Überparteiliche Koalition von US-Beamten fordert von Biden mehr Respekt für Moskaus Bedenken
Nach den jüngsten Gesprächen mit der NATO hat Russland fehlendes Entgegenkommen der Allianz beklagt. Laut dem stellvertretenden Außenminister Gruschko zeigt das Militärbündnis keine Bereitschaft, die Sicherheitsinteressen anderer Staaten zu berücksichtigen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg erklärte am Mittwoch, die Verhandlungen auf der Tagung des NATO-Russland-Rates seien schwierig gewesen und dass derzeit ein reales Risiko eines bewaffneten Konflikts in Europa bestehe. Deshalb seien die derzeitig stattfindenden Treffen so wichtig. Er bekräftigte jedoch auch, dass das Bündnis nicht bereit sei, gewisse Kompromisse, so bei 'Grundprinzipien der europäischen Sicherheit', einzugehen.
Die Gefahr eines bewaffneten Konflikts sahen mehrere US-Verbündete voraus und sandten bereits Waffen gen Kiew, während der ukrainische Botschafter in Berlin gar von einer moralischen Pflicht Deutschlands sprach, den Ukrainern unter anderem durch militärische Hilfe beizustehen. Auch Stimmen aus dem Umfeld des Atlantic Council und anderen Institutionen, die nicht unerheblich aus der US-Rüstungsindustrie finanziert werden, haben ihren Ruf nach schärferen Maßnahmen gegenüber Moskau schon lange vor den Gesprächen in dieser Woche deutlich gemacht. US-Militär-Berater aus dem Pentagon, Chris Rizzo und Todd Brown sind Medienberichten zufolge zwischenzeitlich direkt in das Verteidigungsministerium der Ukraine eingestiegen.
Derweil spricht sich in den USA eine wachsende überparteiliche Koalition verschiedener Denkfabriken, Politik-Experten und Wissenschaftlern dafür aus, jeglichen Forderungen nach militärischen Maßnahmen gegen Russland zu widerstehen. In einem Schreiben an US-Präsident Biden fordern mehrere Organisationen, dass die US-Regierung an ihrem Versprechen der Diplomatie festhält, die NATO-Erweiterung stoppt und sich weigert, Truppen in die Ukraine zu schicken. Das Weiße Haus solle die Minsker Vereinbarungen weiterverfolgen, die eine Entmilitarisierung der ostukrainischen Donbass-Region und eine sinnvolle politische Autonomie der Region bei gleichzeitiger Wahrung der ukrainischen Souveränität über das Gebiet und seine Grenzen vorsehen.
Insbesondere Deeskalation sei der Schlüssel, schrieben die unterzeichnenden Organisationen vor Beginn dieser Woche, und betonten zugleich die Notwendigkeit, die NATO-Erweiterung zu stoppen und sich Forderungen nach der Entsendung von US-Truppen zur Verteidigung der Ukraine zu widersetzen. Dieser Weg sei notwendig, um einen militärischen Konflikt abzuwenden, der "den Interessen der Vereinigten Staaten schadet, unschuldige Zivilisten in der Ukraine verletzt und zu einem potenziell katastrophalen Krieg zwischen den beiden führenden Atommächten der Welt führen könnte."
Vielmehr sei es an der Zeit, einen strategischen Dialog mit Russland zu führen, “der sich mit den tieferen Ursachen von Misstrauen und Feindseligkeit befasst" und gleichzeitig russische Militärangriffe verhindert. Diese Dialoge müssen mit dem ausdrücklichen Streben des russischen Präsidenten Putin nach "zuverlässigen und langfristigen Sicherheitsgarantien" einhergehen, die "weitere NATO-Bewegungen nach Osten und die Stationierung von Waffensystemen, die uns bedrohen, in unmittelbarer Nähe des russischen Territoriums ausschließen".
Die Unterzeichner begrüßen, dass die Biden-Administration Forderungen nach einer Stationierung von US-Truppen in oder um die Ukraine zum Schutz vor einem möglichen russischen Einmarsch zurückgewiesen haben und erklären, dass ein solches Vorhaben "nicht zur Debatte steht." Dahingehend sei es korrekt gewesen, zu betonen, dass sich die "moralische [und] rechtliche Verpflichtung gegenüber unseren NATO-Verbündeten" gemäß Artikel 5 "nicht auf [...] die Ukraine erstreckt."
Sie verweisen auf die Begründung des US-Präsidenten Obama, militärische Unterstützung an die Ukraine aus den USA zu untersagen, da das Land allein schon aufgrund der geografischen Lage ein zentrales nationales Sicherheitsinteresse für Russland sei, und Moskau daher immer ein stärkeres Interesse an der Ukraine haben wird als die Vereinigten Staaten. Diplomatie ist der einzig vernünftige Weg für die Beziehungen zwischen den USA und Russland, sind die Autoren des Briefes überzeugt.
Um einen für alle Seiten risikoreichen Konflikt zu vermeiden, sollten die Vereinigten Staaten eine Politik verfolgen, die eine weitere Ausweitung der NATO ablehnt. Sie zeigen auch auf, dass die NATO aus der russischen Sicht eine Sicherheitsbedrohung darstellt, was sich aus daraus ergibt, dass demnach westliche Staaten frühere Zusicherungen bezüglich der NATO-Erweiterung verletzt haben. Dies sei eine der Ursachen für die bestehenden Spannungen mit Russland, welche im Rahmen eines strategischen Dialogs zu lösen seien.
Dies schließe nicht andere Maßnahmen aus, doch müsse der bisherige Ansatz mit einem Fokus auf Diplomatie und Realismus vertieft werden, heißt es in dem Brief, der vor Beginn der Gespräche am 8. Januar unterzeichnet und außerdem an den US-Außenminister Antony Blinken, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi und den Mehrheitsführer des Senats, Charles Schumer, versendet wurde. Zu den Unterzeichnern gehören mehr als zehn Organisationen, darunter Concerned Veterans for America, Physicians for Social Responsibility, Progressive Democrats of America, The American Committee for US-Russia Accord und weitere sowie das Quincy Institute for Responsible Statecraft.
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