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Presseschau: Auf Leopard folgt Taurus – Die deutsche Logik der Eskalation

In Deutschland wiederholt sich angesichts der Frage, ob Berlin Mittelstreckenraketen liefern soll, die Diskussion, die bereits zur Lieferung von Kampfpanzern geführt wurde. Mit der Realität hat diese Diskussion wenig zu tun, sie birgt aber Eskalationspotenzial.
Presseschau: Auf Leopard folgt Taurus – Die deutsche Logik der EskalationQuelle: Sputnik © Maxim Zakharov

Deutsche Medien und deutsche Politik bleiben sich treu, denn sie streben eine weitere Eskalation des Ukraine-Konflikts an. Nachdem es vor wenigen Monaten noch hieß, die Ukraine benötige unbedingt Panzer vom Typ Leopard 2, um einen Sieg über Russland zu erringen, wird inzwischen zurückgerudert. Dass der Leopard eine Art Wunderwaffe sei, will heute niemand mehr gesagt haben. Es handele sich vielmehr um einen ganz normalen Panzer, der natürlich auch mal Schaden nimmt, wird nun in den deutschen Medien kommuniziert. Man habe Verluste immer einkalkuliert.

Dass die Leos vernichtet werden, liegt dabei weniger daran, dass sie Schwachstellen haben, die sich die russische Armee zunutze macht, sondern an der mangelnden Kompetenz der ukrainischen Kommandeure, stellt man in Deutschland klar. So äußerte das Verteidigungsministerium Kritik an der ukrainischen Gefechtsführung und die mangelhafte Kompetenz hinsichtlich des Führens eines Gefechts im Verbund. Der Leo ist ein Superding, die Ukraine kann damit nur nicht umgehen, rückt man das angekratzte deutsche Image wieder zurecht.

Die versprochene Wende auf dem Schlachtfeld brachte der Leopard nicht, nun geht es um weitere Waffenlieferungen. Der Marschflugkörper Taurus soll der Ukraine zur Verfügung gestellt werden. Nur damit kann die Ukraine einen Sieg über Russland erzielen, tönt es jetzt aus den Redaktionsstuben der Republik. In den entsprechenden Textbausteinen muss nur "Leopard" durch "Taurus" ersetzt werden. An der Linie der Argumentation hat sich nichts geändert.

Eingebettet bleibt die Forderung nach einer weiteren militärischen Eskalation in die Mär, Russland wolle die Ukraine vernichten. Unter anderem der CDU-Hardliner Roderich Kiesewetter verbreitet diese Desinformation. Zuletzt in einem Interview mit der Welt. Dort fordert er, die Ukraine müsse daher alles bekommen, um alle von Russland besetzten Gebiete zurückerobern zu können. Diese Aussage zeugt gleich in mehrerer Hinsicht von einem gefährlichen Mangel an Sachkenntnis.

Der CDU-Sofageneral ist bereit, bis zum letzten Ukrainer kämpfen zu lassen, macht das Interview deutlich. Kiesewetter wurde übrigens neulich von einem indischen Diplomaten a. D. als Beispiel dafür angeführt, dass die Deutschen bis heute nicht verdaut haben, dass sie den Krieg gegen die Sowjetunion verloren haben, und im aktuellen Ukraine-Konflikt auf Rache sinnen.

Kiesewetter und allen anderen, die das Argument vom Vernichtungskrieg Russlands anführen, sei gesagt: Es geht nicht um Vernichtung, sondern um Sicherheitsinteressen. Die Ursache des Konflikts ist die Ausdehnung der NATO und die damit verbundene Aufgabe des neutralen Status der Ukraine. Wird das Ziel einer NATO-Mitgliedschaft fallen gelassen, ist der Krieg faktisch vorbei, denn seine Ursache ist verschwunden. Dass man diesen ganz offenkundigen Zusammenhang weder in der Politik noch in den Medien benennt und diskutiert, bezeugt den Willen Deutschlands zum Krieg und zur Eskalation. Es ist ja nicht so, dass Russland seine Forderungen verheimlichen würde.

Kiesewetter glaubt, durch den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern könne die Ukraine die Krim zurückerobern. Ein ähnliches Argument gab es bereits hinsichtlich der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern. Die Ukraine durchstößt mit den deutschen Kampfpanzern die russischen Linien und schafft einen Korridor zum Asowschen Meer. Was in der Theorie gut geklungen hatte, hat sich auf dem Schlachtfeld in einen Haufen Schrott verwandelt. Und nicht nur das. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu bezifferte bereits Mitte Juli die Zahl der Verluste der Ukraine an Soldaten seit Beginn der Offensive am 4. Juni auf über 26.000. Für die deutschen Hardliner vom Schlage Kiesewetters, Annalena Baerbocks und Marie-Agnes Strack-Zimmermanns scheint das ein Preis zu sein, den Deutschland die Ukraine gern zahlen lässt.

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung fabuliert unter der Überschrift "Was die Ukraine jetzt braucht" von einer Rückeroberung der von "Russland besetzten Gebiete". Die sei durch deutsche Marschflugkörper möglich, glaubt der Autor Andreas Ross. Er wiederholt damit ebenfalls die Argumentation zur Lieferung der Leoparden.

