Landtagswahlen im Osten: Rückwärts immer, vorwärts nimmer?
von Susan Bonath
Der Osten wählt anders als der Westen. Kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am 1. September – Thüringen folgt am 27. Oktober – deuten Umfragen einen weiteren Vormarsch extrem konservativer, rassistischer und neofaschistischer Kräfte an. In allen drei Ländern dürfte es wohl – zumindest rein rechnerisch – am Ende für eine schwarz-blaue Koalition reichen. In Sachsen kommen CDU und AfD laut Meinungsforschern zusammen auf 54 Prozent. Zwar ist die Linke in Ostdeutschland ebenfalls viel stärker als im Westen, doch sie muss mit weiteren Stimmverlusten rechnen. In Sachsen und Brandenburg hängt sie derzeit bei 15 bis 16 Prozent, in Thüringen erreicht sie aktuell immerhin noch ein Viertel der Wähler.
Ausgrenzen und Eingrenzen
In allen östlichen Bundesländern kommt die selbsternannte "Alternative für Deutschland" auf über 20 Prozent. Sie erreicht doppelt so viele Wähler wie im Westen. Dabei hat sie nicht einmal ein Rentenkonzept gegen die wachsende Altersarmut. Sie schert sich nicht darum, dass der Durchschnittslohn für Vollzeitbeschäftigte in Sachsen nicht mal halb so hoch ist wie in Baden-Württemberg. Sie will sogar die Reichen reicher machen: Steuern für wohlhabende Unternehmenserben sollen wegfallen; die 1997 auf Eis gelegte Vermögenssteuer möchte sie für immer aus dem Katalog des Denkbaren wischen. Umweltpolitik und Klimaschutz hält sie für Schwachsinn, was zählt, ist die Rendite.
Auch von Gleichberechtigung der Geschlechter hält die AfD nicht viel. Ihr Rollenbild steht konträr zu jenem, was in der DDR gepredigt wurde. Sie will, grob gesagt, die Frau am Herd sehen, zurück zu Kinder, Kirche, Tradition. Mit derlei klassischem Konservativismus fischt auch die CDU erfolgreich nach Wählern. Sie unterscheidet sich tatsächlich viel weniger von der AfD, als der erste Anschein Glauben machen will. Wie sie steht die CDU stramm auf imperialistischer NATO-Linie. Ähnlich profiliert sie sich mit In- und Exklusion, definiert, wer zugehörig zur Gesellschaft ist und wer nicht. Sie grenzt aus, schiebt ab, wertet ab, argumentiert völkisch. All das tut sie nur etwas leiser als die AfD. Beide werden sich wohl bei allen Wahlen im Osten ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. In Sachsen lag die CDU zuletzt sogar bei 30 Prozent.
Insgesamt ist festzustellen, dass die AfD die politische Debatte auf ein Thema verengt: Migration. Die Fremden, die an allem schuld sind. Selbst dann noch, wenn ein Deutscher zum Täter wird. Und wenn es diese Tat tatsächlich in die Medien schafft. Mit ausländischen Straftätern lässt es sich nämlich weitaus mehr Erregung produzieren – und Abonnenten ködern. Genau darauf setzen viele Medien – entgegen der gegenteiligen, omnipräsenten AfD-Propaganda, wonach die Presse hier so viel verschweige. Erst jüngst musste die Bild eine Gegendarstellung bringen. Es ging um ihre Titelstory über angeblich ausufernde Gewalt von Migranten in Freibädern. Keine ihrer Zahlen hat gestimmt, so der Bäder-Chef und sein Anwalt.
Kampf um den Status
Die auf Ausländer verengte Debatte blendet viele drängende Probleme aus. Im Kern geht es dabei um das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit. Wer darf dabei sein, wer nicht? Im Osten ist das besonders relevant. Die DDR zelebrierte einst die nationale Gemeinschaft. Mit der "Wende" fiel dies weg, und zwar komplett. Der "Kümmererstaat" verschwand, und mit ihm das Subjekt der Identität und die Sicherheit, die es versprach. Besonders die Jugendlichen, heute in den mittleren Jahren, hatten damals daran zu knabbern. Noch nicht völlig selbständig, mit Eltern ohne Zeit für sie, verloren viele in den zerbrechenden Strukturen den Halt.
