Das französische Parlament hat nach langen Debatten in der Nacht zum Montag eine Verschärfung der Corona-Regeln gebilligt. Damit wird eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen eingeführt. Zudem wird der Einsatz des sogenannten Gesundheitspasses ("pass sanitaire") ausgeweitet. Der Nachweis über eine Impfung, einen negativen Corona-Test oder eine Genesung wird von August an auch für Fernzüge, Bars oder Restaurants nötig sein. Derzeit ist der Gesundheitspass für den Zutritt zu Sportveranstaltungen, Museen oder Theatern verpflichtend.
Von den etwa 67 Millionen Franzosen haben bislang 40 Millionen zumindest eine erste Dosis eines Corona-Impfstoffes verabreicht bekommen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßte dies via Kurznachrichtendienst Twitter und rief zugleich alle anderen Landsleute dazu auf, sich gegen SARS-CoV-2 immunisieren zu lassen. Der 43-Jährige griff bei einem Besuch in Französisch-Polynesien aber auch jene Franzosen scharf an, die sich kategorisch dagegen ausgesprochen haben.
Macron erklärte, dass die Verweigerung einer Impfung gegen das Coronavirus "keine Freiheit" sei, weil die Impfgegner durch ihre "Verantwortungslosigkeit" und ihren "Egoismus" andere infizieren und töten würden. Er sagte, dass, obwohl "jeder frei ist, sich zu äußern", es "so etwas wie Freiheit nicht gibt, wo ich niemandem etwas schulde".
Frankreichs Staatschef erklärte in Tahiti, wo er einen dreitägigen Besuch auf dem Archipel angetreten hatte:
"Was ist Ihre Freiheit wert, wenn Sie mir sagen: 'Ich will nicht geimpft werden'? Wenn Sie morgen Ihren Vater, Ihre Mutter oder mich selbst anstecken, bin ich Opfer Ihrer Freiheit, obwohl Sie die Möglichkeit hatten, etwas zu tun, um sich und mich zu schützen."
Macron betonte, dass die Freiheit "auf einem Gefühl der gegenseitigen Pflicht" beruhe, nicht auf Egoismus. Er brachte auch die Möglichkeit ins Spiel, dass ein Patient im Krankenhaus weniger medizinische Versorgung erhalten könnte, weil die Mediziner einer anderen Person helfen, die den Impfstoff verweigert hat. Er führte an:
"Das ist nicht Freiheit, es heißt Verantwortungslosigkeit, Egoismus."
Das Thema samt der Einführung des "Gesundheitspasses" und der Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sorgt in Frankreich seit Wochen für Diskussionen und Proteste. Auch am vergangenen Wochenende waren mehr als 160.000 Menschen landesweit dagegen auf die Straße gegangen. In der Woche zuvor waren es rund 114.000.
Auch in anderen Ländern wie Großbritannien, Italien und Australien fanden am Wochenende Proteste gegen Corona-Regeln statt. Demonstranten in London hielten am Samstag Schilder mit der Aufschrift "Nein zu Zwangstests" und "Nein zu Zwangsimpfungen" bei einer "Freiheits-Kundgebung" hoch, nachdem Premierminister Boris Johnson am vergangenen Montag angekündigt hatte, dass der Nachweis einer Impfung bald erforderlich sein würde, um Nachtclubs und andere Einrichtungen zu betreten.
Nach der Ankündigung, dass Italien ebenfalls ein ähnliches Impfpass-System einführen will, gingen tausende Italiener im ganzen Land, wie etwa im Rom und Turin, auf die Straße, um dagegen zu protestieren. In Australien, wo ein sogenannter Gesundheitspass noch nicht eingeführt wurde, demonstrierten in Sydney am Samstag Tausende gegen die strengen Lockdown-Beschränkungen der Stadt.
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