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Hauptstadt des Chaos: Droht eine Wiederholung der Wahlen in Berlin?

Immer mehr neue Pannen kommen in der Hauptstadt ans Licht. Nun sollen Experten von außen herangezogen werden, wie Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) entschuldigend am Dienstag in Berlin mitteilte, denn das Gesamtausmaß liege noch nicht vor. Auch eine Wahlwiederholung ist nicht ausgeschlossen.
Hauptstadt des Chaos: Droht eine Wiederholung der Wahlen in Berlin?Quelle: www.globallookpress.com © via www.imago-images.de

Die Liste der Wahlungereimtheiten in Berlin wird länger und länger. Zahlreiche namhafte Akteure fordern radikale Konsequenzen.

Pleiten, Pech und Pannen

Bekanntlich gab es bereits am Wahltag am 26. September Berichte aus zahlreichen Wahllokalen vor allem in Charlottenburg-Wilmersdorf, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg über fehlende Stimmzettel und Kabinen. Daraus resultierten lange Schlangen, die noch durch die zeitfressenden Corona-Maßnahmen weiter gewachsen sind, viele Wahlwillige verloren die Lust oder zogen wütend von dannen. In anderen Wahllokalen wurden vertauschte Stimmzettel ausgegeben, was zu auffällig vielen ungültigen Stimmen führte, wie die Welt am Dienstag berichtet.

Dazu gab es in mehreren Wahlbezirken eine Wahlbeteiligung von 150 Prozent. EU-Bürger und Jugendliche erhielten Stimmzettel für die Bundestagswahl, für die sie gar nicht stimmberechtigt waren. Anderorts fehlten Stimmzettel, weil die Lieferanten wegen eines ausgerechnet am Wahltag durchgeführten Marathons im Stau standen, es wurden Stimmen zur Bezirksverordnetenversammlung geschätzt und nicht gezählt oder Leute gaben erst 19 Uhr ihre Stimme wegen Verzögerungen ab.

Kommt es zu einer Wahlwiederholung?

Ob eine Wahl jedoch wiederholt wird, hängt an der sogenannten Mandatsrelevanz. Christian Pestalozza, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Freien Universität Berlin, meint dazu:

"Die Wahl wird erst dann ungültig, wenn die Fehler für die Sitzverteilung im Parlament wirklich ausschlaggebend sein konnten."

Noch einen Schritt weiter geht der Jura-Professor Christian Waldhoff. Er "würde fast prognostizieren, dass die Berliner Wahl wiederholt werden muss", sagte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung.  

Mögliche Konsequenzen für Sieger und Verlierer

Mit Blick auf die Bundestagswahl in Berlin wäre das in erster Linie für die Linkspartei entscheidend. Sie erhielt dort zwei von drei Direktmandaten und konnte nur dadurch den Einzug in den Bundestag stemmen. Die Ergebnisse in den Wahlkreisen Lichtenberg (Gesine Lötzsch) und Treptow-Köpenick (Gregor Gysi) waren allerdings sehr eindeutig.

Besonders die Freien Wähler mit ihren prominenten Kandidaten Marcel Luthe, Carsten Stahl und Ilja Martin hadern mit ihrem Ergebnis von 0,8 Prozent in Berlin, wie die BZ berichtet. Zwei Tage vor der Wahl sah das Meinungsforschungsinstitut Insa die konservativ-liberale Wählervereinigung noch bei drei Prozent in der Hauptstadt. Luthe, der als einer der bekanntesten Kritiker des rot-rot-grünen Berliner Senats gilt, forderte kurz nach der Wahl ein Nachspiel:

"Die massiven Unregelmäßigkeiten im Vorfeld – etwa Wahlscheine an Tote – und auch am Wahltag werden nun aufgeklärt werden müssen, zumal die Abweichungen zu den Umfragen offenbar signifikant sind. [...] Offenbar konnten auch viele Ältere, chronisch Kranke und Schwerbehinderte nicht stundenlang vor den Wahllokalen ausharren und daher nicht wählen."

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), der nun externe Fachleute zur Aufarbeitung hinzuziehen will, sagte am Dienstag in Berlin:

"Ich möchte mich namens des Senats bei allen entschuldigen, die Schwierigkeiten bei der Stimmabgabe hatten."

Berlins Landeswahlleiterin Petra Michaelis trat bereits am 29. September – nachdem sie zuvor die Schuld bei den Wahlhelfern gesucht hatte – zurück. Doch damit ist es nicht getan, so Pestalozza:

"Es braucht jetzt dringend eine penible Aufarbeitung, wie die Pannen passieren konnten. [...] Sollte sich herausstellen, dass auch auf leitenden Ebenen Fehler gemacht wurden, müssen auch personelle Konsequenzen gezogen werden."

Wahlsiegerin und designierte Berliner Oberbürgermeistern Franziska Giffey meinte: 

"Natürlich muss aufgearbeitet werden, was da schiefgegangen ist."

Ihr gutes Wahlergebnis sieht sie allerdings nicht in Gefahr. Doch auch das Volk selbst kann Einspruch erheben: Jeder Wahlberechtigte kann bis zu zwei Monate nach dem Wahltag die Rechtmäßigkeit der Wahl anfechten. Es bleibt also spannend in der Hauptstadt des Chaos. 

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