Meinung

Doppel-Wumms: Nach Russland sagt Pistorius auch China den Kampf an

Nachdem er die Deutschen auf einen bevorstehenden Krieg mit Russland eingeschworen hat, knüpft sich Boris Pistorius mit China den nächsten Kontrahenten vor. Er beweist dabei einmal mehr seinen eigenwilligen Umgang mit den Tatsachen. Und das ZDF ist bei der Stimmungsmache gerne behilflich.
Doppel-Wumms: Nach Russland sagt Pistorius auch China den Kampf anQuelle: Gettyimages.ru © Soeren Stache/picture alliance via Getty Images

Von Achim Detjen

Deutschland und seine Bevölkerung müssen laut Boris Pistorius innerhalb der nächsten fünf Jahre "kriegstüchtig" werden, denn 2029 drohe ein Krieg mit Russland. Wie der Verteidigungsminister zu dieser Erkenntnis gelangt ist, bleibt sein Geheimnis. Denn mit Begründungen, warum ein Krieg gegen Russland unvermeidlich sei, hält sich Pistorius nicht auf – Hauptsache Deutschland bereitet sich darauf vor.

Aber Russland als Feind, das ist dem SPD-Politiker offenbar zu wenig. Er will die Deutschen auch gegen China in Stellung bringen. Und zu diesem Zweck hat das heute journal im ZDF am Donnerstagabend bereitwillig einen als Nachricht schlecht kaschierten Pistorius-Werbeclip gesendet, der das Einschwören der Bevölkerung gegen China in Szene setzt: 

"Der Indo-Pazifik erstreckt sich von Indien bis nach Amerika und dazu gehört auch das Südchinesische Meer. Hier verstärkt China zunehmend seine militärische Präsenz. Auf Hawaii findet unter Führung der USA das RIMPAC-Manöver statt, mit rund 25.000 Soldaten aus 29 Nationen. Erstmals ist auch Deutschland dabei."

Mit diesen Worten leitet das ZDF seinen Beitrag über die Hawaii-Reise von Pistorius ein und gibt dessen Zielrichtung vor: Es geht gegen China, das als Aggressor erscheint, weil es seine "militärische Präsenz" in der Region ausbaue.

Der Beitrag startet mit einem "bewegenden Moment" für Pistorius, der gemeinsam mit einem US-Admiral Blumen an der Stelle ins Wasser streut, an der 1941 Hunderte von US-Soldaten bei Japans Angriff auf Pearl Harbor starben. Pistorius sieht in der Geste auch "ein Zeichen in die Zukunft, dass so etwas nicht nur nicht wieder passieren darf auf amerikanischen Boden, sondern dass es eben auch um die Freundschaften und Allianzen geht, die daraus entstanden sind". 

"Und so leiten sich für den deutschen Verteidigungsminister geradezu in einer Linie die heutige Unterstützung Deutschlands für die USA im Indio-Pazifik ab", wird in dem ZDF-Werbeclip fortgefahren, in dem sodann der deutsche Beitrag am RIMPAC-Manöver aufgezählt wird: "Eine Fregatte, ein Versorgungsschiff sowie drei Eurofighter in der Luft nehmen erstmals am größten Seemanöver der Welt teil – auch um China mit seiner aggressiven Haltung in die Schranken zu weisen."

Danach kommt wieder der Verteidigungsminister zu Wort, laut dem die freie Schiffsdurchfahrt durch das Südchinesische Meer von Peking bedroht sei: "Wenn wir dafür Sorge tragen, dass die Durchfahrt durch das Südchinesische Meer gewährleistet bleibt, durch unsere Präsenz, durch klares Zeigen von Flagge, und durch Übernahme von Verantwortung, dann sind das die Signale, die auf allen Seiten verstanden werden."

"Was das in letzter Konsequenz heißt, ob Waffengewalt ein Mittel ist?", da legt sich Pistorius nicht fest. Ist das doch eine Frage, die in der deutschen Politik zu den umstrittensten gehört", führt der heute journal-Sprecher dazu aus und lässt anschließend Politiker zu Wort kommen, die Pistorius auf seiner Reise begleitet haben – und die alle in dasselbe Horn stoßen: Es bedürfe der Demonstration militärischer Stärke, notfalls auch Waffengewalt, um China daran zu hindern, die freie Schifffahrt einzuschränken.

"Das Wichtigste ist eben, diese Präsenz im Vorfeld zu zeigen, damit es nicht zur militärischen Eskalation kommt", so der Grünen-Politiker Tobias Bacherle. "Diese Präsenz bedeutet ein klares Signal an alle hier, die jetzt schon unter den Einschüchterungen oder auch direkter Konfrontation unterschiedlicher Staaten, und vor allem denkt man dann an China, leiden."

