Meinung

Kiew wartet auf den erlösenden Anruf aus Peking – Xi will erst mit Putin sprechen

Ein gutes russisch-chinesisches Verhältnis ist vielen ein Dorn im Auge. Daher kommen komplexe Strategien sinophober Propaganda zum Einsatz: In Russland wird versucht, die Erwartungen in den "Bündnispartner" zu steigern, um sie dann in Enttäuschung umschlagen zu lassen. Im Westen werden die Schritte Pekings wiederum als egoistisches Spiel interpretiert.
Kiew wartet auf den erlösenden Anruf aus Peking – Xi will erst mit Putin sprechenQuelle: www.globallookpress.com © Präs

Von Pjotr Akopow

Die Vorbereitungen für den Besuch von Präsident Xi Jinping in Moskau, der bereits in der nächsten Woche stattfinden soll, laufen auf Hochtouren. Nicht nur in Russland und China, sondern auch in den Vereinigten Staaten wird das Treffen der beiden Staatsoberhäupter mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Seit Jahren sangen die Amerikaner im Vorfeld der Gipfeltreffen zwischen Russland und China ein und dasselbe Lied: "Sie nähern sich an, aber die potenziellen Unterschiede sind so groß, dass eine strategische Allianz zwischen den beiden Mächten unmöglich ist. Früher oder später werden sie auseinanderfallen, und deshalb wird Amerika immer der Entscheider sein, der Stützpfeiler im Dreieck Washington-Moskau-Peking."

Aber seit einem Jahr inspiriert diese abgedroschene Melodie nicht einmal mehr ihre Autoren. Neue Beruhigungslieder müssen her, am besten mit Texten zu ukrainischen Melodien – denn das ist derzeit der Verkaufsschlager.

Es ist daher wenig überraschend, dass das Wall Street Journal mit der Veröffentlichung der Absicht Xi Jinpings, mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij zu telefonieren, vorpreschte:

"Xi Jinping plant ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij – wahrscheinlich nach seinem Besuch in Moskau. Ein direktes Gespräch mit Selenskij wäre ein wichtiger Schritt in Pekings Bemühungen, in der Ukraine die Rolle des Friedensstifters zu übernehmen, was in Europa bisher mit Skepsis betrachtet wurde. (...) Die Gespräche mit Putin und Selenskij deuten darauf hin, dass Peking eine aktivere Rolle bei der Vermittlung zur Beendigung des Konflikts in der Ukraine spielen will. (...) Das wird auch Pekings Glaubwürdigkeit als globaler Vermittler stärken, nachdem es letzte Woche einen unerwarteten diplomatischen Durchbruch zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ermöglicht hat."

Was ist hier wichtig? Die Tatsache, dass die Treffen von Xi mit Putin und Selenskij als gleichwertig beschrieben werden, allerdings mit dem Zusatz, dass das "Treffen" mit Letzterem in einem Online-Format stattfinden wird. Das heißt, alles ist ganz einfach: Xi will die Rolle des Friedensstifters spielen, also sind seine Reise nach Moskau und das anschließende Gespräch mit Selenskij Glieder einer Kette: Er wird Druck auf Putin ausüben und die beiden Seiten zum Frieden zwingen. Das ist die durchschaubare propagandistische Kombination zur Bearbeitung des Publikums, nicht nur im Westen und in der Ukraine, sondern auch in Russland.

"Die Chinesen sind keine Verbündeten oder Partner – sie wollen den Konflikt zwischen Russland und dem Westen ausnutzen und ein geschwächtes Russland an sich binden. Sie werden ihm ihre Bedingungen diktieren, und am Ende werden sie einfach eine neue Goldene Horde wiederherstellen, und ihr werdet ein weiteres Mongolenjoch haben" –solche Spekulationen sind in Russland gar nicht so selten, sie werden aktiv von unseren liberalen und teilweise sogar ultrapatriotischen (in Opposition zu Putin stehenden) Kreisen geschürt. Die Sinophobie wurde in Russland während der gesamten postsowjetischen Zeit aktiv gefördert, und sie ist auch heute noch nicht abgeschrieben. Es wird versucht, sie auch unter die patriotisch gesinnte Mehrheit zu bringen, und zwar mit allen Mitteln. So werden zum Beispiel gefälschte Zitate chinesischer Beamter veröffentlicht, wie "China wird Russland so viele Waffen liefern, wie Amerika an Taiwan liefert" – um die naive Öffentlichkeit erst zum Jubeln zu bringen und dann, im nächsten Schritt, wenn die Lieferungen ausbleiben, den Refrain anzustimmen:

"Wo ist denn euer chinesischer Verbündeter? Hat er euch verraten?"

