Deutschland

Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit an Ethikkommission zum Atomausstieg

In einem Offenen Brief hat der Physiker Prof. André Thess von der Universität Stuttgart und dem DLR schwere Vorwürfe an eine Ethikkommission zum Ausdruck gebracht, die vor zehn Jahren den Atomausstieg begleitete. Er spricht den Mitgliedern die wissenschaftliche Unabhängigkeit ab.
Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit an Ethikkommission zum AtomausstiegQuelle: www.globallookpress.com © Christian Ohde/face to face

Vor zehn Jahren hatte die Bundesregierung ihre völlige Kehrtwende in der Kernenergie-Politik auch mit einem Gutachten einer eigens dafür eingesetzten "Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung" begründet. Der schnellstmögliche Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie fand angesichts des Reaktorunglücks im japanischen Fukushima (wegen des unzureichenden Schutzes vor Überflutung durch einen Tsunami) damals rasch Zustimmung – sowohl unter Politikern als auch in breiten Kreisen der Bevölkerung Deutschlands.

Jetzt hat ein renommierter Fachmann für Energietechnik die Wissenschaftlichkeit des Gutachtens der Ethikkommission auf deutliche Weise in Frage gestellt. In seinem Offenen Brief wendet sich Prof. Dr. André Thess an den Vorsitzenden Matthias Kleiner und die weiteren Professoren der damaligen Ethikkommission für die Bewertung der Atomenergie. Er begründet die besondere heutige Aktualität seiner Wortmeldung folgendermaßen: "Viele Deutsche äußern angesichts der gegenwärtigen Pandemie- und Klimapolitik Zweifel an der Unabhängigkeit der Wissenschaft."

André Thess ist als Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart zugleich Leiter des Instituts für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sowie Ombudsmann für die gute wissenschaftliche Praxis. Über seinen offenen Brief informierte Die Welt am Montag.

Es gehe ihm gar nicht um die Frage, ob der sogenannte "Atomausstieg" am Ende "richtig" oder "falsch" war, Thess fragt lediglich rhetorisch: "Haben die Professoren (...) unabhängig votiert und sind damit dem Vertrauen gerecht geworden, welches die Gesellschaft beamteten Hochschullehrern auf Lebenszeit schenkt?" Seine Überlegungen fasst Thess in sechs Thesen zusammen, und sein Fazit lautet:

"Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss, dass die drei Professorinnen und fünf Professoren der Ethikkommission dem Leitbild unabhängiger Wissenschaft nicht gerecht geworden sind. Sie haben sich allem Anschein nach vereinnahmen lassen und das politisch erwartete Ergebnis geliefert. Um das in der heutigen Zeit beschädigte Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft wiederzuerlangen, sollten sich alle Professoren auf die intellektuelle Freiheit besinnen, die der Staat ihnen durch den Beamtenstatus ermöglicht."

Gegenüber der Welt wies Prof. Kleiner den Vorwurf umgehend zurück. Es sei damals um eine gesellschaftspolitische Bewertung des Atomausstiegs gegangen, nicht um ein fachliches Gutachten. Die Mitglieder der Kommission hätten sich lediglich als Mitglieder der Zivilgesellschaft geäußert.

Als Physiker widmet Prof. Thess beruflich dem wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen der menschlichen Energienutzung und der Erderwärmung seit Jahren große Aufmerksamkeit. "In Ihrem Dokument fehlt die Abwägung zwischen dem Risiko eines schnellen Klimawandels ohne Kernenergie und dem Risiko eines langsameren Klimawandels mit Kernenergie", kritisiert er. "Aber gerade diese Abwägung wäre für eine solche Analyse konstitutiv gewesen!"

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