Meinung

Die Zukunft heißt China und Afrika

In Peking wurde gerade die Partnerschaft zwischen Afrika und China entscheidend vorangetrieben. Das Wirtschaftswunder Chinas ist für Afrika zur Orientierung für seine eigene Zukunft geworden. Der Westen sollte von hysterischen Bemerkungen ablassen und stärker kooperieren.
Die Zukunft heißt China und AfrikaQuelle: Reuters © Reuters

von Stephan Ossenkopp

Staats- und Regierungschefs aus 53 afrikanischen Nationen brachte das Forum On China Africa Cooperation (FOCAC) am 3. und 4. September in der chinesischen Hauptstadt zusammen. Der chinesische Präsident Xi Jinping persönlich hatte den Vorsitz inne bei dieser herausragenden Konferenz, die eine neue Dynamik in der Partnerschaft zwischen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und dem Kontinent mit den meisten Entwicklungsländern angestoßen hat. Während die Meinungsseiten der hiesigen Presse überwiegend arrogante Häme und dreiste Verdrehungen ausschütten, wie die absurden Kommentare von Zeit-Herausgeber Josef Joffe und anderen über einen angeblich chinesischen Kolonialismus, zeigen die Stimmen der Beteiligten aus Afrika und China eine völlig andere Realität.

Präsident Cyril Ramaphosa, dessen Land Südafrika gerade den Vorsitz der BRICS-Staatengemeinschaft ausübt, wies die westlichen Vorwürfe zurück, und sprach von der gemeinsamen Vision eines integrierten, wohlhabenden und friedlichen Afrika. Der Chef der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, sagte, die chinesisch-afrikanische Partnerschaft könne die weltweiten politischen Beziehungen neuordnen.

In seiner Eröffnungsrede am Montag kündigte Präsident Xi Jinping einen Aktionsplan an, der vorsieht, in den kommenden drei Jahren 60 Mrd. US-Dollar in Form von Zuwendungen, Krediten, Sonderfonds und Exportfinanzierung in Afrika zu investieren. „Wir heißen Afrika willkommen an Bord des Schnellzugs der chinesischen Entwicklung“, betonte Xi, der damit das auf Infrastrukturbau und Industrialisierung fußende chinesische Wirtschaftswunder vor Augen führte, welches laut Angaben der Weltbank über 750 Millionen Chinesen aus der Armut geholt hat.

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Der Aktionsplan sieht neben neuen Bahn-, Hafen-, und Städtebauprojekten zudem die Schaffung einer China-Afrika Industriemesse, 50 Programme zur Landwirtschaftshilfe, 50 Umweltschutzprogramme, die Steigerung des Exports afrikanischer Waren aus Nicht-Rohstoffsektoren, 10 Programme zur dualen Ausbildung im Innovationssektor, 50.000 Stipendien, Gesundheitshilfeprogramme, und eine Anti-Terror-Kooperation vor. In bilateralen Abkommen wurden zudem der Bau eines modernen 6,6 Gigawatt Kohlekraftwerks in Ägypten und eines 2,8 Mrd. Dollar schweren Pipeline-Projekts in Nigeria vereinbart.

Stelldichein in Peking: Der China-Afrika-Gipfel

Wenn einige westliche Kommentatoren angesichts dieser Entwicklungen nun überrascht tun oder gar in Rage geraten, haben sie ihre Zeit zu lange mit Phantasien über die ewige Dominanz der sogenannten „westlichen Wertegemeinschaft“ vertrödelt. Diese angeblichen Werte wurden doch bereits längst dem Goldenen Kalb der globalisierten Finanzmärkte geopfert. In Afrika und anderen Regionen der Erde blieb es dunkel, während Spekulationsorgien an der Wall Street und der City of London einige Eingeweihte märchenhaft reich machten. Brotkrumen der Mildtätigkeit streute man auf die ein oder andere humanitäre Krise, doch grundlegend verändert hat dies nichts an der Armut, dem Hunger, den Epidemien und der Hoffnungslosigkeit der meisten Entwicklungsländer.