Die Beziehungen zwischen China und Russland sind für beide Länder und für die Welt so wichtig, dass Angriffe auf diese Beziehungen überhaupt nicht überraschend sind. Ihre Aufrechterhaltung und Entwicklung erfordert Objektivität, eine gute Kenntnis der jeweils anderen Seite und Vertrauen in die eigene Analyse der globalen Prozesse. Wenn die Russen und die Chinesen all dies beibehalten, wird uns niemand daran hindern können, unsere Beziehungen so zu gestalten, wie wir es wollen. Und sie werden wirklich keine Schranken und keine Grenzen des Wachstums kennen.

Die ukrainische Frage in den russisch-chinesischen Beziehungen ist nur eine von vielen, und sie kann und wird nicht den eigentlichen Kern der Beziehungen und Pläne beider Länder ersetzen. Mehr noch: Für China, das zweifellos daran interessiert ist, Russland zu stärken und nicht zu schwächen, läuft die ganze ukrainische Geschichte letztlich auf das Thema der Konfrontation Russlands mit dem Westen hinaus. Das heißt, die Ukraine als solche hat für China keine gesonderte Bedeutung. Denn Peking weiß sowohl um die Bedeutung des Kampfes um die Ukraine für Russland als auch um die Tatsache, dass sich die ukrainische Elite inzwischen zu einer absoluten Marionette des Westens entwickelt hat. Jede Spekulation über eine Vermittlerrolle Chinas bei der Beilegung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine ist lächerlich, denn im Konflikt stehen Russland und die Angelsachsen, Russland und der Westen.

Die Rolle Chinas in diesem Konflikt wurde bereits von den Angelsachsen selbst definiert: Peking wurde als die Hauptbedrohung für die atlantische Weltordnung bezeichnet, nur noch nicht so sehr verteufelt wie Russland.

Daher sind alle chinesischen Pläne für eine Friedensregelung in der Ukraine nicht von der Hoffnung getrieben, sich die Lorbeeren der Friedensstiftung zu verdienen. Und schon gar nicht von dem Wunsch, bei dem Spiel des Westens mitzuspielen und Russland zu schwächen. Es ist einfach eine Erklärung, die darauf abzielt, das wachsende internationale Gewicht Pekings zu konsolidieren. Der Kampf um Europa mit den Angelsachsen ist noch im Gange; außerdem ist man in China nicht abgeneigt, den endgültigen Bruch mit den USA hinauszuzögern und in die Länge zu ziehen – daher das Bedürfnis, so zu tun, als stünde Peking irgendwie über dem Zusammenstoß zwischen dem Westen und Russland.

Natürlich glaubt das in den USA niemand, aber China orientiert sich in seiner diplomatischen Propaganda nicht auf Amerika. Im Umgang mit der nicht-westlichen Welt jedoch kann eine Geste der Aufmerksamkeit für die Überlebensprobleme eines osteuropäischen "Staates", der im Mühlstein eines Supermachtkonflikts gefangen ist (genau so wird die Ukraine von sehr vielen wahrgenommen, die mit der russischen Geschichte nicht vertraut sind), nützlich sein.

Aus diesem Grund wird das Gespräch zwischen Xi und Selenskij, selbst wenn es stattfindet (das letzte Mal hatten sie im Sommer 2021 telefoniert), nichts an Chinas Strategie und Taktik in der Ukraine-Frage ändern. Für Peking ist die Ukraine eine russische Angelegenheit und eine Frage des Konflikts zwischen Russland und dem Westen. Und Xi wird nichts tun, was von Putin als Doppelzüngigkeit ausgelegt werden könnte. Das käme ihm gar nicht in den Sinn, denn die beiden Führer spielen ein langes Spiel auf dem Schachbrett der ganzen Welt. Ja, jeder spielt sein eigenes Spiel, aber sie berücksichtigen die Machtverhältnisse und den Spielverlauf des anderen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie einen gemeinsamen Gegner haben.

Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 14.03.2023 auf ria.ru erschienen

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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.