Meinung

UN-Bericht über Syrien stellt Unschuldsvermutung auf den Kopf: Terroristen als Opfer

Ein Bericht unter UN-Mandat zu angeblichen Kriegsverbrechen Russlands in Syrien baut stark auf "anonymen Quellen" ohne Beweise auf. Dies hat den Beigeschmack absichtlicher Desinformation und geht zulasten der Bekämpfung der Terroristen in Idlib.
UN-Bericht über Syrien stellt Unschuldsvermutung auf den Kopf: Terroristen als OpferQuelle: www.globallookpress.com

von Eva Bartlett

Anfang dieser Woche hat die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission für die Arabische Republik Syrien einen Bericht veröffentlicht, der größtenteils einen Angriff auf Syrien und Russland in ihrem Kampf gegen den Terror in Syrien darstellt. Schnell waren die Konzernmedien mit einem Echo auf die Vorwürfe über russische "Kriegsverbrechen" in Syrien bei der Hand – und  schmälerten in ihrer Berichterstattung gleichzeitig die Verbrechen terroristischer Gruppierungen in Idlib gegen syrische Zivilisten und Soldaten.

Zwar wird im Bericht tatsächlich beiläufig anerkannt, dass Syrien, Russland und ihre Verbündeten "bewaffnete Oppositionsgruppen, einschließlich Hay'at Tahrir" (Ableger von Al-Qaida) bekämpfen. Doch der Rest des Dokuments liest sich hauptsächlich wie eine Litanei an Bezichtigungen gegen Syrien und Russland.

Im Abschnitt "Mandat und Methodik" des Berichts wird festgestellt, dass seine Informationen auf "233 in der Region und von Genf aus geführten Befragungen" sowie auf Berichten von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und der UNO beruhen. Ein Bericht, der auf Zeugenaussagen basiert, die in der Türkei, in Jordanien, im Libanon oder per Telefon aufgenommen wurden, soll also erneut die Massen der Syrer in Syrien selbst negieren, die möchten, dass ihre Wahrheit gehört und dass der Terror, unter dem sie leiden, bekannt wird.

Denn nach gründlichem Durchforsten aller 24 Seiten des Berichts konnten nicht einmal in den Anhängen irgendwelche transparenten und glaubwürdigen Quellen gefunden werden. Nur die folgenden vagen Begriffe, auf die immer wieder Bezug genommen wurde: Zeugen, Zivilisten, NGOs, Rettungskräfte, medizinische Teams, Ersthelfer, Flugbeobachter und Frühwarnbeobachter.

Da sich die westlichen Medien weitgehend auf zwei Anschuldigungen wegen vermeintlicher russischer Kriegsverbrechen konzentriert haben, soll hier auf diese eingegangen werden. 

Anklagepunkt 1: "Russische Kriegsverbrechen"

Die erste von zwei Hauptanklagen gegen Russland ist die Durchführung von Luftangriffen auf den Ort Maarat al-Numan in Idlib am 22. Juli 2019. Bei diesen Lufteinsätzen sollen angeblich ein Marktplatz angegriffen und 43 Zivilisten getötet worden sein.

Einzelheiten zu dieser Behauptung werden von namentlich nicht genannten Quellen geliefert. Möglicherweise wurden ferner Informationen von den üblichen Verdächtigen geliefert: Zu nennen wäre zum Beispiel die in Großbritannien ansässige Ein-Mann-Organisation "Syrian Observatory for Human Rights" (dt.: "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte", betrieben von Rami Abdulrahman). Die mit Terroristen verbündete Show-Rettungsgruppe der Weißhelme wäre auch zu nennen, sollte im Jahr 2020 aber ohnehin jedem bekannt sein.

Die Kommission bezieht sich auf Flugbeobachter, also "Zivilisten, die Flüge von Fluggeräten überwachen, um vor einem Luftangriff zu warnen". Doch wer sind diese Zivilisten? Benutzen sie etwa die Frühwarn-Radarsysteme, wie sie zum Beispiel den Weißhelmen zur Verfügung gestellt wurden? Sind es wirklich neutrale Beobachter – oder die üblichen "Quellen", die mit Terrormilizen verbunden sind und uns als vermeintlich glaubwürdig verkauft werden?

