Verschleierte "La Traviata"? Mailänder Scala will saudischen Kulturminister in Vorstand holen
Die Aussicht, dass ein Mitglied der saudischen Königsfamilie im Vorstand eines der renommiertesten Theater Italiens sitzt, hat für so viel Aufsehen gesorgt, dass es im Parlament zur Sprache kam. Maurizio Gasparri, Mitglied der Partei Forza Italia, sagte etwa, dass diese Personalentscheidung das Image des Opernhauses beschädigen könnte. "Unsere Regierung hat auch die Pflicht, die Geschichte und Identität der Scala zu verteidigen", sagte er. Gasparri bat auch den italienischen Kulturminister Alberto Bonisoli, die "Einschätzung der Regierung" zu diesem Thema zu präzisieren.
Alexander Pereira, CEO und künstlerischer Leiter der Scala, erklärte jedoch, dass die Entscheidung, Badr bin Abdullah bin Mohammed bin Farhan Al Saud an Bord zu holen, eine "große Chance" für das Theater sei - und dass er den Plan sowohl mit dem Mailänder Bürgermeister als auch mit Bonisoli diskutiert habe, der bereits seinen saudischen Amtskollegen getroffen habe.
Geld oder Menschenrechte?
Es scheint, dass es bei der Aufnahme von Prinz Badr weniger um seinen kulturellen Beitrag als vielmehr um den verlockenden Reiz geht, in die tiefen Taschen des Hauses Saud zu greifen - unabhängig von den Sorgen um Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien. Tatsächlich hat sogar Pereira zugegeben, dass sich "solche wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht jeden Tag ergeben".
Badr wird dem Theater in den kommenden fünf Jahren voraussichtlich 15 Millionen Euro einbringen, die von einer saudischen Privatperson, einer Bank oder einem privaten Unternehmen bezahlt werden. Pereira wurde gelobt, weil er seit seiner Ernennung im Jahr 2014 neue Sponsoren gewonnen und die finanzielle Lage des Theaters verbessert hat. Aber die Aufnahme des saudischen Kulturministers in den Vorstand könnte sich als ein Schritt zu weit erweisen, da Kritiker den Vorstoß kritisierten und auf den schlechten Ruf Riads in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte hinwiesen.
Gasparri betonte, dass Italien kein Geld aus Riad annehmen sollte, insbesondere angesichts der "jüngsten dramatischen Ereignisse" und der "beunruhigenden Vorfälle" - Hinweise auf die Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul, in die der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman verwickelt gewesen ist, und die Vertuschungsversuche.
"Persönliche Initiative"
Die Idee ist auch bei einigen der anderen Vorstandsmitglieder nicht gut angekommen. Die Zeitung Corriere della Sera zitierte Mitglieder, die sagten, dass die Verhandlungen von Pereira "skrupellos" und eine "sehr persönliche Initiative" seien. Die Vorstandsmitglieder äußerten auch sehr diplomatisch, dass Saudi-Arabien "nicht gerade durch sein demokratisches Gleichgewicht hervorsticht".
Pereira behauptet, dass tatsächlich nur ein Vorstandsmitglied gegen das Vorhaben ist, welches am 18. März zum dritten Mal in einer außerordentlichen Sitzung diskutiert werden soll.
Die Zusammenarbeit von La Scala mit Saudi-Arabien wird dort jedoch nicht enden. Pereira plant auch, eine Konzertversion von Giuseppe Verdis Oper "La Traviata" nach Riad zu bringen, aber es gibt einige Unklarheiten darüber, wie sich eine solche Vorstellung gestalten lassen könnte.
"Werden wir auch eine verschleierte Traviata-Interpretation sehen", fragte Federico Mollicone, Mitglied des Kulturausschusses des Parlaments, und verwies darauf, dass saudische Frauen verpflichtet sind, einen Schleier zu tragen, der ihre Gesichter in der Öffentlichkeit bedeckt.
Die Mailänder Scala wird in Riad voraussichtlich auch ein neues Musik- und Tanzkonservatorium betreiben, das im September eröffnet werden soll. Pereira sagte, dass die Gründung einer Akademie in einem Land, das bisher keine musikalische Ausbildung angeboten hat und in dem Tanz verboten war, "einen wichtigen Wert für Italien" hätte, und stellte fest, dass es sich um ein Projekt handelt, das Frankreich ebenfalls "in die Hand nehmen wollte".
Prioritäten aus dem Gleichgewicht?
Saudisches Geld hat sich bei vielen Gelegenheiten als schwer abzulehnen erwiesen. Nach dem Mord an Khashoggi führte US-Präsident Donald Trump ganz offen die Milliardengeschäfte mit Riad als Grund für seine sanfte Reaktion an.
Unterdessen hat der britische Außenminister Jeremy Hunt kürzlich Deutschland dazu aufgefordert, das Berliner Verbot von Waffenexporten nach Riad aufzuheben, indem er argumentierte, das habe negative Auswirkungen auf die Unternehmensergebnisse britischer und europäischer Waffenhersteller.
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