Meinung

Wird Taiwan von Washington "ukrainisiert"?

Taiwans "Unabhängigkeit" bedeutet Krieg. Das hat die Führung der Volksrepublik China sowohl den US-Marionetten in Taiwan als auch deren Puppenspielern in Washington seit Jahrzehnten immer wieder deutlich gemacht. Die scheinen derzeit jedoch fest entschlossen, mit dem Feuer zu spielen.
Wird Taiwan von Washington "ukrainisiert"?Quelle: www.globallookpress.com © Wiktor Dabkowski

Von Rainer Rupp

Die Taiwan-Frage betrifft Chinas Souveränität und territoriale Integrität und sie steht im Zentrum der chinesischen Kerninteressen, sodass kein Raum für Kompromisse bleibt. Das wurde auch von Washington lange Zeit anerkannt und Provokationen unterblieben. Aber seit Präsident Obamas geo-strategischem und militärischem "US-Pivot to Asia" (Schwenk weg von Europa und Hauptaugenmerk auf Asien) fingen anti-chinesische Kräfte im US-Machtapparat wieder an, sezessionistische Kreise in Taiwan zu unterstützen und verstärkt US-Waffenlieferungen an Taiwan zu fordern.

Mit der Machtübernahme in Washington durch die Trump-Regierung im Jahr 2016 nahmen die anti-chinesischen Provokationen von Jahr zu Jahr zu – eine Entwicklung, die sich unter Präsident Biden fortsetzte und in Bezug auf die Taiwan-Frage äußerst gefährliche Dimensionen angenommen hat. Wenn Beobachter heute die Frage stellen, ob Washington eine "Ukrainisierung" Taiwans betreibt, hat das durchaus reale Gründe.

Mit der Ukraine als Rammbock sollte Russland strategisch geschwächt und mit den Handels- und Finanzsanktionen sollte die Wirtschaft ruiniert werden. In diesem Fall haben US/NATO/EU auf der ganzen Linie versagt. Umso erstaunlicher ist es, dass die Anti-China-Strategen in Washington etwas abgeändert dieselbe Masche gegen die Volksrepublik China verfolgen, um Peking geo-politisch zu schwächen und – basierend auf dem falschen Gefühl der Überlegenheit – militärisch zu provozieren.

Die USA und ihr Schoßhündchen in London haben in ihrer Abgehobenheit leider immer noch nicht verstanden, dass alle Versuche, Taiwan zur Eindämmung Chinas zu benutzen, zum Scheitern verurteilt sind. Erste Kommentare aus China, zum Beispiel die der Regierung in Peking nahestehende Global Times, warnen alle "externen Kräfte" die mit der Taiwan-Frage spielen, dass China nicht das Land von vor 100 Jahren ist, und dass auch die Welt von heute nicht mehr die von vor 100 Jahren ist. Jedem ernsthaften Beobachter müsste klar sein, dass die Entschlossenheit der chinesischen Regierung und des chinesischen Volkes, die nationale Wiedervereinigung zu erreichen, unerschütterlich ist. Daher ist zu erwarten, dass Peking jeden Akt der Verletzung des "Ein-China-Prinzips" oder Provokationen durch China feindliche Kräfte in und um Taiwan jedes Mal entschlossen beantworten wird.

95 Prozent der in der UNO vertretenen Staaten der Welt, einschließlich der USA, haben das "Ein-China-Prinzip" anerkannt, das in den letzten 45 Jahren der Anker für die Erhaltung des Friedens in der Straße von Taiwan war. Das Prinzip besagt, dass es nur einen chinesischen Staat gibt, mit der Hauptstadt in Peking. In diesem Staat gibt es allerdings zwei unterschiedliche Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme, eines auf dem Festland, das von Peking aus regiert wird, und das andere in der chinesischen Provinz Taiwan, die von der Inselhauptstadt Taipeh aus geleitet wird. Vorgesehen war und ist gemäß des "Ein-China-Prinzips" eine langfristige, friedliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Annäherung und Integration im Rahmen einer Wiedervereinigung. Über etliche Jahrzehnte fand tatsächlich eine kontinuierliche Annäherung zwischen Taiwan und dem Mutterland China entlang der vorgesehenen Linien statt.