Verfasser des Bericht behaupten, "Satellitenbilder, Videoaufnahmen und Fotos" zu den angeblichen Luftangriffen erhalten zu haben. Doch nichts davon ist in dem Bericht enthalten.

Behauptet wird ferner, es seien "Flugkommunikationen in russischer Sprache abgefangen" worden.  Doch wie will man an diese angeblich abgefangenen Funksprüche gekommen sein? Woher will man wissen, dass sie authentisch sind? Woher wissen wir das, wo doch die angeblich abgefangenen Funksprüche im Bericht ebenso nicht enthalten sind?

Russland betonte, dass "russische Flugmaschinen in diesem Gebiet am 22. Juli nicht zum Einsatz kamen und auch nicht dort geflogen sind". Der russische Generaloberst Sergei Rudskoi stellte fest, dass laut Aufklärungsdaten "der angeblich zerstörte Marktplatz völlig intakt und wie üblich in Betrieb ist".

Ist es angesichts der Tatsache, dass Syrien von den Geheimdiensten der USA, Israels und der Türkei überwacht wird, wirklich plausibel, dass Russland so nachlässig wäre, seine Schritte dort über unverschlüsselten Funk zu anzukündigen?

Damit werden uns für den ersten Fall eine Reihe von ungenannten Quellen präsentiert. Es gibt keine Transparenz darüber, wer diese Quellen sind, wem gegenüber diese loyal sind (gegenüber Zivilisten – oder Mitgliedern von Al-Qaida oder anderen bewaffneten Gruppen in diesem Gebiet?). Es werden keinerlei visuelle Beweise vorgelegt. Wir haben nur die Worte der Kommission. "Vertrauen Sie ihnen!"

Die Journalistin und Bloggerin Vanessa Beeley, die letzte Woche in Marat al-Numan war, sagte mir: "Ich kann kategorisch bestätigen, dass die Zentralen der Weißhelme in Maarat al-Numan wie immer Nachbarn der Nusra-Front waren – Tür an Tür." Denken wir daran, wenn wir uns ihre dramatischen Aufnahmen der angeblichen Angriffe vom 22. Juli ansehen. 

Anklagepunkt 2: Ebenfalls "Russische Kriegsverbrechen"

Die zweite Behauptung betrifft einen russischen Luftangriff auf ein Flüchtlingslager in der Nähe von Haas in Idlib, am 16. August 2019, bei dem angeblich 20 Menschen getötet wurden.

Der Abschnitt der Kommission zu dieser Anschuldigung ist lang. Er bietet Einzelheiten darüber, wie es dazu kam, dass Menschen auf diesem Gelände lebten. Einzelheiten über die umliegenden Äcker und Felder. Darüber, dass Kinder im Sommer auf auf dem Gelände spielten, und dass es dort einen Kindergarten und Schulen gab – sogar einen Gebetsraum!

Solche Detailis zeichnen ein sehr intimes Bild. Wir können uns den Schauplatz vorstellen und nachfolgend den Schrecken. Doch wo der Bericht mit solchen Details nicht geizt, fehlt es ihm an einer ziemlich wichtigen Sache: an Beweisen. Er gibt die angeblichen Ereignisse wieder, gibt aber wiederum keine Einzelheiten darüber preis, wer die zitierten Quellen sind oder warum sie glaubwürdig sein sollen. Dies ist in gravierendes Manko, zumal Idlib unter der Kontrolle von Al-Qaida steht.

Nachdem ich mich mit früherer anti-syrischer Kriegspropaganda befasst habe, darunter auch mit Artikeln der New York Times, habe ich festgestellt, dass die zitierten Quellen immer wieder unweigerlich eine Loyalität zu terroristischen Gruppen offenbaren. Was die zweite Behauptung betrifft, so bezieht sich auch dieser Bericht auf abgefangene Kommunikation "in russischer Sprache". Dies ist eine Behauptung, die der des russischen Verteidigungsministeriums über die Kommunikationspolitik seiner Piloten diametral entgegensteht.