Ob der Westen es wahrhaben will oder nicht: China hat einen anderen Ansatz. Da es selbst lange Zeit Opfer des Kolonialismus gewesen und bis vor rund 40 Jahren selbst extrem arm gewesen ist, hat es eine andere Beziehung zu Afrika als die ehemaligen Kolonialmächte in Europa. Nach dem offiziellen Ende des Kolonialismus mit der Gründung der Organisation Afrikanischer Staaten nahm China diplomatische Beziehungen mit einer ganzen Reihe afrikanischer Staaten auf. Deswegen erinnerte Südafrikas Präsident Ramaphosa in seiner Rede beim FOCAC Forum an die Afrika-Reise des chinesischen Ministerpräsidenten Zhou Enlai in den 1960er Jahren, und fügte hinzu: „FOCAC widerlegt die Sicht, dass ein neuer Kolonialismus in Afrika um sich greift, wie unsere Lästerer und Verleumder uns gerne glauben machen wollen.“

Bei der ersten FOCAC-Ministerkonferenz im Oktober 2000 zwischen Ministern aus China and 44 afrikanischen Staaten einigte man sich darauf, enger in allen wirtschaftlichen und sozialen Fragen zusammenzuarbeiten und die langjährigen China-Afrika Beziehungen für das 21ste Jahrhundert auszuformulieren: „Angesichts der heutigen ungerechten und unfairen Weltordnung sollten sich China und afrikanische Länder für die Errichtung einer neuen Weltordnung einsetzen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht,“ hieß es in der damaligen Abschlusserklärung.

Diese neue Ordnung solle auf Handel und Zusammenarbeit in Technologie- und Infrastrukturprojekten gegründet werden. Seitdem hat sich FOCAC zu einem dynamischen Zentrum des Austauschs auf höchster Ebene entwickelt. Xi Jinpings Afrikareisen 2013 und 2018 im Vorfeld des BRICS Gipfels haben diese Kooperation zusätzlich verstärkt, vor allem, da er allen Staaten Afrikas die Teilnahme an der Belt and Road Initiative (BRI) anbot, dem derzeit weltweit größten Kooperationsprogramm für Infrastruktur-Konnektivität. Im Vorfeld des diesjährigen FOCAC Gipfels gab der ehemalige chinesische Vizeaußenminister He Yafei bekannt, neun afrikanische Staaten hätten bislang ein BRI-Memorandum mit China unterzeichnet, und 20 weitere führten derzeit Gespräche darüber.

Perspektive mit Weitblick: Die Agenda 2063

Neben den gemeinsamen Wurzeln und den bisher erzielten Errungenschaften sind es aber vor allem die Zukunftspläne, die Afrika geistig mit China verbindet. Die 2013 veröffentlichte feierliche Erklärung zum 50-jährigen Jubiläum der Gründung der Afrikanischen Union betonte, dass Afrika sich als Wiege der Menschheit und als ein Zentrum der Zivilisation versteht. Nach langjährigem Kampf gegen seine Entmenschlichung durch Sklaverei, Apartheid und Kolonialismus gab sich Afrika mit der Agenda 2063 einen strategischen Fahrplan und eine optimistische Vision für seine Entwicklung. Während China seine aufrichtige und pragmatische Unterstützung für Afrikas Ambitionen anbot, hat der Westen größtenteils dabei versagt, einem von ihm geplünderten und bis heute in Armut gehaltenen Afrika eine ehrliche Entwicklungspartnerschaft anzubieten, die ihren Namen verdient hätte.

Die Agenda 2063 strebt nach einem geeinten und integrierten Afrika, das sich selbst verwaltet und souverän ist. Sie sieht Investitionen in Bildung und Weiterbildung in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Innovation vor, einschließlich in die Raumfahrt- und Satellitentechnik zum Einsatz bei der Modernisierung der Landwirtschaft, bei Naturkatastrophen-Management, Fernerkundung, Wetter- und Klimavorhersagen.

Man sollte sich die Flagship Projekte des ersten Zehn-Jahresplans der Agenda 2063 anschauen, der anstrebt, alle Hauptstädte und Handelsknotenpunkte Afrikas mit Hochgeschwindigkeitsbahnen zu verbinden, die Industrialisierung voranzutreiben, Produktionskapazitäten zu erhöhen und die Integration afrikanischer Industrieunternehmen in die globale Wertschöpfungskette zu begünstigen. Weitere Elemente sind die Gründung einer afrikanischen Entwicklungsbank, der Entwicklung eines kontinentalen Breitband-Internets und die Wiederherstellung der kulturellen Identität, des Erbes, der Geschichte und der Werte Afrikas.