Vor allem diese Altersgruppe trifft man bei Pegida, dem Straßentrupp der AfD. Rechtsaußen verspricht den Menschen einen Identitätsersatz: das Deutschsein. Und eine Gruppe: die Volksgemeinschaft. Das zieht bis heute so enorm, weil Atomisierung, Konkurrenz und materielle wie ideelle Degradierung des Ostens den meisten es nicht ermöglichte, sich einen westlich anerkannten Status zu zimmern. Damals schlug die NPD ganz herb in diese Kerbe. Kaum, dass die Mauer weg war, machte sie sich auf den Weg zu den Montagsdemonstrationen. Sie kaufte Grundstücke, eröffnete Parteibüros und übernahm Jugendclubs. Vielerorts war sie die einzige Partei, die sich der Jugend annahm.
Anders ausgedrückt: Knallharte Neonazis aus dem Westen köderten mit viel Geld vom Verfassungsschutz, wie man heute weiß, die ostdeutsche Jugend. Und die CDU an der Spitze schaute zu. Aus diesem Grund ist die NPD bis heute vielerorts im Osten etabliert. Davon profitiert die AfD noch heute. Ihr Versprechen: Wir kämpfen mit euch um euren Status. Ihr jede Moral durchbrechender Populismus trifft auf tief sitzenden Frust. Doch Vorsicht: Er ist geschwängert von historischen Verdrehungen, Märchen und Mythen.
Mythen und Märchen von der "Wende"
"Werde Bürgerrechtler. Hol dir dein Land zurück – vollende die Wende." So plakatiert die AfD in Brandenburg. Auf Flyern behauptet sie, mit einem Kreuz bei ihr könnten die Menschen eine "Revolution vollenden". Ob Wahlkampfstände, Zettel in Briefkästen, populistisches Aufbauschen einzelner Gewalttaten: Die AfD führt eindeutig den aktivsten, wohl auch am besten finanzierten Wahlkampf im Osten.
So macht sie sich die Rhetorik der Montagsdemonstrationen von 1989 zu eigen. Sie knüpft an jene Größenfantasien an, welche Hunderttausende DDR-Bürger mit dem Fall der Mauer überflügelt hatten. Das Land war seinerzeit in einem mehr herbeifantasierten als realen "Brudertaumel" versunken, der alle Bedenken der ersten Demonstranten über die kapitalistische Realität hinwegzufegen schien.
Die bunte Warenwelt vernebelte ihre Sicht. Politische Glücksritter vom rechten Rand und der rechten Mitte witterten den Braten. Flugs organisierte die West-CDU ihre kleine ostdeutsche Schwester und diverse Bündnisse zur "Allianz für Deutschland". Schon Ende 1989 übertönte der Schrei nach der D-Mark den Ruf nach Demokratie. In gemeinsamer Arbeit mit der NPD lenkten sie die in der DDR gepredigte "Liebe zum sozialistischen Vaterland" und den Frust über dessen Verlust in völkischen Nationalismus um.
Die Erzählung der AfD ist die von großartigen Revolutionären, platt gemacht vom Westen. Moment mal: Die meisten AfD-Funktionäre im Osten, wie etwa Björn Höcke und Andreas Kalbitz, stammen aus dem Westen. Sie hatten mit den Demos nichts zu tun. Revolution? Verhindert vom Westen? Die Wahrheit geht anders.
Die neuen Herren aus dem Westen
Es ist kein Geheimnis, dass es in der DDR massiv an demokratischen Rechten mangelte. Genau darum ging es den ersten Demonstranten. Doch schon mit der ersten Welle der Auflehnung, lange vor dem Mauerfall, begann die Wirtschaftsmigration von DDR-Bürgern in den Westen. Bunte Warenregale, eine verklärte Realität des realen Kapitalismus: All das lockte. Bis die DDR-Führung kampflos das Handtuch warf.
Was folgte, war ein gigantischer Ausverkauf Ost. Gelernte Kapitalisten standen Schlange und pickten sich die Rosinen der DDR-Wirtschaft heraus. Die Treuhand wickelte den Rest ab. Sie machten sich auf hohen Posten breit. Die neuen Herren waren Unternehmer und aufstrebende Politiker aus dem Westen. Das alles ließen sich die Ostdeutschen, geblendet von Kohls Wahlversprechen von "blühenden Landschaften", ohne nennenswerten Widerstand gefallen. Doch die "blühenden Landschaften" lassen bis heute auf sich warten.
