Russland

Umfrage über Nawalny-Film: 77 Prozent der Zuschauer haben ihr Verhältnis zu Putin nicht geändert

Das zweistündige Video des Bloggers Alexei Nawalny über Putins angeblichen Palast hat die erhoffte Wirkung offenbar nicht erzeugt. Laut einer Umfrage hat ein Viertel der Russen den Film angesehen. Nur 17 Prozent halten die hierin gemachten Aussagen für die Wahrheit.
Umfrage über Nawalny-Film: 77 Prozent der Zuschauer haben ihr Verhältnis zu Putin nicht geändertQuelle: Sputnik © Michail Klementjew

Am 19. Januar stellte der Antikorruptionsfonds von Alexei Nawalny den fast zweistündigen Film "Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung" auf seinem Youtube-Kanal online. Seitdem wurde der Film laut Youtube-Statistik bereits 111 Millionen Mal angeklickt. In dem Film wirft Nawalny Wladimir Putin nicht nur ein geheimes Luxusleben vor. Bereits im Vorspann beschuldigt er den russischen Präsidenten, einen Anschlag auf seine Person mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe angeordnet zu haben. Nawalny ruft zu landesweiten Protesten auf.

Seitdem werden die in dem Film gezeigten vermeintlichen Enthüllungen mit den in Russland stattfindenden Protesten in Zusammenhang gebracht. Zumindest werden die Abläufe in westlichen Medien oft so dargestellt, indem man auf eine enorme Zuschauerzahl des Films hinweist. 

Anfangs herrschte Unklarheit darüber, wie viele Menschen in Russland den Film tatsächlich angeschaut haben und wenn ja, wie lange. Nach Meinung mehrerer Medienexperten könnte die Zuschauerzahl mit Hilfe von Bots oder speziell angepassten Algorithmen manipuliert worden sein.

Eine repräsentative Umfrage des in Moskau ansässigen Lewada-Zentrums stellte kürzlich fest, dass 26 Prozent der befragten Russen im Alter ab 18 Jahren den Film tatsächlich angesehen haben. Dies sind im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung etwa 29 Millionen Menschen. Weitere zehn Prozent kennen den Inhalt des Films, ohne ihn gesehen zu haben, 32 Prozent haben vom Film etwas gehört, ohne Genaueres über seinen Inhalt zu wissen und 31 Prozent der Befragten ist der Film gänzlich unbekannt.

Diese Daten bestätigen, dass die Youtube-Statistik über den Beitrag keine echten Zuschauerzahlen liefert. Zudem beträgt laut den von Nawalnys Team veröffentlichten Statistiken die durchschnittliche Verweildauer der Zuschauer maximal 20 Minuten. Das vermeintliche Herzstück des Videos, ein mit Hilfe einer aufwendigen Animation kreierter Blick in das pikant-glamouröse Innere des Palasts einschließlich Casino, Haustheater, Pool und einer Striptease-Lounge, wird erst in der Mitte des Films präsentiert. 

Mehr zum Thema - Kreml: Anwesen am Schwarzen Meer gehört Geschäftsleuten – Namennennung wäre "inkorrekt"

Die wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang lauten jedoch: Glauben die russischen Zuschauer die von Nawalny bereitgestellten Informationen und haben diese die Einstellung zum russischen Präsidenten beeinflusst?

Laut der Umfrage des vom russischen Justizministerium als ausländischer Agent eingestuften Lewada-Instituts waren sich mit 33 Prozent ein Drittel der befragten Zuschauer sicher, dass die Behauptungen unwahr sind. Weitere 38 Prozent sagten, dass die Informationen zwar glaubwürdig erscheinen, es aber schwierig sei, ihre Wahrhaftigkeit zu beurteilen. Nur etwa 17 Prozent sagten, sie seien von der Wahrhaftigkeit der Angaben überzeugt. 

Mehr als die Hälfte der Russen gab an, die Anschuldigungen gegen Putin würden sie nicht berühren. Die überwältigende Mehrheit, 77 Prozent der Befragten, erklärte, das Video habe an ihrer Einstellung zu Putin nichts geändert. Bei 17 Prozent der Umfrageteilnehmer hat sich das Bild über Putin verschlechtert und bei drei Prozent sogar verbessert.

Dabei denkt fast ein Drittel der Befragten (29 Prozent), dass Wladimir Putin seine Macht nie missbraucht hat. Weitere 24 Prozent sind der Meinung, dass, selbst falls die Anschuldigungen wahr sein sollten, das Land unter seiner Führung ein besserer Ort zum Leben geworden ist. Nur 17 Prozent vertreten die Meinung, dass Wladimir Putin sicher eines Machtmissbrauchs schuldig ist und 25 Prozent glauben, dass er genauso schuldig ist wie weitere hochrangige Beamte.