Deutlicher wurde der CDU-Politiker Ingo Gädechens, der schon mal vorsorglich für einen Waffengang gegen China trommelt:

"Im Grunde genommen müssen wir dann internationales Recht dann in der Gemeinschaft, auch Nationen der Willigen, diese freien Handelswege mit Waffengewalt verteidigen."

"Freiheit der Schifffahrt" – Blendwerk zur Rechtfertigung 

Die "Freiheit der Schifffahrt" ("Freedom of Navigation") ist das Stichwort, mit dem die USA und ihre Verbündeten den Ausbau ihrer militärischen Präsenz vor Chinas Küste rechtfertigen – und sich dabei als Hüter des Rechts gerieren. 

Zwar hat China im Südchinesischen Meer, das es zum Großteil für sich reklamiert, an mehreren Riffen Land aufgeschüttet und Militäranlagen gebaut, was sowohl Nachbarländer als auch der US-geführte Westen als illegitim betrachten, doch die freie Durchfahrt von Handelsschiffen hat Peking nie zur Disposition gestellt. 

Denn gerade China ist auf diese Handelswege elementar angewiesen, eine militärische Eskalation, die zu einer Blockade der Schifffahrt im Südchinesischen Meer führen würde, wäre für das Land verheerend. Washington ist sich dieser "geopolitischen Achillesferse" bewusst, die die Meeresengen in der Region für Peking darstellen – und lässt das China mit seinen "Freedom of Navigation Operations" (FONOP) immer wieder spüren, bei denen US-Kriegsschiffe das Meer nahe der chinesischen Küste passieren, auch entlang der Straße von Taiwan.

China sieht darin eine Provokation und einen Verstoß gegen das Seerechtsübereinkommen (SRÜ). Dieses gewährt "die Freiheit der Schifffahrt aller Staaten in der Hohen See und in den bis zu 200 Seemeilen umfassenden Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ)", wie das zur Leibniz-Gesellschaft gehörende German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in einem Artikel darlegt. "In der AWZ haben Küstenstaaten keine Souveränität, sondern lediglich funktional begrenzte souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse."

Anders sieht es aber in dem bis zu zwölf Seemeilen umfassenden Küstenmeer und "in den landwärts von normalen oder geraden Basislinien (also den Linien, die als Bezugspunkt für die Bemessung der Meereszonen gelten) gelegenen inneren Gewässern" aus, wo die Küstenstaaten Souveränität genießen.

Diese wird lediglich durch das Recht der "friedlichen Durchfahrt" durch das Küstenmeer eingeschränkt. Doch dieses Recht aller Schiffe muss "ohne Unterbrechung und zügig" ausgeübt werden und darf "nicht den Frieden, die Ordnung oder die Sicherheit des Küstenstaats beeinträchtigen". Verschiedene Aktivitäten wie der Betrieb von seegestützten Luftfahrzeugen, Forschung und das Sammeln von Informationen zu militärischen Zwecken sind ausgeschlossen.

FONOP-Einsätze der US-Marine destabilisieren die Region 

Da die US-Marine bei ihren FONOP-Einsätzen stets betont, dass damit auch ein abschreckendes Signal an Peking gesendet werden soll und es dabei auch nicht unterlässt, "Informationen zu militärischen Zwecken" zu sammeln, kann von der proklamierten "friedlichen Durchfahrt" kaum eine Rede sein. 

"Die Vereinigten Staaten haben die Freiheit der kommerziellen Schifffahrt geschickt mit der Freiheit, provokative militärische Nachrichten-, Überwachungs- und Aufklärungsaktivitäten (ISR) durchzuführen, in einen Topf geworfen. Das Argument der USA lautet, dass die Freiheit der Schifffahrt unteilbar ist und sowohl die kommerzielle Schifffahrt als auch die US-amerikanischen ISR-Erkundungen umfasst (…) China argumentiert jedoch, dass es nicht die Freiheit der Schifffahrt selbst infrage stellt, sondern nur den Missbrauch dieses Rechts durch das US-Militär in seiner AWZ", heißt es in einer bereits 2017 veröffentlichten Analyse im East Asia Forum, die bis heute ihre Gültigkeit bewahrt hat. 

Für Spannungen sorgen vor allen die FONOP-Einsätze der USA in der Straße von Taiwan. Washington bekennt sich zwar offiziell zu dem "Ein-China-Prinzip", wonach Taiwan völkerrechtlich zu China gehört, in der Praxis lassen die Amerikaner ihren Worten aber keine Taten folgen. Denn wäre dem so, müssten sie die Meeresenge als chinesisches Territorium akzeptieren und dementsprechend bei jedweder Durchfahrt mit ihren Kriegsschiffen um die Erlaubnis Chinas fragen.  

