Meinung

Raketenangriff auf ukrainisches Kinderkrankenhaus: Der Russe war's (mal wieder)!

Nachdem ein ukrainisches Kinderkrankenhaus von einer Rakete getroffen wurde, war im Westen sofort klar: Der Russe war's. Dieser Reflex zeigt, wie tief die Propaganda in die Köpfe der Menschen eingedrungen ist.
Raketenangriff auf ukrainisches Kinderkrankenhaus: Der Russe war's (mal wieder)!Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Andreas Stroh

Von Tom J. Wellbrock 

Seit bekannt wurde, dass ein Kinderkrankenhaus in der Ukraine von einer Rakete getroffen wurde, toben in Deutschland Medien und Politiker gleichermaßen. Sofort nach dem tragischen Ereignis war irgendjemand zur Stelle, der behauptete, der Angriff wurde gezielt von den Russen verübt. Verifiziert? War das natürlich nicht, im Jahr 2024 wird die Überprüfung einer Meldung ohnehin überbewertet.  

Doch es waren nicht nur Mainstreammedien oder politische Hardliner, die in den Chor der Empörten einstimmten. Auch vermeintlich reflektierende Akteure gaben sich der Entrüstung hin, etwa Fabio De Masi vom "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW), der auf "X" kundtat:  

Bekanntlich stellte sich später heraus, dass die Sachlage so deutlich wie zunächst angenommen, doch nicht war (was De Masi weder ein Wort wert war noch zur nachträglichen Löschung seines unverschämten Tweets führte). Von einer ukrainischen Abwehrrakete war nun plötzlich die Rede, die für das Ereignis verantwortlich war. Scott Ritter etwa, ehemaliger US-amerikanischer Offizier und Waffeninspekteur und außerdem ein brillanter Analytiker, ging eher von einer ukrainischen Abwehrrakete mit NATO-Ursprung aus, mit deren Bedienung die ukrainischen Soldaten überfordert waren. Aber das soll hier gar nicht der Punkt sein.  

Vielmehr ist es erstaunlich und erschreckend zugleich, dass es in Deutschland die weitverbreitete Meinung gibt, die Ukraine würde nie lügen. Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Kriege, dass eine Partei vollumfänglich die Wahrheit sagt. Auch De Masi, von dem man eigentlich annehmen sollte, dass er in der Lage ist, billige Propaganda zu erkennen, springt mit auf den Zug der haltlosen Unterstellungen, Verdächtigungen und Behauptungen. 

Dass die Propagandisten ihre Lügen mit breiter Brust präsentieren, kann dabei natürlich nicht überraschen. Es ist ihr Job, den Menschen Sand in die Augen zu streuen und dabei so glaubwürdig wie möglich zu wirken. Sie unterstreichen ihre vermeintliche Glaubwürdigkeit mit einer großen Portion emotionaler Betroffenheit einerseits und in der Regel mit herzergreifenden Bildern andererseits. Auf "X" machte schnell ein Foto die Runde, das ein kleines Kind auf dem Arm seiner Mutter zeigt. Daneben steht ein Mann, der der Vater sein könnte. Alle haben Blut im Gesicht.  

Alles, was zu dem Kinderkrankenhaus aus Kiew gemeldet wurde, hat im westlichen Mainstream Nachrichtenwert. Alles, was aus Moskau kommt, ist übelste Propaganda. Das ist so schlecht und dilettantisch gemacht, dass klar denkende Menschen eigentlich darüber stolpern müssten. Tun aber die wenigsten, und das ist das eigentlich Tragische an dieser Propagandaschlacht.  

Es wäre so einfach, einmal kurz den Kopf zu heben, in die Luft zu schnüffeln und sich zu fragen, warum der angebliche russische Angriff ausgerechnet zu einem Zeitpunkt kam, da der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nach Kiew, Moskau und Peking geflogen ist, um sich um Friedensverhandlungen zu bemühen. Nur ganz kurz könnte man diese Frage doch zumindest stellen und sich für einen Moment lang wundern. Aber nein, auch das ist zu viel verlangt.  

Es wäre auch gar nicht so schwer, sich die Frage zu stellen, was Russland davon hätte, Zivilisten im Allgemeinen und Kinder im Besonderen zu beschießen. Nichts hätte Russland davon, aber noch viel weniger als nichts in Anbetracht der Tatsache, dass die umkämpften Gebiete zu einem großen Teil aus russischsprachiger Bevölkerung bestehen. Kiew hatte 2014 kein Problem damit, den Donbass zu beschießen, denn der Russe an sich ist für ukrainische Faschisten etwas, das ausgelöscht und abgeschafft gehört. Warum allerdings Russen auf Russen schießen sollten, könnte man sich – ausgestattet mit einem Grundverständnis für gesunden Menschenverstand – nicht erklären, und das aus einem einfachen Grund: Es wäre sinnlos, unlogisch, strategisch absurd und politisch dumm. 

Deutschland ist wirklich am Ende. Der Großteil der Menschen frisst brav, was ihnen auf die Zunge gelegt wird, da wird nichts mehr hinterfragt, nichts mehr durchdacht. Und ja, bevor sich die Leser auf mich stürzen, selbstverständlich gilt das nicht für alle Deutschen. Natürlich gibt es eine Menge Leute, die auf diese Propaganda nicht hereinfallen. Aber die vernünftigen Leser mögen mir verzeihen, wenn ich sage: Ihr seid nicht genug, Ihr habt keine Chance, Ihr könnt nicht an diesem Rad drehen, es ist zu groß und zu schwer für Euch. Meine Hoffnung ist, dass irgendwann die kritische Masse erreicht wird, die dann dazu führen wird, dass der Wahnsinn ein Ende findet.  

Aber Stand jetzt handelt es sich um das schlechteste Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Und es geht einen Weg, der mehr und mehr die Augenhöhe zu der dunkelsten Zeit Deutschlands sucht.  

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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