Kurzum: Das Kapital schlug zu, und die Massen in der DDR ließen es geschehen. Massenarbeitslosigkeit griff um sich. Die Menschen stürzten sich in den bis dato unbekannten Konkurrenzkampf um Lohnarbeit. Die Unterwerfung unter die autoritäre Führungsriege der DDR mündete in der Unterwerfung unter das Kapital und seine Protagonisten. Nicht zu vergessen: Jeder, der in der DDR die Schule besucht hatte, konnte wissen, wie der Kapitalismus funktioniert und wie er sich wahrscheinlich entwickeln würde. Der Sieg der westdeutschen Konterrevolution fußt auf der Ignoranz der Eroberten.
Von ostdeutschen Wirtschaftsmigranten
Dabei verbinden die Ex-DDR-Bürger weitaus mehr gemeinsame Erfahrungen mit den aktuell ankommenden Migranten, als ihnen offenbar lieb ist. In einer online abrufbaren Reportage unter der Überschrift "Warum kommen die noch?" berichtete der Spiegel im Februar 1990 von wachsendem Hass auf DDR-Übersiedler im Westen. Sie verschärften die Konkurrenz um Arbeitsplätze und Wohnungen, so das Blatt. Es berichtete von Eltern, die ihre Kinder und Familien verlassen hatten, von einer "naiven Hoffnung auf ein flottes Leben im Westen" und dramatischen Zuständen in Übersiedlerheimen. Wörtlich hieß es:
Die Situation in den Heimen und Lagern spitzt sich immer mehr zu, Meldungen über Saufereien und Raufereien häufen sich. In einigen Einrichtungen herrsche eine derart 'aufgeputschte Stimmung', berichtet der Essener Sozialdezernent Günter Herber, daß er es nicht mehr wage, 'da einen Sozialarbeiter hinzuschicken, das ist schon beinahe lebensgefährlich'. Sein Kölner Amtskollege Lothar Ruschmeier bestätigt: 'Die Auswüchse gehen über das normale Maß hinaus.' Städtische Bedienstete seien nachts überfallen und beraubt worden, Mitarbeiterinnen der Verwaltung würden sexuell belästigt.
Die Ähnlichkeit der damaligen Situation vieler Ostdeutscher mit ihren heutigen Vorurteilen gegen Migranten aus dem Ausland ist geradezu verblüffend. Es wirkt wie eine Projektion eigener Abwertungserfahrungen auf Fremde. Das gern genutzte Schimpfwort "Wirtschaftsmigrant" traf damals durchaus auf die Übersiedler zu. Mit einem Unterschied: In der DDR grassierte weder Krieg noch Hunger.
Autoritarismus im Osten und im Westen
Totale Anpassung erzwingende Systeme fördern autoritäre Einstellungen. Wer sich in der DDR an die personifizierte und somit einfach identifizierbare Führung anpasste, dem mangelte es an nichts. Die Erziehung war ausgerichtet auf Kollektivismus.
Auch der westliche Kapitalismus erzwingt jedoch ein hohes Maß an Anpassung. Das Subjekt der Autorität ist allerdings abstrakt. Der Markt, das Kapital, die "Bedürfnisse der Wirtschaft" sind nicht zu greifen. Zugleich produziert Kapitalismus das Gegenteil von Kollektivismus: Konkurrenz, Individualisierung und Atomisierung.
Das dürfte ein Grund sein, warum sich autoritäre Einstellungen im Osten eher an charismatischen Führungspersonen orientieren. Der Status in der DDR hing an kollektiver Anpassung an die Mehrheit. Für Westdeutsche hängt er an ihrer individuellen Stellung kraft Geburt oder Leistung. Abgewertet wird, wer hier nicht mithält. Das brutale Sanktionsregime im Hartz-IV-System, wonach ungehorsamen Erwerbslosen sogar das Existenzminimum gekürzt und gestrichen wird, ist nur ein Beispiel für westlichen Autoritarismus.
Nicht vergessen werden darf, dass neofaschistische Strukturen in der alten BRD von Beginn an nicht nur geduldet, sondern gefördert wurden. Die Aufarbeitung der Verbrechen der deutschen Faschisten zwischen 1933 und 1945 fand so gut wie gar nicht statt. Einstige NSDAP-Funktionäre in hohen Positionen im Polit- und Staatsapparat waren die Regel, nicht die Ausnahme. Andererseits kann man der DDR-Führung vorwerfen, neofaschistische Umtriebe, die es durchaus gab, wohl wegen der Außenwirkung verschleiert zu haben. Rassistische Angriffe bezeichneten die Zeitungen damals nicht selten als "Rowdytum".
