertraute und mutmaßliche Komplize Amris, für den marokkanischen Geheimdienst DGST gearbeitet haben soll. Halten Sie diese Information für glaubwürdig? Ändert sie etwas an Ihrer Einschätzung des Anschlags und der eiligen Abschiebung Ben Ammars?

Bilal Ben Ammar ist eine der Schlüsselfiguren im Amri-Komplex. Bereits neun Monate vor der Tat war er auf dem Breitscheidplatz und hat mit seinem Handy zur Terrorvorbereitung Fotos geknipst. Die Schwerpunkte der Fotos lagen auf der Tiefe des Platzes und der Schwachstelle der Fußgängerampel, wo im Gegensatz zu den Seiten keinerlei Poller den Platz schützen. Hier raste Amri dann mit dem LKW in die Weihnachtsmarktbesucher. Die Fotos sind in der Akte Amri als Verschlusssache deklariert, ich konnte sie jedoch einsehen. Dass Bilal Ben Ammar, der für mich ein Mittäter des Anschlages ist und auf die Anklagebank gehört, sich nun als Geheimdienstmitarbeiter des DGST herausstellt, ist ein weiterer Skandal. Der DGST gilt in der islamistischen Terrorszene als sehr gut vernetzt und informiert. Ich halte diese Information für glaubwürdig. Zweimal warnte der DGST ja explizit vor einem bevorstehenden Terroranschlag durch Amri. Die deutschen Behörden unternahmen jedoch nichts, stattdessen wurde er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abgeschoben, um die Verwicklungen der Bundesregierung und der Geheimdienste zu verschleiern.

Wie stellt sich für Sie die Rolle des marokkanischen Dienstes dar? Auch vor dem Hintergrund der Warnungen des DGST vor Amri, aber auch der angeblichen Anwesenheit Ben Ammars in Nizza am Tag des dortigen Anschlags?

Auch unmittelbar vor dem Nizza-Anschlag warnte der DGST ja vor einem islamistischen Terroranschlag in Südfrankreich. Bei Ammar scheint es sich um eine hochrangige Quelle zu handeln, die je nach Bedarf in verschiedenen europäischen Ländern eingesetzt wurde. Einerseits scheint Ammar den Geheimdienst wirklich über seine Erkenntnisse informiert und gewarnt zu haben, anderseits wirkt er jedoch wie ein zu allem entschlossener IS-Terrorist. Ammar hat nicht nur beobachtet, sondern sein Umfeld (wie Anis Amri) immer wieder zum Terroranschlag ermuntert und durch Planungen und Tatvorbereitungen erst den Terroranschlag ermöglicht. Über seine Rolle beim Nizza-Anschlag ist ja noch nichts bekannt geworden. Auch hier scheinen Geheimdienste jegliche Information zu unterdrücken.

Focus berichtet außerdem von einem Video, das eine Person mit einer "augenscheinlichen Ähnlichkeit" zu Ben Ammar beim Niederschlagen von Sascha Hüsges zeigt. Sie gehen in Ihrem Buch davon aus, dass Ben Ammar am Tatort präsent war. Wissen Sie von diesem Video? Bestätigt es Sie in Ihrer Einschätzung? 

Das Video ist bis jetzt unter Verschluss gehalten worden. Selbst direkt beteiligten Berliner Terrorermittlern wird es bis heute vorenthalten. Die entscheidende Frage ist, warum die Bundesregierung das Video immer noch zurückhält.

Es gibt zahlreiche Tatortfotos, wo durch die Polizei routinemäßig auch die Schaulustigen abfotografiert werden. Mehrere Berliner Polizisten haben auf diesen Fotos Bilal Ben Ammar erkannt, so meine Erkenntnisse. Unstrittig ist zudem, dass zwei weitere IS-Terroristen den Anschlag live vor Ort am Breitscheidplatz mitverfolgten und, genau wie Ammar, auch bereit waren, die Flucht von Amri abzusichern, so meine Einschätzung. Die Namen dieser beiden IS-Terroristen und ihre terroristischen Aktivitäten in der Berliner IS-Zelle um Amri habe ich im Buch rekonstruiert.

Welchen Hintergrund vermuten Sie hinter den "Enthüllungen" des Focus, der ansonsten ja auch fleißig bei Ihnen abgeschrieben zu haben scheint? Die anderen Medien berichteten darüber nur zögerlich und abwiegelnd. Focus gilt als geheimdienstnah. Wird hier über die Medien eine Abrechnung zwischen verschiedenen Diensten ausgetragen? Wird eine falsche Fährte gelegt? Oder worum geht es Ihrer Meinung nach?

Ja, in der Tat, im Focus und in anderen deutschen Medien werden nun Stück für Stück meine Recherchen und Thesen aus dem Buch "Anis Amri und die Bundesregierung" bestätigt, jedoch ohne auch nur einmal mein Buch zu erwähnen. Dies ist ein weiterer Tiefpunkt der deutschen Medienlandschaft, was einzig dem Boykott der regierungskritischen Bücher des verlegenden Kopp-Verlages geschuldet ist. Ein Armutszeugnis der selbsternannten "Qualitätsmedien".

In den geheimen Akten, die ich einsehen konnte, wird durchaus eine geheimdienstliche Rivalität zwischen dem Inlandsgeheimdienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Auslandsnachrichtendienst Bundesnachrichtendienst (BND) deutlich. Ich halte das BfV und die CIA im Fall Amri für federführend, die alles unternahmen, damit Amri weder angeklagt noch festgenommen wurde. Dass die Abschöpfungsoperation und die Planungen für den US-Militärschlag gegen IS-Camps in Libyen ungestört weiterlaufen konnten, mit denen Amri über den verschlüsselten Telegram-Chat kommunizierte.

Sie sprechen in Ihrem Buch wiederholt von der schlechten Stimmung unter den ermittelnden Polizisten, die von Politik und Behörden zu Sündenböcken gemacht wurden. Dabei berichten Sie sogar von einer Klage, die mehrere Polizisten und Terrorermittler gegen verantwortliche Politiker und Behördenleiter stellen wollen. Wie ist der Stand in dieser Angelegenheit?

Auf direkt beteiligte Terrorermittler wird seit den Enthüllungen großer Druck durch das Innenministerium ausgeübt. Die ranghohen Abteilungsleiter, die im Fall Amri eklatant versagt haben, wurden hingegen mehrheitlich befördert. Man kann dies nur als Belohnung für ihr Schweigen und den vorgenommenen Vertuschungen werten. Die Polizisten und Terrorermittler auf der Straße wurden jedoch zwangsversetzt und Staatschutzabteilungen wie beim Polizeipräsidium Essen regelrecht aufgelöst. Gleichzeitig wurden und werden couragierte Ermittler mit Disziplinarverfahren und konstruierten Strafanzeigen überzogen, eingeschüchtert und so mundtot gehalten. So sieht die versprochene lückenlose Aufklärung der Regierung Merkel in der Realität aus.

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