Meinung

George Galloway: Macron weiß, für Europäer ist das "Problemland" nicht Russland, sondern die USA

Direkt nach der Abreise der G7-Teilnehmer wird dem französischen Präsidenten klar, dass Russland nicht der Feind, sondern ein "zutiefst europäisches Land" ist. Nicht Putin, sondern Trump ist der Feind. Die Entfremdung Russlands nannte er einen "strategischen Fehler".
George Galloway: Macron weiß, für Europäer ist das "Problemland" nicht Russland, sondern die USAQuelle: Reuters

von George Galloway

George Galloway war fast 30 Jahre lang Abgeordneter im Unterhaus des britischen Parlaments. Er ist Filmemacher, Schriftsteller und ein angesehener Redner. Galloway präsentiert auch Fernseh- und Radiosendungen, unter anderem bei RT International.

"Das Ende der westlichen Hegemonie", ich wünschte, Macron hätte dies geschrieben, obwohl er es genauso gut getan haben könnte. Genau das sagte er nach dem G7-Treffen, den man, um es mit den Worten Shakespeare zu sagen, als "viel Lärm um nichts" zusammenfassen könnte. Oder um Sherlock Holmes zu paraphrasieren: eine Geschichte über den Hund, der nicht bellte.

Die meisten der größten Volkswirtschaften der Welt sind keine Mitglieder der G7. Italien jedoch ist es, wenn auch durch einen übergangsweisen Premierminister vertreten und nun technisch bankrott (und im Besitz von genügend französischen Bankengläubigern, um Macron und die gesamte französische Wirtschaft zu ertränken). China, Indien, Brasilien, die Türkei, Südafrika und natürlich Russland sind keine Mitglieder, und während einige bereit waren, als "Gäste" bevormundet zu werden, besaßen andere größeren Stolz.

So wurde beispielsweise das "unsichtbare" Thema der Zerstörung des INF-Vertrags durch die USA und die Ansiedlung von Kurzstreckenraketen in Polen und Rumänien durch die NATO – obwohl sie eine klare und gegenwärtige Gefahr für den Frieden der Welt darstellen – nicht angesprochen. In ähnlicher Weise konnten die Handelskriege, die derzeit die Weltwirtschaft erschüttern, nicht richtig behandelt werden, da China und andere Ziele der US-Sanktionen nicht anwesend waren.

Umso bemerkenswerter war es dann, dass, sobald die Teilnehmer und Gäste Frankreich verlassen hatten, Präsident Macron einige der schicksalhaftesten Bemerkungen seiner Präsidentschaft machte.

Er tadelte diejenigen, die Russland "weggestoßen" und die sich des "strategischen Fehlers" der Entfremdung Russlands schuldig gemacht hätten. Macron sagte, der Aufstieg Chinas und Russlands bedeute, "dass wir am Ende der westlichen Hegemonie leben".

Und er beschrieb Russland als ein "zutiefst europäisches Land". Angesichts der Tatsache, dass Russland das größte Land Europas ist, werden Sie sich vielleicht fragen, warum es so lange gedauert hat, bis Macron sich dieser offensichtlichen historischen und geographischen Wahrheiten klar wurde, und warum seine Kollegen diese noch immer nicht sehen.

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Nun, die Antwort ist kompliziert. Die westlichen Führer wissen sicherlich, dass das Ende der Hegemonie bereits da ist – man kann sagen, dass sie vor den Toren von Damaskus starb, als die Syrisch-Arabische Armee und ihre russischen und anderen Verbündeten den unaufhaltsamen Vormarsch der vom Westen unterstützten islamistischen Fanatiker zum Rückzug zwangen und sich der Verlauf des Krieges änderte. Eine Reihe gescheiterter Operationen für "Regierungswechsel" vom Jemen bis Venezuela waren eine weitere Bestätigung.

Das völlige Scheitern der Versuche, Russland wegen der Krim zu "bestrafen", der Durchbruch von Nord Stream 2, der anhaltende Aufstieg Chinas und sein Potenzial, die amerikanische Wirtschaft durch Vergeltungsmaßnahmen gegen US-Sanktionen in einem Wahljahr zu schwächen, waren offensichtliche Anzeichen.

Und so ist ein Teil dessen, was Macrons Rede liefert, dass einer der Kaiser zugibt, dass das Imperium zumindest noch seine Unterbekleidung trägt. Und das ist kein schöner Anblick.


Die Angst vor der zunehmenden Nähe zwischen Russland und China ist eine weitere traditionell französische Voreingenommenheit. Ein Blick auf die Karte zeigt den schieren Gigantismus der Landmasse der beiden benachbarten Länder, und der Blick auf die Bevölkerungsdiagramme offenbart die globale Bedeutung Chinas und Russlands als enge Verbündete. Oder mit Blick auf die Wirtschaftsstatistiken, um das außerordentliche Potenzial der beiden eng zusammenarbeitenden Volkswirtschaften zu sehen, im Vergleich zu der EU, deren Länder sich nun alle entweder in oder auf dem Weg in eine weitere schwächende Rezession befinden.

Das außenpolitische Ansehen Russlands war selten höher als jetzt. Russland wurde dabei beobachtet, wie es zu seinen Freunden steht, sie beschützt und mit ihnen siegt, während andere nichts als Enttäuschung, ja sogar Verrat mit sich bringen.

Aber Macron hat noch ein anderes Motiv. Er weiß, dass für die große Mehrheit der Europäer – vielleicht vor allem in Frankreich – das "Problemland" nicht Russland, sondern die Vereinigten Staaten sind. Nicht Putin, sondern Trump. Die "Elefant-im-Porzellanladen-Präsidentschaft" von Donald Trump hat eine schon immer latente Feindseligkeit gegenüber der US-Dominanz an die Oberfläche gebracht, die sich über das gesamte politische Spektrum erstreckt, vom Gaullismus bis zur einst mächtigen und Moskau-orientierten Kommunistischen Partei, deren langjähriger Staatschef Georges Marchais der Nächste war, den diese Ideologie an einem Anführer mit echter Popularität bei den Massen jemals im Westen hatte.

Und diese Sorge, fast schon Angst, vor der Rücksichtslosigkeit der USA wächst in allen europäischen Ländern rapide. Was auch immer Macrons Motivation ist und wie viele andere Sünden er begangen hat und weiterhin begeht, lassen Sie uns nicht kleinlich sein. Schließlich gibt es im Himmel mehr Freude über einen Sünder, der umkehrt, als über 99 Gerechte, die der Umkehr nicht bedürfen.

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