Peking wird nicht müde zu betonen, was der damalige Sprecher des Außenministeriums Wang Wenbin bereits im Jahr 2022 zum Ausdruck brachte: "Taiwan ist ein unveräußerlicher Teil des chinesischen Hoheitsgebiets. Die Straße von Taiwan ist an ihrer schmalsten Stelle etwa 70 Seemeilen und an ihrer breitesten Stelle 220 Seemeilen breit. Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und den chinesischen Gesetzen sind die Gewässer der Straße von Taiwan, die sich von beiden Ufern bis zur Mitte der Straße erstrecken, in mehrere Zonen unterteilt, darunter die inneren Gewässer, das Küstenmeer, die angrenzende Zone und die Ausschließliche Wirtschaftszone. China hat die Souveränität, die Hoheitsrechte und die Gerichtsbarkeit über die Straße von Taiwan."

Und auch GIGA, das das Auswärtige Amt und die Bundesregierung berät und einer China-freundlichen Haltung unverdächtig ist, sieht diese Einsätze der US-Marine skeptisch: "Offiziell dienen diese FONOPs rechtlichen Zielen. Vor dem Hintergrund der einführend beschriebenen politischen Veränderungen sind die Marineoperationen de facto jedoch zu Mitteln regionaler Machtpolitik und Teil von geopolitischen Strategien geworden (…) angeblich mit dem Ziel, die Herrschaft des Rechts gegenüber der Herrschaft der Gewalt zu stärken, erscheinen sie stattdessen als 'Lawfare' – ein Begriff, der für die Instrumentalisierung des Rechts zur Verfolgung von politischen Partikularinteressen, auch mit militärischen Mitteln, steht."

Wenn man wie im Fall der USA "die Freiheit der Schifffahrt für Kriegsschiffe mit der angeblich generell bedrohten Freiheit der Meere als globalem Allgemeingut gleichsetzt, so stellt dies jegliche Bemühungen auf den Kopf, die Herrschaft des Rechts gegenüber der Herrschaft der Gewalt zu stärken. Diese geopolitische Sichtweise erhebt die Möglichkeit militärischer Gewaltanwendung zum einzig effektiven Mittel der Politik".

Pistorius: Ein transatlantischer Vasall auf Kriegskurs

Als treuer transatlantischer Vasall ist Pistorius nur allzu bereit, Deutschland als Erfüllungsgehilfen der USA in einen Konflikt mit China hineinzumanövrieren. Und dabei lehnt er sich zuweilen auch weiter aus dem Fenster als die US-"Partner". So frohlockte ZDFheute in einem Online-Beitrag, dass China zwar im offiziellen Szenario von RIMPAC keine Rolle spiele, sich der deutsche Minister aber nicht scheue, "den Elefanten im Raum zu benennen": "Es geht darum, uns der Herausforderung zu stellen, vor der wir stehen, denn China verfolgt hier in der Region seine Politik", zitiert der Sender Pistorius. 

Man sollte sich die Aussage auf der Zunge zergehen lassen: Wenn China vor seiner eigenen Haustür "seine Politik" verfolgt, dann betrachtet Pistorius das als Herausforderung. Man mag sich gar nicht ausmalen, was im Oberstübchen des Ministers so alles los wäre, würde China seine Politik mittels seiner Kriegsmarine vor der Küste der USA verfolgen. 

Dass es Pistorius nicht um Völkerrecht oder das Seerechtsübereinkommen geht, macht seine folgende Aussage deutlich: "Und wir müssen zeigen, dass wir zusammenstehen, alle Partner, die die regelbasierte internationale Ordnung verteidigen."

"Regelbasierte Ordnung" ist eine Chiffre für das Privileg der USA, nach eigenem Gutdünken dem Rest der Welt Regeln vorzuschreiben, an die sie sich selbst nur bei Bedarf halten. Entsprechend geht es bei den "Freedom of Navigation Operations" auch nicht um die freie Durchfahrt für beliebige Schiffe, sondern nur um die freie Durchfahrt von US-Kriegsschiffen in Regionen, in denen sie nichts verloren haben.

Und weil selbst schlichte Gemüter auf die Idee kommen könnten, dass der Aggressor derjenige ist, der mit seinem Militär zigtausende Kilometer von seiner Heimat entfernt anderen auf die Pelle rückt, streuen deutsche Politiker und Regierungssender dem Publikum Sand in die Augen mit dem Narrativ, die freie Schifffahrt müsse gegen China verteidigt werden. Allen voran der Kriegstüchtigkeitsminister. 

Mehr zum ThemaZusammenprall zweier Ordnungsmodelle: Der Konflikt um das Südchinesische Meer

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.