Auch diesem Teil des Berichts fehlt jegliches visuelle Material, das ihn stützen würde. Tatsächlich wird auf den gesamten 24 Seiten nur ein einziges Foto gezeigt: eine detaillierte Karte Syriens. Wir sollen also den Worten der Kommission einfach nur Glauben schenken.

Es ist wohl möglich, dass sich die UN-Kommission auch auf den entsprechenden Bericht von Human Rights Watch stützte.Doch ist auch dieser Bericht voll von anonymen Quellen und bar jeglicher Namen und Beweise. Und auf der Grundlage all dieser vagen Punkte kam die UN-Kommission nun zu dem Schluss, dass "vernünftige Gründe für die Annahme" vorliegen, dass Russland Kriegsverbrechen begangen habe.

Seit wann geben wir uns mit so etwas nicht zufrieden? Oder wie sehen Sie das? Denken wir nur an die Massenvernichtungswaffen im Irak...  

Berichte der Kommission zu Kriegsverbrechen

Da das Mandat der Kommission darin besteht, zu allen Kriegsverbrechen in Syrien seit dem Jahre 2011 zu berichten, könnte man sich vorstellen, sie hätte allerhand Berichte zu Massakern vorzuweisen, die von Terroristen begangen wurden: Unter anderem wären da die unaufhörlichen Enthauptungen, Vergewaltigungen, öffentlichen Hinrichtungen, Folter,die geheimen Gefängnisse (auch unter Krankenhäusern), Einsperrung von Zivilisten in Käfige und ihre Verwendung als menschliche Schutzschilde.

Doch wenn man in den Archiven der Kommission stöbert, findet man nur Berichte, die die jeweils populäre Kriegspropaganda widerspiegeln. Diese verunglimpfen die wichtigsten Parteien, die gegen Al-Qaida, die Terrormiliz Islamischer Staat und andere Terroristen in Syrien kämpfen: Syrien und Russland.

Der neueste Bericht deckt den Zeitraum vom Juli 2019 bis Januar 2020 ab. Darin wird zwar in zwei Worten die Präsenz von Al-Qaida in Idlib eingeräumt, er beleuchtet aber nicht den Schrecken, der dort Zivilisten widerfährt, die von Al-Qaida & Co. in den von ihnen kontrollierten Gebieten ins Visier genommen werden, was Kollegen und ich getan haben.

Und natürlich habe ich nirgendwo Berichte über die Artilleriebeschüsse der Zivilbevölkerung in Aleppo durch die Terroristen finden können. Diese ereigneten sich routinemäßig seit der Befreiung der Stadt Aleppo Ende 2016 bis vor kurzem, als Aleppos Umgebung endlich wieder zu friedlichem Leben zurückkehren konnte – und das alles unter ohrenbetäubendem Schweigen der Konzernmedien.

Anschuldigungen wegen Kriegsverbrechen sind eine ernste Angelegenheit, die handfeste, transparente und stichhaltige Beweise erfordert. Nach dem, was die UNO vorgelegt hat, gibt es keine solchen klaren Beweise. Stattdessen gibt es eine Menge "Wir sagen das so!" – und ansonsten herrscht ein Vertrauen in Quellen und Zeugen, die nicht genannt werden und möglicherweise mit Al-Qaida in Verbindung stehen. Vor welchem Gericht der Welt würden solche Quellen als akzeptabel durchgehen?

Wenn es um ihre Anschuldigungen gegen Syrien und Russland geht spielen die UNO, die USA und die westlichen Medien das Spiel der Umkehrung der Beweislast mit ihrem "Grundsatz der Schuldvermutung". Doch sie selbst sind es, die sich vermehrt schuldig gemacht haben – schuldig der Kriegspropaganda und der Weißmalerei des Terrorismus in Syrien.

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen.Eva Bartlett ist eine unabhängige kanadische Journalistin und Aktivistin. Sie berichtete jahrelang über Konfliktzonen im Nahen Osten, insbesondere in Syrien und Palästina (wo sie fast vier Jahre lang lebte), – direkt vom Ort des Geschehens. Ihren englischsprachigen Twitter-Kanal kann man unter @EvaKBartlett lesen und abonnieren.

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