Falscher Antikapitalismus
Auffällig ist, dass die AfD im Osten, anders als im Westen, eine dezidiert antikapitalistische Leier "gegen die da oben" spielt. Sie gebärdet sich, ähnlich wie seinerzeit die NSDAP, als rechte "Anti-Establishment"-Partei. Zugleich zieht sie gegen das angeblich "kommunistische DDR-Regime" zu Felde. Mehr noch: Sie verknüpft die negativen sozialen Entwicklungen des real existierenden Kapitalismus mit schlechten Erfahrungen in der DDR, etwa mit der Stasi. Angeblich, so eine irre These, entwickle sich Deutschland sogar zu einer DDR 2.0.
Das ist natürlich historischer Unsinn. Es gibt gewaltige ökonomische Unterschiede zwischen beiden Systemen. Der DDR war es gelungen, das Großkapital zu enteignen. Keineswegs hat die AfD dies vor. Im Gegenteil: Laut Programm will sie es von weiteren Steuern befreien, wie weiter oben schon erwähnt. Doch gerade die Enteignung war der Grund, weshalb die DDR – trotz Wirtschaftsembargos, Kaltem Krieg und der verbliebenen Abhängigkeit vom kapitalistischen Markt – in rasantem Tempo ein Sozialsystem aufbauen konnte, das in den kapitalistischen Ländern seinesgleichen suchte. Nur so konnte sie dafür sorgen, dass trotz wirtschaftlicher Probleme der Mehrwert der Arbeit nicht an Privatiers, sondern ins soziale Netz fließt.
Strategische Lügen
Dass diese Bullshit-Rhetorik pures Kalkül der AfD ist, stellte deren Thüringen-Chef Höcke in einem am 8. März dieses Jahres veröffentlichten Interview mit der neurechten Hauspostille Sezession mutmaßlich unfreiwillig klar. Schon die Überschrift "Unruhe ist Pflicht" bastelt am Trugbild einer Anti-Eliten-Alternative.
Die AfD werde ausgegrenzt von den "Herrschenden", jammert Höcke darin ausgiebig. Dabei ist bekannt, dass sie von Teilen der Wirtschaftseliten, darunter der Mövenpick-Chef, und deren Thinktanks gesponsert wird. Dann erklärt er, dass in Ost und West nun mal verschiedene Strategien nötig seien. "Wenn wir mehr das Soziale betonen und die Liberalen mehr das Marktwirtschaftliche, so wollen wir beide eine soziale Marktwirtschaft", so Höcke.
Dieses Märchen von der sozialen Marktwirtschaft hätte genauso auch von der Großen Koalition kommen können. Marktwirtschaft ist schon deshalb nicht sozial, weil die Wirtschaft nur wenigen gehört. Und die bestimmen darüber, wer was bekommt. Bestimmer will die AfD sein. Ihr "Konzept": ein nationaler Kapitalismus unter imperialistischer Vorherrschaft Deutschlands.
Die angepasste Linke
Daran, dass sich die AfD als Anti-Establishment-Partei gebärden kann, ist die Linke nicht schuldlos. Denn sie selbst mimt die Mitläuferin, gibt sich als bessere Gestalterin der spätkapitalistischen Profitmaschine. Sie bandelt mit einer SPD an, die die Arbeiterklasse nicht nur einmal verraten hat. Sie kungelt mit den Grünen, die zusammen mit der SPD Hartz IV einführte und mit allen, außer der Linkspartei, schon mal einen Angriffskrieg abnickte. Vor allem tut sie so, als sei die bürgerliche Klasse ein Bollwerk gegen den Faschismus. Das Gegenteil ist der Fall: Aus der bürgerlichen Mitte entspringt er. Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte vom Faschismus schweigen.
Eine Linke als Teil des verhassten bürgerlichen Establishments kann nicht positiv ankommen bei jenen, die seit 30 Jahren ihren Status nicht gewürdigt sehen. Der bürgerliche Habitus ist im Osten nicht umsonst verpönt. Erinnert er doch allzu sehr an die westdeutschen Herren, die teils bis heute an ihren Posten kleben.
