Gerinnungsstörung nach COVID-19-Impfung: Wie verlässlich sind die Daten des Paul-Ehrlich-Instituts?

Bisher 102 Meldefälle: "Sehr selten" treten nach AstraZeneca-Impfungen Thrombosen und Blutplättchenmangel gemeinsam auf. Doch beide Symptome kommen auch einzeln bei mRNA-Vakzinen vor. Das Paul-Ehrlich-Institut gab darüber zuletzt aber keine Zahlen mehr heraus.
Gerinnungsstörung nach COVID-19-Impfung: Wie verlässlich sind die Daten des Paul-Ehrlich-Instituts?Quelle: www.globallookpress.com © Joerg Niebergall/Eibner-Pressefoto

von Susan Bonath

Viele, die sich gegen COVID-19 impfen lassen wollen, schielen auf Comirnaty. Der mRNA-Impfstoff des Pharmagiganten Pfizer und seines deutschen Partners BioNTech gilt als Porsche unter den vier in der EU bedingt zugelassenen Vakzinen. Kein Wunder: Nach mehreren Todesfällen steht der Vektor-Impfstoff Vaxevria von AstraZeneca seit Wochen im Fokus. Er soll, sehr selten, eine spezielle, schwerwiegende Nebenwirkung erzeugen: Das TTS-Syndrom, eine Hirnvenen-Thrombose mit gleichzeitig auftretendem Blutplättchenmangel, einer Thrombozytopenie. Dies liege wohl an dem Adenovirus, das als Vektor für die Übertragung von Corona-RNA-Sequenzen genutzt wird, mutmaßen Wissenschaftler.

Bei Comirnaty und dem zweiten mRNA-Impfstoff von Moderna gebe es kein TTS. Ein zweischneidiges Schwert:  Denn einzeln traten beide Reaktionen auch bei ihnen auf, und das Risiko für Thrombosen aller Art scheint erhöht zu sein. Doch dazu gibt es keine aktuellen Daten: Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) publiziert sie seit dem 2. April nicht mehr. 

Fixierung auf sehr seltene, schwere Doppel-Reaktion nach AstraZeneca-Impfung

In aktuellen Publikationen berichtet das PEI ausschließlich von dem TTS-Syndrom nach einer Impfung mit Vaxzevria. 102 Fälle seien ihm bis zum 1. Juni 2021 gemeldet worden, meldete es zuletzt. Gut jeder fünfte Betroffene, 13 Frauen und acht Männer, sei daran verstorben. 44 erkrankte Frauen und 20 Männer waren demnach zwischen 20 und 59 Jahren alt, und nur ein Mann hatte das 80. Lebensjahr überschritten. Damit verzeichnete das PEI am 1. Juni insgesamt 35 TTS-Fälle und sieben daran Verstorbene mehr nach einer Vaxzevria-Dosis als noch bis zum 30. April

Beim TTS-Syndrom bildet sich nach Angaben des PEI zum einen ein Blutgerinnsel (Thrombus) im Gehirn. Zugleich gibt es eine Autoimmunreaktion: Betroffene bilden autoimmun wirkende Antikörper aus, die an Blutplättchen binden und diese zerstören. In der Folge kann sich die Gerinnungsfähigkeit des Blutes so stark mindern, dass es zu inneren Blutungen kommt, die nicht selten zum Tod führen. Das Doppel-Syndrom ist inzwischen offiziell als "sehr seltene" Impfkomplikation anerkannt. 

Ein Fall war in Deutschland besonders bekannt geworden: Die 32-jährige Dana Ottmann starb im März an massiven Hirnblutungen. Ihre Mutter machte das öffentlich und drängte auch darauf, den Tod ihrer Tochter zu untersuchen. Heute steht fest: Die junge Frau erlag den Nebenwirkungen ihrer Impfung mit Vaxzevria. 

PEI geht von Dunkelziffer schwerer Blutgerinnungsstörungen aus 

Das Problem bei Thrombosen und Thrombozytopenien ist es, dass die Erkrankungen häufig erst bei gravierenden Symptomen wie Hirnblutungen oder Schlaganfällen besonders auffallen und diagnostiziert werden. So schreibt das PEI in seinem Bericht, der Meldefälle bis Ende April erfasst: 

"Zu beachten ist, dass Melderaten keine Inzidenzen darstellen, da davon auszugehen ist, dass nicht alle Fälle eines TTS spontan gemeldet wurden (Dunkelzifferrate). Zudem klärt das Paul-Ehrlich-Institut noch weitere Verdachtsmeldungen mit möglichem TTS ab, bei denen nicht die von der Brighton Collaboration geforderten Kriterien der diagnostischen Sicherheit eines TTS initial mitgeteilt wurden und die daher nicht in die Berechnung eingegangen sind."

