Im Frühjahr noch lagen die Grünen in Umfragen Kopf-an-Kopf mit der CDU und konnten die Unionspartei zeitweise sogar übertrumpfen. Doch Anfang Juli waren sie laut einer Forsa-Umfrage für das RTL/ntv-Trendbarometer zum ersten Mal seit Anfang März wieder unter die 20-Prozent-Marke gerutscht.
Grund sind vor allem die verschiedenen Fehltritte ihrer Spitzenkandidatin Annalena Baerbock. Von falschen Angaben im Lebenslauf, verspätet gemeldeten Sonderzahlungen über den Vorwurf der Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht in einem parteiinternen Veruntreuungsfall, bis hin zu Plagiatsvorwürfen zu ihrem neuen Buch oder der Frage, ob Stipendiatszahlungen der Heinrich-Böll-Stiftung gerechtfertigt waren.
Weiter mit Baerbock: Grünen-Anhänger gegen Kandidatenwechsel
Angesichts des anhaltenden Sinkflugs in den Umfragen überrascht es kaum, dass sich laut einer aktuellen Umfrage die Deutschen mehrheitlich dafür aussprechen, dass Baerbock mitten im Wahlkampf von ihrem Co-Parteivorsitzenden Robert Habeck abgelöst wird.
In einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich 35 Prozent für einen Kandidatenwechsel aus. Nur 24 Prozent meinten, Baerbock solle Kanzlerkandidatin bleiben. 41 Prozent machten keine Angaben.
Bei den Anhängern der Grünen überwiegen jedoch weiterhin die Sympathien für Baerbock. Hier liegt sie in der YouGov-Umfrage mit 54 zu 32 Prozent vor Habeck. Auch die Wähler der Linken wünschen sich eher, dass Baerbock als Kanzlerkandidatin weitermacht (36 zu 33 Prozent) Bei allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien überwiegt der Wunsch nach einem Kandidatenwechsel.
Habeck, der lange selbst als Kanzlerkandidat gehandelt worden war, hat die Diskussion um eine Ablösung Baerbocks allerdings als "Kokolores" bezeichnet.
Grüne glauben nicht mehr an Kanzlerin Baerbock
Die Anhänger der Grünen wollen demnach an Baerbock festhalten, glauben jedoch nicht mehr daran, dass die 40-Jährige Kanzlerin wird. Das ergab eine weitere Umfrage, die das Marktforschungsunternehmen Kantar im Auftrag der NRZ durchführte.
Demnach glauben von allen Befragten 59 Prozent daran, dass CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet Amtsnachfolger von Angela Merkel wird. Nur neun Prozent trauen das noch Annalena Baerbock zu – womit sie hinter SPD-Kandidat Olaf Scholz landet, der auf elf Prozentpunkte kommt.
Ein ähnliches Bild ergibt sich unter Grünen-Anhängern. Nur 13 Prozent von ihnen rechnen mit Baerbock als Kanzlerin. "Überdurchschnittlich viele – 71 Prozent – glauben an Laschet", so die NRZ. Olaf Scholz kommt im Grünen-Lager auf neun Prozent.
Unter den Anhängern seiner eigenen Partei kommt Scholz auf 23 Prozent, 50 Prozent halten dagegen Laschet für den aussichtsreichsten Kandidaten. Baerbock kommt unter SPD-Anhängern auf 15 Prozent.
Anhänger der Unionspartien glauben fest an einen Wahlsieg von Laschet: 82 Prozent gehen davon aus, dass der NRW-Ministerpräsident ins Kanzleramt einzieht. Nur zwei Prozent rechnen mit Baerbock, Scholz kommt bei ihnen auf acht Prozent.
Wahrnehmung vs. Wahlpräferenz
Die großen Unterschiede hinsichtlich der Siegeschancen sind angesichts der Tatsache überraschend, dass die drei Kandidaten laut der NRZ-Umfrage eng beieinanderliegen, wenn es um die Frage "Wen würden Sie bei einer Direktwahl des Bundeskanzlers wählen?" geht.
Von den Befragten gaben 19 Prozent an, für Laschet zu stimmen. Der CDU-Politiker liegt damit nur zwei Punkte vor Baerbock. Und Scholz folgt knapp dahinter: 15 Prozent der Befragten gaben an, dass sie den SPD-Kandidaten wählen würden. (Zehn Prozent würden FDP-Chef Christian Lindner die Stimme geben, 16 Prozent machten keine Angaben und 23 Prozent votierten für die Option "keiner davon".)
Fazit: In der Wahrnehmung der Befragten hat Laschet das Rennen schon so gut wie gewonnen. Laut der Wahlpräferenz der Befragten trennen die drei Kandidaten jedoch nur wenige Prozentpunkte – es könnte also noch spannend werden.
Mehr zum Thema - Laschet lacht – Kritik an NRW-Ministerpräsidenten nach Auftritt im Flutgebiet