Damit hat nun Taiwans neuer Ministerpräsident von US-Gnaden, Lai Ching-te, in seiner Antrittsrede am 20. Mai in Taipeh endgültig Schluss gemacht. Darin hat er eine radikale und kompromisslos provokative Position gegenüber Peking vertreten. Er hat von zwei Staaten gesprochen und die Unabhängigkeit des angeblich souveränen Taiwans unterstrichen. Zugleich hat er in seiner Rede versucht, die Taiwan-Frage zu "internationalisieren" und unter dem Deckmantel der Demokratie seine sezessionistischen Ambitionen zu rechtfertigen, um zugleich von externen Akteuren (USA und Konsorten) Hilfe zu fordern.

Mit Slogans vom "Aufbau eines demokratischen, friedlichen und wohlhabenden neuen Taiwans" hat Lai Ching-te kaum verhüllt eine neue, für Peking extrem provokative Version der Theorie von "Zwei-chinesischen Staaten" aufgetischt und damit das "Ein-China-Prinzip" aus dem Fenster geworden. Die Reaktion in Peking war entsprechend scharf.

Diese Provokation Lais stelle eine "erhebliche Bedrohung für den Frieden in der Straße von Taiwan und in der Welt dar" und sei "eine ernsthafte Herausforderung für das Ein-China-Prinzip und die derzeitige internationale Ordnung. Taiwan ist ein unveräußerlicher Teil Chinas, eine Tatsache, die von der internationalen Gemeinschaft allgemein anerkannt wird, und alle Versuche sezessionistischer Kräfte, dies zu ändern, sind inakzeptabel", hieß es in der Global Times vom 21. Mai.

Lai übertreibe verzweifelt den so genannten internationalen Status Taiwans und versuche, "mit demokratischer Rhetorik ein international anerkanntes Bild eines 'souveränen Staates' zu konstruieren." Dies verschärfe die Spannungen und die Instabilität in der Straße von Taiwan und "stellt eine ernsthafte Bedrohung für die regionale Stabilität und den Weltfrieden dar", führt das Blatt weiter aus.

Mit Äußerungen wie "das demokratische Taiwan ist ein globaler Leuchtturm" und "Taiwan grüßt eine neue Welt, die Welt grüßt ein neues Taiwan" hülle sich Lai vordergründig in demokratische Werte, aber in Wirklichkeit suche er nach internationaler Unterstützung für "Taiwans Unabhängigkeit". Dieser Ehrgeiz berge die Gefahr, dass er den regionalen und sogar den globalen Frieden und die Stabilität der Region opfert, um seine versteckte politische Sezessions-Agenda zu verwirklichen. Die fehlgeleiteten Worte und Handlungen von Lai brächten Taiwan nicht nur keine wirkliche Sicherheit und keinen Wohlstand, sondern könnten Taiwan stattdessen in eine gefährliche Situation führen und die Bewohner Taiwans in eine Katastrophe stürzen, warnt die Global Times.

Am 23. Mai folgten diesen Worten die ersten Taten. Als Reaktion auf Lais separatistische Äußerungen hat China groß angelegte Militärübungen in der Straße von Taiwan begonnen. Laut Presseerklärung der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA) am Donnerstagmorgen handelt es sich um gemeinsame Militärübungen von Armee, Marine, Luftwaffe und Raketentruppen in Gebieten um Taiwan. Die Übungen finden nicht nur in der Meerenge statt, welche die Insel Taiwan vom chinesischen Festland trennt, sondern auch nördlich, südlich und östlich von Taiwan. Das kann nur als Übung zur Luft- und See-Blockade der gesamten Insel gedeutet und als Warnung an Lai gesehen werden.