"Mit deren Marschflugkörpern bereitet Kiew die Rückeroberung besetzter Gebiete vor, indem es russische Munitions- oder Treibstoffdepots angreift. Die befinden sich nicht nur auf der Krim, sondern auch in Russland. Das macht die Sache brisant, ändert aber nichts an der militärischen Notwendigkeit", kommentiert Ross.

Der Eskalationslogik verpflichtet bleiben in Deutschland aber nicht nur die Konservativen, sondern auch das grün geführte Auswärtige Amt. Der Koordinator für die Region Moldau, Südkaukasus und Zentralasien im Auswärtigen Amt Robin Wagener sagte dem Spiegel:

"Gerade in der aktuellen Phase ist deutlich: Die Ukraine braucht präzise Waffen mit größerer Reichweite, um Munitionsdepots, Kommandoposten, Abschussorte und Logistikzentren ausschalten zu können."

Im steuerfinanzierten Thinktank Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) wird man geradezu ungeduldig. Dort glaubt man, mit Taurus ließe sich der Krieg schneller zu Ende bringen. Unausgesprochen bleibt dabei, dass diese Form der Beendigung des Krieges auf einen Sieg der Ukraine abzielt, den es realistisch nicht geben wird.

Analog zu den britischen Storm-Shadow-Raketen könne Taurus "ein Element sein, diesen Krieg schneller zu beenden", zitiert der Spiegel Christian Mölling, den stellvertretenden Direktor des Forschungsinstituts der DGAP.

Dass die Ukraine Storm Shadow dazu nutzt, zivile Ziele in Lugansk zu zerstören, verschweigt Mölling seinem Publikum natürlich. Für das gilt es, die Illusion aufrechtzuerhalten, die Ukraine führe einen sauberen und gerechten Krieg. Das ist nicht der Fall.

Ähnliches trifft auch für das Argument von den Rückeroberungen zu, zu denen Deutschland die Ukraine befähigen möchte. Das Argument setzt stillschweigend voraus, dass die Menschen, die in den betroffenen Gebieten leben, tatsächlich auch zur Ukraine zurückkehren wollen und von Russland daran gehindert werden. Auch das ist nicht der Fall. Die Ursache des Konflikts ist neben dem geplanten NATO-Beitritt der Ukraine ein gesellschaftlicher Riss, der sich durch die Ukraine zieht. Der Osten fühlt sich russisch, der Westen galizisch und dem Westen zugehörig. Wird dieser Riss nicht in einem aufwendigen Prozess der Aussöhnung geschlossen, besteht kaum Hoffnung auf innergesellschaftlichen Frieden.

Die von Kiesewetter und Co. geforderten und angepeilten Rückeroberungen gingen im Erfolgsfall mit massiver Repression und Verfolgung der Bevölkerung in der Ostukraine durch Kiew einher. Diese Zusammenhänge will man allerdings weder in den deutschen Medien noch in der deutschen Politik zur Kenntnis nehmen. Der Sieg über Russland unter allen von der Ukraine zu ertragenden Umständen ist der veröffentlichten Meinung in Deutschland wichtiger.

Auch, dass der Konflikt nach wie vor das Potenzial hat, sich zu einem Atomkrieg zu entwickeln, wischt man in Deutschland nonchalant beiseite. Stellvertretend und typisch fehlinterpretiert Stephan Detjen im Deutschlandfunk die Haltung des politischen und medialen Establishments in Deutschland.

"Für die Befürchtung, dass eine immer weitergehende Unterstützung der Ukraine zu einer nuklearen Eskalation des Krieges führen könnte, gibt es heute kaum noch Anlass. Putin zeigt so hartnäckig wie brutal, dass es ihm nicht um das Entfachen eines selbstmörderischen Weltenbrandes geht, sondern um die Zerstörung der Ukraine mit roher Gewalt, Zermürbung und scheinbar überlegenen Reserven", glaubt Detjen in Verkennung der Fakten.

Russland geht es eben nicht um die Zerstörung der Ukraine. Russland geht es um die Durchsetzung seiner Sicherheitsinteressen und den Schutz der Bevölkerung im Osten des Landes. Sollte Russland seine Staatlichkeit bedroht sehen, was durch den Versuch, die Krim zurückzuerobern, oder einen Sieg der Ukraine über Russland gegeben wäre, griffe die Nukleardoktrin. Die Naivität deutscher Politiker und politischer Kommentatoren in Deutschland treibt die Welt weiter in Richtung nukleares Armageddon.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Aus Deutschland kommt weiterhin kein Impuls, der einer Lösung des Konflikts dienlich wäre. Mit der Forderung, Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, setzt Deutschland weiterhin auf Eskalation und träumt von einem Sieg der Ukraine unter deutscher Mithilfe über Russland. Damit sind alle Voraussetzungen gegeben, dass Deutschland in einer ähnlichen Weise in die Geschichtsbücher eingeht wie nach 1918 und 1945. 

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