Meinung

Dunkelkalt und Ermahnungen für 32 Millionen Euro – Da können die Moskauer nur staunen

Manche Dinge ertragen sich aus der Ferne deutlich besser – und Weihnachten 2022 in Deutschland gehört mit Sicherheit dazu. Nicht amtlich verordnet frieren zu müssen, ist schon ein Privileg. Dazu auch von den Vorhaltungen von Habeck und Co. verschont zu bleiben, macht das nur schöner.
Dunkelkalt und Ermahnungen für 32 Millionen Euro – Da können die Moskauer nur staunenQuelle: Sputnik © Kirill Kallinikow

Von Dagmar Henn

Ehrlich gesagt, hatte ich Angst vor dem ersten Winter in Russland. Es gibt da so ein Russlandbild aus meiner Kindheit, eine Mischung aus den Märchenfilmen, die damals ab und zu im Fernsehen kamen, den Märchen, die ich selbst las, und anderen Geschichten wie dem "Starken Wanja" von Otfried Preußler. Russland war für mich ein Land, das voller Eis und Schnee ist, so bitterkalt, dass man den Winter eigentlich nur auf dem Ofen liegend überstehen kann. Und ich hasse Kälte. Wenn ich einmal richtig angefangen habe zu frieren, brauche ich Tage, um wieder warm zu werden.

Tja, was soll ich sagen? Jetzt stellt sich heraus, dass ich das mit Schnee und Kälte bekommen hätte, wäre ich in Deutschland geblieben, nur ganz ohne den warmen Ofen. 18 Grad hat es jetzt noch in deutschen Büros. Bei dieser Temperatur würde ich mich nie weiter als fünf Zentimeter vom Heizkörper entfernen, und beim Tippen möchte man mir da nicht zusehen – die Feinmotorik leidet enorm. Ich möchte nicht wissen, um wie viel sich die ganz gewöhnlichen bürokratischen Vorgänge verlängert haben, wenn alle Daten, die irgendwann irgendwo eingegeben werden müssen, doppelt so lange brauchen.

Angeblich soll es in der Berliner Senatsverwaltung inzwischen die Empfehlung geben, bei Telefonaten und Gesprächen doch auf dem Flur auf- und abzugehen, um sich aufzuwärmen. Wir wollen hier mal das Stichwort Datenschutz beiseitelassen, aber sind sie sich sicher, dass die amtliche Telefonanlage in allen Büros mit schnurlosen Telefonen ausgestattet ist? Die Kabel an gewöhnlichen Festnetztelefonen sind nämlich nicht lang genug, um damit auf dem Flur zu spazieren ...

Wenn ich mit Freunden in Deutschland telefoniere und sie ärgern will, muss ich nur sagen: "Entschuldige bitte, ich muss mal schnell das Fenster aufmachen, es ist zu warm hier drin." Das erste Mal in meinem Leben verstehe ich, was die Jungs mit den dicken Autos immer erreichen wollen. Es klingt gemein, aber diese Mischung aus Neid und Entsetzen hat was.

Es gab da ja diesen Livestream aus Russland, in dem einer seinen Gasherd abfilmte, mit vier voll aufgedrehten Flammen; nach einem Tag wurde der auf Youtube gelöscht. Der zweite, mit dem heißen Wasser, das in eine Badewanne lief, verschwand auch ziemlich schnell.

Das mit dem Gas ist ohnehin lustig. Strom, Gas, Wasser, das wird hier alles monatlich abgerechnet, über den Vermieter. Dafür schicke ich ihm einmal im Monat Fotos der Zählerstände und erfahre dann, wie viel ich zahlen muss. Beim ersten Mal dachte ich, irgendetwas haben wir übersehen, als mir die ganzen Zähler gezeigt wurden. Ich suchte einen Gaszähler und fand keinen. Also fragte ich nach: Und wo ist der Gaszähler? Den gibt es nicht, lautete die Antwort. Das sind fünfzig Rubel im Monat. Ich rechne das jetzt nicht in Euro um; so gemein will ich nicht sein. (Na gut, es sind 75 Cent).

Es erspart mir auch viel Zorn. Für diejenigen, die diese ganzen Geschichten glauben, mit der demokratischen, unschuldig überfallenen Ukraine, der man jetzt unbedingt beistehen müsse, mag es ja noch irgendeine Form des Stolzes geben, einen Kick für das Selbstwertgefühl, wenn man friert, weil die EU-Sanktionen das so wollen. Aber ich würde mich von Frostschauer zu Frostschauer durch den Tag ärgern, auf von der Leyen, Habeck und die ganze Bande fluchen und mit einer derart schlechten Laune durch den Tag laufen, dass ich mir nicht einmal selbst begegnen wollte.

