Amokläufer in Kasan: "Ich bin Gott"
Bei dem bewaffneten Angriff auf die Schule Nummer 175 in der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tatarstan sind neun Menschen ums Leben gekommen, davon acht Kinder. Mehrere weitere befinden sich in kritischem Zustand, insgesamt werden 18 Personen medizinisch betreut.
Ca. um 9:10 Uhr soll der Täter in die Schule eingedrungen sein – etwa zehn Minuten vor Ende der Schulstunde. Offenbar brachte er neben der Schusswaffe auch Sprengsätze mit. Mehrere Schüler und Einwohner der benachbarten Häuser berichteten von einer oder mehreren Explosionen im ersten Stock des Hauses.
Die Untersuchungsbehörden dementierten später allerdings, dass der Täter Sprengsätze mit sich geführt hatte.
Auf einem Video sind stark verwüstete Räume zu sehen:
In den ersten Berichten war von einem weiteren Täter die Rede – eine Annahme, die sich später als falsch erwiesen hat. So beschrieb eine 15-jährige Schülerin die Situation:
"Es passierte während des Unterrichts. Die Lehrerin rannte in den Klassenraum und schloss ihn schnell ab. Sie erklärte, was geschehen ist – in die Schule seien Menschen mit einem Gewehr eingedrungen. Die Schulleitung erklärte per Lautsprecheranlage, dass wir in den Räumen bleiben und still sein müssten. Wir schlossen uns ein und setzten uns in die Ecke des Klassenraums. Viele Kinder wurden hysterisch. Man hörte 13 bis 15 Schüsse. Nach ungefähr 20 Minuten klopften Polizisten bei uns an die Tür, und wir wurden nach draußen gebracht."
Ein weiterer Schüler berichtete, dass die Schüler die Klassenräume verbarrikadiert und sich unter den Tischen verkrochen hatten. Das hat offenbar viele Leben gerettet. Das Video eines Schülers hält diese Szene fest.
Dem Angreifer gelang es jedoch, zumindest in einen Klassenraum einzudringen und dort mehrere Schüler zu erschießen. Ein Foto zeigt einen verwüsteten Klassenraum und mehrere auf dem Boden liegende Kinderleichen.
Viele Schüler gerieten in Panik und sprangen aus dem Fenster des zweiten Stocks. Das Video mit springenden Kindern haben die Nachbarn aus den umliegenden Häusern aufgenommen. Medien zufolge sollen zwei Kinder beim Sturz ums Leben gekommen sein. Laut der von den Behörden veröffentlichen Liste der Verletzten hatten nur wenige von ihnen Schusswunden. Die meisten erlittenen Knochenbrüche, Blutergüsse oder Schnittverletzungen.
Die bewaffneten Beamten der Nationalgarde waren die Ersten, die vor Ort eintrafen, später trafen auch die Kämpfer des Innensicherheitsdienstes FSB. Wenige Minuten nach den Schüssen ergab sich der Täter und wurde vor dem Schulgebäude gefasst. Seine Festnahme haben mehrere Kameras aufgenommen.
Ein Einsatzkommando kletterte auf das Dach der Schule. Da es vorher unklar war, ob es noch einen weiteren Täter gibt, hat die Feuerwehr viele Schüler nicht durch die Eingänge, sondern durch an die Fenster gestellte Leitern evakuiert.
Viele Menschen eilten zur Blutabnahmestelle, um den Schwerverletzten Blut zu spenden. Mehrere Videos zeigten lange Schlagen mit Hilfswilligen.
Der Täter nannte sich "Gott"
Viele in Russland stellen sich die Frage, wie das Massaker überhaupt möglich geworden ist und ob solche Verbrechen künftig verhindert werden können. Denn inzwischen ist viel über den Täter und seinen psychologischen Zustand bekannt. Es ist der 19-jährige Ilnas Galjawiew. Er besuchte diese Schule, schloss sie aber vor vier Jahren ab und nahm ein Studium an einer Hochschule auf. Auch sein zwei Jahre älterer Bruder soll dieselbe Schule besucht haben. Bekannt ist auch, dass er Ende April der Hochschule verwiesen wurde.
Bewaffnet war der Täter mit einer Schrotflinte. Es ist offiziell bestätigt, dass er die Tatwaffe am 28. April als erlaubtes Jagdgewehr erworben hat. Ein Überwachungsvideo soll den Täter laut dem Nachrichtenportal Life beim Kauf des Gewehrs in einem Waffengeschäft zeigen:
Beim Erwerb der Lizenz soll er ganz penibel vorgegangen sein und alle Anforderungen für den Erwerb und die Verwendung von Waffen akribisch studiert haben. Offiziell galt Galjawiew als Jäger.