Bei der Studie fällt auf, dass die Zahl der größten Putin-Kritiker mit der Zahl derjenigen übereinstimmt, die von Nawalnys Film besonders beeindruckt sind. Diejenigen, die den Film angeschaut haben, waren bereits zuvor größtenteils Putin gegenüber kritisch eingestellt. Von dieser Gruppe heißen 43 Prozent die Tätigkeit des russischen Präsidenten nicht gut. Nur 18 Prozent der Zuschauer zählen zu den Unterstützern Putins. Dies spricht dafür, dass es Nawalny trotz großer Zuschauerzahlen offenbar nicht gelang, Unentschlossene für seine Positionen zu gewinnen.

In ihrer Agitation bemühen sich Nawalny und sein Team für gewöhnlich, junge Menschen zu Protesten zu motivieren. Das Protestgeschehen in den Wochen nach der Ausstrahlung des Films hat diese Tatsache erneut bestätigt. Die Frage ist, ob Nawalnys Aussagen in dieser Zielgruppe eine besondere Wirkung zeigen.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen diesbezüglich ein ambivalentes Bild. Die 18- bis 24-Jährigen stehen Putin zwar kritischer gegenüber als ältere Russen, der Unterschied fällt aber nicht sehr ins Gewicht. So halten 24 Prozent der Jüngeren Putin in Zusammenhang mit Nawalnys Vorwürfen für "schuldig". Bei den 40- bis 54-Jährigen sind es 18 Prozent. Eine weitere aktuelle Umfrage des Instituts ergab, dass 51 Prozent der Bürger in der jüngsten Altersgruppe die Tätigkeit des Präsidenten gutheißen. 

Laut dieser Erhebung, die das Lewada-Zentrum im Zeitraum zwischen 29. Januar und 2. Februar per Telefonbefragung durchführte, konnte weder der Film selbst noch die seit Monaten andauernde vermeintliche Nawalny-Krise die politische Stimmung im Land beeinflussen. Aktuell heißen 64 Prozent der Russen die Tätigkeit des Präsidenten gut. Im Juli 2020 waren es 60, im September 69 und im November 65 Prozent. Diese Schwankungen haben also viel wahrscheinlicher mit der Politik der Regierung in der Corona-Krise zu tun als mit angeblichen Skandalen im Zusammenhang mit Nawalny.

Der vermeintliche Palast Putins und das umliegende Gelände werden seit über einem Jahrzehnt thematisiert. Der "Kronzeuge" für Putins angebliche Verwicklung in den Bau des sogenannten Palastes war von Anfang an der flüchtige, russischstämmige Unternehmer Sergei Kolesnikow. Dieser trat auch in Nawalnys Film auf. Am Sonntag berichtete der russische Fernsehsender Rossija 1 mit Verweis auf die russische Generalstaatsanwaltschaft, dass Kolesnikow bereits im Jahr 2014 vor einem Schweizer Gericht seine Anschuldigungen gegen Wladimir Putin mangels Beweisen zurückgezogen hat. 

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat in einer Stellungnahme am 27. Januar erklärt, dass das Flugverbot über dem Gelände um das Idokopas-Kap mit der in der Nähe liegenden Grenzschutzanlage in Verbindung steht. Diese wurde in einer Fernsehreportage gezeigt. Nawalny erklärte im Film, das Flugverbot über dem "Palast" sei ein sicheres Indiz dafür, dass die Anlage dem Präsidenten gehört. 

Vergangene Woche sagte der bekannte Bauunternehmer und Milliardär Arkadi Rotenberg russischen Medien, dass er der "Begünstigte" der Immobilie sei. Aktuell arbeite er daran, den Ort in ein Luxushotel zu verwandeln. Ende Januar besuchten Reporter des Nachrichtensenders Mash das Anwesen. Doch statt Prunk und Luxus fanden sie einen unfertigen Rohbau und eine Gruppe Bauarbeiter vor. Maxim Iksanow, Chefredakteur des Senders, beschrieb den Bau als "einen großen Haufen Beton". Hinweise darauf, dass der "Palast" wiederholt umgebaut wurde, gab es auch in Nawalnys Video. Trotzdem sprach Nawalny hinsichtlich der Nutzung des Palastes durch Wladimir Putin ausdrücklich von der Gegenwart. 

Mehr zum Thema - Lawrow: Deutsche Geheimdienste könnten Nawalny beim Film zu "Putins Palast" geholfen haben

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.