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"Verschwörung zur Machtergreifung": Lukaschenko-Gegnerin Kolesnikowa zu elf Jahre Half verurteilt

Ein Jahr nach ihrer Festnahme ist die weißrussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Behörden werfen ihr Verschwörung zur Machtergreifung und Anstachelung zum politischen Hass vor. Sie nennt die Anschuldigungen "absurd".
"Verschwörung zur Machtergreifung": Lukaschenko-Gegnerin Kolesnikowa zu elf Jahre Half verurteiltQuelle: Reuters © Maxim Nasibullin

Die weißrussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa ist ein Jahr nach ihrer Festnahme im Zuge der Proteste gegen den Präsidenten Alexander Lukaschenko zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Das teilte das zuständige Gericht am Montag in Minsk nach Angaben weißrussischer Staatsmedien mit.

Bevor die 39-jährige Weißrussin in die Politik wechselte, hatte sie in Stuttgart mehrere Jahre als Musikerin und Kulturmanagerin gearbeitet. Im Jahr 2017 kam sie als international anerkannte Flötistin und Musikpädagogin nach Minsk zurück und lernte den späteren Präsidentschaftskandidaten Wiktor Babariko kennen.

Während der Wahlkampagne 2020 beschuldigten die Behörden den ehemaligen Bankier Babariko diverser Wirtschaftsverbrechens und nahmen ihn fest. Kolesnikowa, die zu dem Moment die Leiterin seines Wahlstabes war, wechselte ins Team von Swetlana Tichanowskaja. Mit ihr und der Ehefrau eines weiteren abgewiesenen Präsidentschaftskandidaten, Weronika Zepkalo, bildete sie ein Wahlkampftrio und erlangte internationale Bekanntheit.

Nach der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos am 9. August hat die Opposition ihm Wahlmanipulation vorgeworfen und Tichanowskaja zur Wahlsiegerin erklärt. Nach Angaben eines oppositionellen Portals habe Tichanowskaja allerdings zwar deutlich mehr als die ihr von der Wahlkommission zuerkannten gut zehn Prozent Stimmen bekommen, aber bei Weitem noch keinen Wahlsieg errungen.

Die Proteste entwickelten aber eine Eigendynamik. Noch bevor die Wahllokale geschlossen waren, gingen Zehntausende im ganzen Land auf die Straße, um gegen Lukaschenko zu protestieren, und es kam zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei.

In den nächsten Tagen schlug die Polizei den versuchten Aufstand brutal nieder, im Laufe der wochenlangen Protestwelle wurden Tausende festgenommen und in Polizeigewahrsam genommen. Am 20. August gründete Kolesnikowa den sogenannten Koordinationsrat der Opposition mit, der nach eigenen Angaben einen friedlichen Machtwechsel einleiten sollte. Diesem losen Organ gehörten Politiker, Anwälte, Kulturschaffende und weitere Personen des öffentlichen Lebens an.

Am selben Tag forderte sie in einem Video die Sicherheitskräfte dazu auf, ihren Dienst zu quittieren und "auf die Seite des Volkes zu wechseln". Sie verglich das Vorgehen der Behörden mit dem Genozid der Nazizeit und versprach Polizisten und Militär Amnestie und eine Geldprämie. Am 8. September wurde die Oppositionelle in Minsk festgenommen.

Der weißrussische Geheimdienst KGB versuchte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, sie außer Landes zu bringen, doch Kolesnikowa zerriss ihren Pass und weigerte sich, die Grenze zur Ukraine zu überqueren. Kolesnikowa hatte immer wieder deutlich gemacht, den Kampf gegen Lukaschenko im Land und nicht aus dem Exil führen zu wollen.

Seitdem befindet sich die Oppositionelle in Haft, der Prozess gegen sie wurde vor einem Monat eröffnet. Kolesnikowas Vater hatte der ARD gesagt: "Ich erwarte keine Überraschungen und natürlich kein gerechtes Urteil." Dass seine Tochter inhaftiert sei, sei ihre eigene Entscheidung gewesen. "Ja, das ist eine mutige Tat. Ja, das ist auch eine Heldentat und ein Vorbild für viele."

Am Montag wurde das Urteil verkündet. Die Behörden warfen Kolesnikowa "Verschwörung zur Machtergreifung" sowie den "Aufruf zu Aktionen gegen die nationale Sicherheit" vor.

Nach Angaben der weißrussischen Staatsmedien stellte die Generalstaatsanwaltschaft fest, dass der eigentliche Zweck des Koordinierungsrates darin bestand, "die Protestaktivitäten zu koordinieren, einschließlich der Organisation und Durchführung von Aktionen, die auf die Ergreifung der Staatsgewalt und den verfassungswidrigen Wechsel der politischen Führung abzielten, sowie der Aufstachelung zu politischem, ideologischem und sozialem Hass in der Gesellschaft und öffentliche Aufrufe zur Behinderung des rechtmäßigen Funktionierens der Staats- und Regierungsorgane". Kolesnikowa wurde zu elf Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt.

Im Gerichtssaal zeigte sich die Oppositionelle unbeeindruckt und nannte die Anschuldigungen "absurd". Das sei ein weiteres Beispiel für die "Gesetzlosigkeit des Polizeistaates", hatte sie zuvor in einem Interview gesagt. Zusammen mit Kolesnikowa wurde ihr ehemaliger Anwalt Maxim Snak zu zehn Jahren Haft verurteilt, der ebenfalls Mitglied des Koordinationsrates ist.

Die Bundesregierung hat die langjährigen Haftstrafen für Kolesnikowa und Snak scharf verurteilt und ihre Freilassung gefordert. Das weißrussische Regime instrumentalisiere die Justiz zur politischen Verfolgung, und die Urteile gegen Kolesnikowa und Snak seien ungerechtfertigt, kritisierte das Auswärtige Amt.

"Sie sind für uns ein Sinnbild für das rücksichtslose Vorgehen, die Repressionen und die Einschüchterungen des belarussischen Regimes gegen Oppositionspolitiker und Zivilgesellschaft", erklärte Andrea Sasse, Sprecherin des Auswärtigen Amtes, zu den Haftstrafen.

Als zwei der mutigsten Köpfe der friedlichen Protestbewegung nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen hätten sich Kolesnikowa und Snak für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in Weißrussland starkgemacht. "Die Bundesregierung fordert die Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus. Wir werden den politischen Druck auf das Regime selbstverständlich weiter aufrechterhalten und unsere aktive Unterstützung für die belarussische Zivilgesellschaft fortsetzen", sagte Sasse bei der Regierungspressekonferenz.

Wegen des Vorgehens gegen Oppositionelle und Teilnehmer der letztjährigen Proteste hatten auch die EU und die USA wiederholt Sanktionen gegen weißrussische Staatsbeamte und die weißrussische Wirtschaft erlassen.

Mehr zum Thema - Oppositioneller Protassewitsch im RT-Gespräch: Sanktionen drängen Weißrussland in die Arme Moskaus

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