Auf einem vom Telegram-Kanal Mash veröffentlichten Video ist Galjawiew auf dem Weg zur Schule zu sehen. Er trägt das Gewehr, ohne es zu verstecken, er hat eine Tasche dabei, das Gesicht ist vermummt.
Ein Standbild des Überwachungsvideos zeigt den Täter auf der Schultreppe:
Seine Tasche war mit Munition vollgepackt:
Im Netz tauchen weitere Videos auf, die den Täter bei einem Verhör auf der Polizeistation zeigen. Er versucht, hysterisch zu wirken, und beschimpft die fragende Person. Er behauptet, "Gott" zu sein und alle zu hassen. Er sagte:
"Bis vor etwa zwei Monaten war mir nicht klar, dass ich ein Gott bin. Und im Laufe des Sommers fing in mir ein Monster zu erwachen an. Ich fing an, alle zu hassen. Ich habe schon immer alle gehasst, und ich habe angefangen, sie noch mehr zu hassen. Kommen Sie mir nicht mit irgendwelchem psychischen oder psychologischen Quatsch."
Journalisten machten zudem den Telegram-Kanal Gott ausfindig, in dem der Verfasser schreibt, dass er gleich jede Menge "Bioabfall" und danach sich selbst töten werde. Auf dem hinzugefügten Bild trägt er die Maske mit der Aufschrift "Gott". Der Kanal soll erst vor Kurzem eröffnet worden sein.
Viele Nachbarn beschreiben Galjawiew allerdings als unauffällig. Intelligent und höflich sei er, sagte eine befragte Frau, er sei ihr auch mal behilflich gewesen.
An der Hochschule machte er eine Ausbildung zum IT-Spezialisten und befand sich im letzten Jahr des Studiums. Er ließ aber das Studium sausen, schwänzte den Unterricht und erschien nicht zu Prüfungen. Am 26. April – zwei Tage vor dem Erwerb des Gewehrs – wurde er der Schule verwiesen. Die Studenten sagen, dass er mit niemandem kommunizierte, er war ein ruhiger, gelassener und konfliktscheuer Mensch. Galjawiews Eltern seien schockiert von seiner Tat.
Die Mutter soll laut dem Nachrichtenportal Life vom Waffenschein ihres Sohnes gewusst haben, konnte jedoch keinen Einfluss auf ihn nehmen. "Ich gehe jagen", soll er ihr gesagt haben. Die Ärztin der Psychiatrie, die Galjawiew eine Bescheinigung für den Waffenschein ausgestellt hatte, habe bei ihm keine Auffälligkeiten festgestellt. Sie habe jeden Tag einen Strom an Besuchern und könne sich nicht an seine charakterlichen Merkmale erinnern, soll sie den Ermittlungsorganen gesagt haben.
Reaktion der Behörden
Neben Tschetschenien ist Tatarstan die einzige russische Region, die einen Präsidenten hat. Der Präsident der Republik Rustam Minnichanow traf schnell am Ort der Tragödie ein und verkündete dort einen Trauertag für die ganze Republik am 12. Mai. Die russische Regierung und Abgeordnete der Staatsduma gedachten der Opfer des Massakers mit einer Schweigeminute. Der russische Premierminister Dmitri Mischustin nannte das Verbrechen grausam und unmenschlich.
Der russische Präsident Wladimir Putin wies den Leiter der Nationalgarde Wiktor Solotow an, dringend eine neue Verordnung über die Waffentypen auszuarbeiten, die von den Bürgern verwendet werden dürfen. Der Präsident schickte auch zwei Minister mit einem Ärzteteam nach Kasan – Gesundheitsminister Michail Muraschko und Bildungsminister Sergei Krawzow. Der russische Präsident drückte den Angehörigen der Gestorbenen sein Beileid aus und ordnete an, den verletzten Kindern Hilfe und jede notwendige medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Die Familien sollen je eine Million Rubel als Soforthilfe erhalten, Verletzte erhalten demnach 200.000 bis 400.000 Rubel.
Viele Politiker in Russland kommentieren die schreckliche Tat und bringen eine Verschärfung der Waffengesetze ins Spiel. Die Tat hat sehr große Ähnlichkeit mit einem anderen Schulmassaker im russischen Kertsch im Jahr 2018, bei dem ein 18-jähriger Student an seiner Hochschule 20 Menschen und sich selbst getötet hatte. Er hat wie auch Galjawiew einen Waffenschein erworben. Laut dem Nachrichtenkanal Mash habe er seine Tat sogar mit dem gleichen Gewehrtyp begangen.
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