Auch in diese Kerbe schlägt die AfD mit ihrem Populismus. Sie geht verbal auf das Establishment los und verschweigt, dass ein Teil desselben sie fördert. Sie hat eine – vermeintlich – im Bürgertum verhasste Menschenfeindlichkeit zum Programm gemacht. Der gezückte Mittelfinger schwingt bei fast jeder Rede mit.
Die politische Schwäche der Linken ergießt sich in elitenkonformem Reformismus und im Anprangern. Über die zerberstenden ökonomischen Verhältnisse und mögliche Auswege klärt sie indes nicht auf. Doch eine linke Alternative muss klar sagen, wie der Kapitalismus funktioniert und wie Probleme gelöst werden könnten. Nur säße sie dann vermutlich längst nicht mehr auf hochdotierten Posten in politischen Gremien.
Der real existierende Kapitalismus
Auf der Unkenntnis vom real existierenden Kapitalismus bauen die Erfolge aller rechten Parteien auf, ganz besonders in den unteren Schichten. So suggeriert die AfD zum Beispiel: Mit weniger Ausländern im Land bliebe mehr für Deutsche. Zugleich sprach sie sich im Bundestag mehrfach für Hartz-IV-Sanktionen aus und forderte, die Reichensteuern abzuschaffen. Das ist ein Widerspruch in sich.
Doch wie funktioniert Kapitalismus? Das kann hier natürlich nur sehr verkürzt erläutert werden: Kapitalismus basiert auf endloser Kapitalakkumulation. Jedes Produkt entsteht für private Unternehmer nur aus einem Grund: Profitmaximierung. Verzichten sie darauf, riskieren sie ihren Untergang.
Nun ist es so, dass Profite ausschließlich von Lohnarbeit abgeschöpft werden können. Nur Menschen kann man (unbemerkt) zwingen, mehr Werte zu schaffen, als sie selbst, gemessen am Lohn, wert sind. Von diesem abgezweigten Profit finanzieren Superreiche ihre Jachten, der Staat seinen Apparat, und natürlich auch Sozialleistungen, um keine Revolten zu provozieren. Kein Wunder, dass sich die Arbeitenden gegen die Erwerbslosen aufhetzen lassen, auch wenn es ihren Interessen kein Stück nützt.
Das Streben der Kapitalisten nach Maximalprofit beschleunigt die technologische Revolution. Eigentlich etwas Gutes, im Kapitalismus aber ein Problem: Computer und Roboter ersetzen menschliche Arbeitskraft. Ihres Lohnes beraubt, verlieren Betroffene ihre Kaufkraft. Die Profite brechen insgesamt ein. Henry Ford brachte es einst mit einem Satz auf den Punkt: "Autos kaufen keine Autos."
Systemimmanente Globalisierung
Die mit dem technologischen Fortschritt tendenziell sinkende Profitrate ist ein Grund, warum die Wirtschaft immer weiter wachsen muss. Täte sie dies nicht, würde, global gesehen, die Profitrate so stark fallen, dass der Kapitalismus zusammenbräche. Das produziert Krisen. Kapitalanlagen werden schleichend immer unrentabler, Spekulationen blühen. Um Kapitalisten doch noch zum Investieren zu ermuntern, muss billiges Geld auf den Markt. Darum senken derzeit die Zentralbanken ihre Leitzinsen immer tiefer in den Keller.
In diesem System wachsen die Staaten zusammen mit ihrer Wirtschaft. So bilden sich Imperien heraus, die, ganz nach kapitalistischer Logik, wachsen und stärker werden wollen. Sie beuten andere Länder aus. Dort wächst die Armut, auf der Suche nach Perspektiven flüchten Menschen. Irgendwann gehören alle Ressourcen irgendwem. Wirtschafts- und Handelskriege, Verteilungskämpfe also, sind die Folge.
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Nun wettert die AfD auch eifrig gegen die Globalisierung. Doch halt: Kapitalismus beruht auf Wachstum und Ausbreitung. Das war schon zur Zeit der Raubzüge der Ostindien-Kompanien vor 400 Jahren so. Die industrialisierte Wirtschaft braucht Rohstoffe aus aller Welt, und davon immer mehr. Kriege und Migration, Reichtum und Elend, endloses Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung bis zum finalen Crash: All das gehört zum Repertoire der kapitalistischen Produktionsweise. Wer Parteien wählt, die den Kapitalismus wollen, muss das in Kauf nehmen.
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