Neue Seidenstraße in Afrika

Professor He Wenping, Direktorin des Instituts für Westasien- und Afrikastudien an der Chinese Academy of Social Sciences (CASS), wies in einem Meinungsaustausch darauf hin, dass neben der Festigung der traditionellen Freundschaft zwischen China und Afrika, und zusätzlich zur Weiterführung der Agenda 2063 das wichtigste Ziel beim diesjährigen FOCAC-Gipfel sei, „die Belt and Road Initiative mit der Entwicklung Afrikas zu verknüpfen.“ Der auch als Neue Seidenstraße bekannt gewordene chinesische Plan sieht nicht nur vor, Eurasien infrastrukturell zu vernetzen, sondern auch die afrikanischen und lateinamerikanischen Kontinente durch See- und Landverbindungen miteinander zu integrieren, um so ein neues Geflecht aus Entwicklungs- Handels- und Diplomatiebeziehungen aufzubauen, das die als gescheitert angesehene transatlantische Weltordnung ablöst.

„Der Bau von Infrastruktur und Industrieparks, das sind die beiden hauptsächlichen Triebkräfte. Aber auch in Bereichen wie Kulturaustausch und bei der Zusammenarbeit im Landwirtschaftssektor wurde großer Fortschritt erzielt,“ ergänzt Frau Prof. He. Die Sache funktioniert: die China-Afrika Handelsbilanz fiel in der ersten Jahreshälfte 2018 mit 116 Mrd. US-Dollar um 19% höher aus als im Vergleich des Vorjahreszeitraums, wobei Importe und Exporte nahezu ausgeglichen sind.

Der algerische Botschafter in Peking, Achene Boukhelfa, erwähnte gegenüber der Tageszeitung China Daily, die Gesamtlänge der von China in Afrika gebauten Straßen und Schienenwege betrage bereits über 5000 km. Der jüngste Besuch von Präsident Xi Jinping in Ruanda führte zur Unterzeichnung von 15 bilateralen Investmentverträgen in die Bereiche Handel, Infrastruktur, Kultur und wissenschaftliche Zusammenarbeit. Ruanda ist ein eher kleines, rohstoffarmes Land, und trotzdem haben chinesische Unternehmen bereits über 350 Millionen Dollar in Tourismus-, Bergbau-, und Infrastrukturbauprojekte investiert.

Präsident Emerson Mnangagwa aus Simbabwe sagte in seiner FOCAC-Rede: „Die Belt and Road Initiative hat jeden an Bord geholt, so dass unsere Volkswirtschaften im Dialog miteinander sind. Wir können uns gegenseitig modernisieren und mechanisieren. Wir verbinden uns miteinander und ziehen alle gemeinsam Vorteile daraus.“ Man werde nun „Entwicklungssprünge machen und das Zeitalter einer modernen Wirtschaft betreten.“

Was macht Deutschland?

Die Afrika-Initiativen der deutschen Bundesregierung, die unter den Schlagworten „Marshall-Plan“ oder „Compact with Africa“ lanciert worden sind, hätten zwar große Erwartungen geschürt, an den Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen aber nichts Grundsätzliches geändert, lautet die weit verbreitete Meinung in der deutschen Industrie. Es gäbe so gut wie keine langfristigen Finanzierungsmodelle und die schwierigen Auflagen, um an Exportkreditversicherungen zu gelangen, verstünden selbst wir in Deutschland nicht, so hört man.

Die deutsche Wirtschaft sei für solch ein großes Engagement in afrikanischen Ländern einfach viel zu risikoscheu und schalte sich erst dann ein, wenn  China und andere bereits die infrastrukturellen Grundlagen auf die Beine gestellt hätten, sagt ein Vertreter eines etablierten, großen internationalen Technologieunternehmens in einem Hintergrundgespräch. Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, die mittelständischen Unternehmen, halte sich bei größeren und vor allem längerfristigen Vorhaben weitgehend zurück. Auch die finanzielle Ausstattung der Ministerien sei mit Blick auf Afrika eher dünn, z.B. beim Bundesministerium für Wirtschaft nur 30 Millionen Euro.

Das Entwicklungsministerium und seine Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit biete nur minimale Möglichkeiten des Andockens. Außerdem erschienen die Deutschen zu oft nur mit dem erhobenen Zeigefinger und verlangten die „Einführung von Demokratie“. Eine Grundsatzdebatte steht im Westen also an: will man die Errichtung einer Weltwirtschaftsordnung, die die Interessen Afrikas und anderer Entwicklungskontinente in Betracht zieht, unterstützen und sich langfristig einbringen? Oder beharrt man auf der Lebenslüge, die Vorstellungen der „westlichen Wertegemeinschaft“ seien der einzige zur Seligkeit aller Völker führende Weg? Eine ehrliche Antwort auf diese historische Frage steht jetzt an, und nur Fanatiker mit unqualifizierten Kommentaren können sich ihr entziehen.

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