Zugleich sind die Gewässer um die Taiwan vorgelagerten Inseln Kinmen, Matsu, Wuqiu und Dongyin in die Übung eingeschlossen. Diese Inselchen liegen in der Straße von Taiwan, direkt vor der südöstlichen Küste des chinesischen Festlandes. Nur zwei Kilometer trennen die von Taipeh mit Hilfe der USA zu Festungen gegen die Volksrepublik China ausgebauten Inseln Kinmen und Matsu vom chinesischen Festland. Beide Inseln waren in den 1950er bis in die 1970 Jahre immer wieder Schauplatz heftiger Artillerieduelle.

Wenn der neue Ministerpräsident Lai weiter auf seinem sezessionistischen Kurs beharrt, könnten Kinmen und Matsu wieder in den Fokus der Taiwan-Krise rücken. Nur sind diese Inseln selbst mit amerikanischer Hilfe nicht mehr gegen einen ernsten Angriff vom Festland her zu verteidigen.

In einem Leitartikel vom 22. Mai warnte die Global Times vor weiteren Provokationen und unterstrich drei Punkte:

"Je radikaler die Provokationen von Lai und seiner Regierung werden, desto eher werden sie ihr Ende herbeiführen. Je größer die Provokation, desto stärker die Gegenmaßnahme. Wenn sie weiterhin rücksichtslos handeln, wird dies ihre Selbstzerstörung nur beschleunigen. Taiwans 'Unabhängigkeit' wird letztendlich zur Wiedervereinigung führen.

Zweitens, die Gegenmaßnahmen des Festlandes werden nicht nur verbal bleiben. Unser 'Werkzeugkasten' wird immer besser bestückt, unsere Fähigkeit zu substanziellen Gegenmaßnahmen wird immer stärker, und unsere Maßnahmen werden immer präziser und wirksamer. Darüber hinaus werden diese Gegenmaßnahmen in der Art und Weise und in dem Tempo durchgeführt, die wir bestimmen, sodass die Ergebnisse unserer Gegenmaßnahmen die Kontrolle und die Initiative des Festlandes in Bezug auf die Situation in der Straße von Taiwan weiter festigen und stärken werden.

Drittens: Die Taiwan-Frage betrifft Chinas Souveränität und territoriale Integrität und steht im Zentrum der chinesischen Kerninteressen, so dass kein Raum für Kompromisse bleibt. Externe Kräfte (USA und Co.) müssen verstehen, dass Versuche, Taiwan zur Eindämmung Chinas zu benutzen, zum Scheitern verurteilt sind. … Externe Kräfte sollten die Flammen nicht schüren. … Bei jeder Verletzung oder Provokation durch chinafeindliche Kräfte wird China entschlossen zurückschlagen, und zwar jedes Mal. Das China von heute ist nicht das von vor 100 Jahren, und die Welt von heute ist nicht die von vor 100 Jahren. Die Entschlossenheit der chinesischen Regierung und des chinesischen Volkes, die nationale Wiedervereinigung zu erreichen, ist unerschütterlich."

Aus jüngsten Daten des US-Finanzministeriums geht hervor, dass China weitere Dollar-Anlagen in Rekordhöhe abgestoßen hat, was die Abkehr des Landes von Dollar-Anlagen verdeutlicht. Peking trennte sich in den ersten drei Monaten des Jahres von US-Staatsanleihen (Treasuries) und Agency-Anleihen im Gesamtwert von 53,3 Mrd. US-Dollar. Während es gleichzeitig seine Käufe von Gold und anderen Rohstoffen erhöht hat, wie die Daten zeigen. Das ist ein weiterer Schuss Pekings vor den Bug der Amerikaner. Noch Anfang April dieses Jahres hatte US-Finanzministerin Yellen in Peking geweilt und die dortige Führung angebettelt, ihre Devisenüberschüsse weiter in Dollar zu investieren, um die Stabilität des 'bewährten' Systems des US-Dollars als Weltreservewährung nicht zu gefährden. Denn auch China profitiere von diesem System.

Die jüngsten Daten aus dem US-Finanzministerium lassen vermuten, dass man in Peking anders darüber denkt.

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