Das gilt allerdings auch für Blutgerinnsel, die nicht in den Hirnvenen, sondern in anderen Körperregionen auftreten. Ungefährlich sind auch diese nicht. So können beispielsweise Thrombosen in den Bein- und Beckenvenen zu gefährlichen Lungenembolien führen. Wenn Blutgerinnsel in Arterien entstehen, endet das nicht selten je nach Ort des Auftretens mit einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder dem Absterben eines Teils des Darmes. Und Thrombozytopenien machen sich nicht selten über Monate höchstens durch den einen oder anderen blauen Fleck bemerkbar. Solange man nichts misst, findet man nichts. 

Oxford-Forscher: Erhöhtes Risiko für Hirnvenen-Thrombosen auch nach mRNA-Impfung

Spezielle Nebenwirkungen nach Impfungen fallen in aller Regel erst dann auf, wenn ihre Fallzahlen sich in der Statistik bemerkbar machen. Das heißt: Etwaige schwere Nebenwirkungen, die als Erkrankung auch ohne Impfung häufiger auftreten, fallen seltener auf. Hirnvenen-Thrombosen sind sehr selten, in Verbindung mit Thrombozytopenie sogar noch viel seltener. Solche Fälle machen sich eher bemerkbar. 

Dass das Risiko für eine solche Thrombose ohne Blutplättchenmangel auch beim Impfstoff Comirnaty von Pfizer und BioNTech erhöht ist, fiel Forschern der Universität Oxford bereits im April auf. Sie errechneten, dass 4,1 Personen, vor allem unter 30-jährige Frauen, pro einer Million Impfungen mit einem mRNA-Vakzin mit einer solchen Komplikation rechnen könnten. 

Die medizinische Informationsplattform AMBOSS gibt die geschätzte Häufigkeit solcher schweren Komplikationen in der Allgemeinbevölkerung mit drei bis fünf Fällen pro einer Million Einwohner innerhalb eines Jahres an. Die Zeit, in der bis zum Erscheinen der Publikation geimpft wurde, betrug aber lediglich etwas mehr als drei Monate. Die Oxford-Forscher bezifferten das Risiko als weit geringer als bei schwer an COVID-19 Erkrankten. 

Allerdings: Nur ein sehr geringer Prozentsatz der positiv Getesteten erkrankt tatsächlich schwer an COVID-19. Das Robert Koch-Institut (RKI) gibt etwa an, dass seit Beginn der Pandemie 1.092 von 118.174 positiv getesteten Kita-Kindern und Schülern in einer Klinik behandelt wurden. Das waren 0,9 Prozent. Beim medizinischen Personal wurden knapp drei Prozent der positiv Getesteten im Krankenhaus versorgt, bei Lehrern und Erziehern und Altenpflegern waren es rund zwei Prozent und bei Pflegeheimbewohnern 16 Prozent. Die Oxford-Forscher beziehen sich also lediglich auf einen sehr kleinen Teil der Infizierten beziehungsweise positiv Getesteten. 

PEI meldete bis Anfang April Dutzende Thrombose-Fälle nach mRNA-Impfungen

Bis zum 2. April hatte das PEI ebenfalls Fälle von Hirn- oder Sinusvenen-Thrombosen nach einer Gabe von Comirnaty von Pfizer/BioNTech festgestellt. Es schrieb in seinem vorletzten Bericht auf Seite 14: 

"Sieben Fälle einer Sinusvenenthrombose wurden nach Impfung mit Comirnaty gemeldet. In keinem Fall wurde eine Thrombozytopenie berichtet. Betroffen waren drei Frauen im Alter von 34 bis 81 Jahren und vier Männer im Alter von 81 bis 86 Jahren. Die Zahl der gemeldeten Fälle ist unter Berücksichtigung der verimpften Dosen gegenüber der erwarteten Zahl von Sinusthrombosen nicht erhöht."