Und die Beleuchtung! Klar, da gibt es verkitschte Varianten, die eher ästhetische Belästigung sind, aber die Neujahrsdekoration in der Moskauer Innenstadt ist einfach schön. Zweifarbig, blaue und weiße LEDs, nicht nur an Bäume gehängt, sondern zu kunstvollen Kronen auf den Plätzen aufgespannt, als leuchtender Spitzenvorhang an die Gebäude gehängt; überhaupt hat eine beleuchtete Stadt bei Neuschnee etwas Majestätisches.

Während andererseits Städte, die nachts im Dunkeln liegen, das legen zumindest Berichte aus der Ukraine nahe, sehr schnell daran erinnern, dass Straßenbeleuchtung nicht nur den Aufenthalt draußen angenehmer macht, sondern ein echter Beitrag zur Sicherheit ist. Falls man auch in Deutschland inzwischen entsprechende Erfahrungen machen sollte, stehen die mit Sicherheit ganz klein im Lokalteil.

Wie war das mit "damit wir gut durch den Winter kommen"? Die tollen Tipps, das Wasser beim Zähneputzen abzudrehen und die Heizung runterzudrehen? 32 Millionen Euro hat das Habeck-Ministerium in diese Kampagne gesteckt. In der natürlich nirgends die Rede davon ist, wer die Misere überhaupt zu verantworten hat, und so getan wird, als wäre das Problem keines, solange sich nur jeder selbst ausreichend das Leben vermiest.

Nicht zu vergessen, dass der eine Strang von Nord Stream, der nicht der transatlantischen Freundschaft zum Opfer gefallen ist, die Lage immer noch bessern könnte. Nein, es ist wirklich gut, dass ich im warmen, hellen Moskau sitze.

Wobei ich mich natürlich schon frage, wenn ich Meldungen lese, dass in der Charité in Berlin wegen des hohen Krankenstands alle planbaren Operationen abgesagt werden und dass in München eine Trambahnlinie eingestellt wird, weil, ebenfalls wegen hohen Krankenstands, die Werkstätten mit Wartung und Reparatur nicht nachkommen – ist das jetzt wegen der Impfung oder wegen der Temperaturen? Dabei ist erst Dezember, die Bundesnetzagentur jammert jetzt schon, dass zu viel Gas verbraucht wird, und die kälteste Zeit kommt erst im Februar ...

Glühwein für zehn Euro, das fände ich auch nicht spaßig, und überhaupt war die ganze Vorweihnachtszeit schon die letzten zwei Jahre durch Corona derart vermiest, dass die Variante Dunkelkalt des Jahres 2022 Befürchtungen auslöst, es könne ein für alle Mal vorbei sein mit Geselligkeit und Vergnügen. Die grünen Verzichtsprediger eilen sicher von Höhepunkt zu Höhepunkt, aber der Fan der gewöhnlichen Bratwurstsemmel wird gleich mehrfach gepeinigt.

Immerhin, wenn Habecks Propaganda schon nicht tröstet, die Tatsache, dass grade die Bioläden und die Erzeuger veganer Nahrungsmittel pleitegehen, das tröstet ein wenig. Wenn man sich vorstellt, dass all diese Tugendbolde keinen Kunstkäse mehr bekommen, kein synthetisches Pseudofleisch, und ihr Edelmenschentum jetzt doch rohkostnagend erarbeiten müssen; wobei – ist der Sekundenkleber, den die da benutzen, überhaupt vegan?

Am Ende müsste ich mich noch bei der Bundesregierung bedanken, die auf der einen Seite zwar dafür gesorgt hat, dass ich Deutschland verlassen wollte, sich aber andererseits größte Mühe gibt, dass ich selbst Weihnachten von Heimweh verschont bleibe. Denn Heimweh, das hätte ich nach einem beleuchteten, warmen Weihnachten, mit Glühwein, Zimtstern und Vanillekipferln; aber nicht nach 18 Grad, kalten Duschen und unbezahlbaren Gänsen.

Habe ich schon gesagt, dass die Neujahrsdeko hier in Moskau wirklich schön ist?

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