Auf Seite 15 veröffentlichte das Bundesinstitut zudem eine Tabelle, in der es insgesamt 429 gemeldete Thrombose-Fälle aller Art, teils mit Embolien, nach einer Spritze mit den damals bedingt zugelassenen Impfstoffen von AstraZeneca, Pfizer/BioNTech und Moderna angibt. Davon entfielen 231 auf AstraZeneca, 193 auf Comirnaty von Pfizer/BioNTech und fünf auf Moderna, wobei letzteres Vakzin viel seltener verimpft wurde. Besonders auffällig ist die hohe Rate an arteriellen Thrombosen nach Comirnaty-Gabe. Hier verzeichnete das PEI damals 104 Fälle, bei Vaxzevria waren es 43 Fälle.

Es gibt zudem eine weitere Auffälligkeit: Im Bericht bis zum 30. April meldete das PEI auf Seite 17 acht Fälle von Thrombozytopenien nach Comirnaty, 46 nach Vaxzevria und zwei nach Moderna. In einem vorherigen Bericht, der den Zeitraum bis zum 19. März darstellt, war bereits die Rede von gemeldeten 17 Thrombozytopenie-Fällen nach einer Comirnaty-Gabe. 

Institut sieht Thrombose-Fälle im Rahmen der statistischen Normalität 

Wie viel Thrombose-Meldefälle nach einer Impfung bis heute insgesamt hinzugekommen sind, weiß man allerdings nicht. Denn das PEI führt seither nur noch Hirnvenen-Thrombosen ausdrücklich in Verbindung mit einer Autoimmunreaktion gegen Blutplättchen (Thrombozytopenie) auf. Interessant wären diese Daten für die Öffentlichkeit gewiss, gerade mit Blick darauf, dass die Massenimpfungen täglich fortgeführt werden. 

Doch für wie relevant hält das PEI diese Information? Auf die Bitte um Herausgabe dieser Daten schrieb Institutssprecherin Susanne Stöcker am Montag ausweichend: 

"Das Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht alle Informationen, die für die Bewertung der Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe relevant sind in den Sicherheitsberichten zur Verdachtsfällen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen bei den zugelassenen COVID-19-Impfstoffen (www.pei.de/sicherheit-covid-19-impfstoffe) – der nächste Bericht ist für Anfang dieser Woche geplant. Es ist vor dem Hintergrund der Vielzahl von Meldungen nicht möglich, spezifische Auswertungen für einzelne Fragestellende zu machen."

Stöcker berief sich darauf, dass die Impfstoffe bereits "millionenfach verabreicht" worden seien. Da sei es "normal und sogar zu erwarten, dass auch Reaktionen wie Thrombosen ohne Thrombozytopenie beziehungsweise Thrombozytopenien ohne Thrombosen sowie zahlreiche weitere Reaktionen zeitlich rein zufällig nach Impfungen beobachtet werden". Erst wenn die Zahl der gemeldeten Reaktionen "höher als rein statistisch zu erwarten" sei, werde dem "als mögliches Risikosignal nachgegangen". Dies liege derzeit beim TTS-Syndrom vor, also der Doppelindikation Hirnvenen-Thrombose und Blutplättchenmangel. 

Verweis auf EU-Datenbank, doch diese meldet nur geringen Teil der Fälle

Die PEI-Sprecherin verwies auf die Datenbanken der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), die Meldungen aus allen Staaten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum veröffentliche. Doch die EMA-Datenbank hinkt entweder meilenweit zurück oder deutsche Behörden melden nur einen geringen Teil der Verdachtsfälle. 

So verzeichnete das PEI bereits bis zum 30. April für Comirnaty von Pfizer/BioNTech 20.160 gemeldete Verdachtsfälle auf Impfkomplikationen, davon 2.386 schwerwiegende. Die EMA indes erfasste für das Pfizer/BioNTech-Vakzin, das dort den Namen Tozinameran trägt, bis zum 5. Juni gerade 9.961 Meldefälle aus Deutschland insgesamt, also weniger als die Hälfte, und dies über einen Monat über den vom PEI erfassten Zeitraum hinaus. 

Beim Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca wird diese Diskrepanz noch deutlicher. So meldete das PEI bis Ende April bereits 26.206 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, davon 2.132 schwerwiegende. Die EMA aber verzeichnet bis zum 5. Juni lediglich 8.458 Meldefälle, also weniger als ein Drittel, und dies ebenfalls über einen Monat über den Erfassungszeitraum des PEI hinaus. Ähnlich sieht es beim seltener genutzten Moderna-Vakzin aus. Während das PEI bis Ende April über 3.000 Verdachtsfälle auf Nebenwirkungen angab, verzeichnet die EMA bis Anfang Juni lediglich 952. Von verlässlichen Daten kann also insgesamt keine Rede sein.

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