Nach antirussischen Sanktionen nun Subventionen – zweiter Akt des US-Handelskriegs gegen Europa
Von Igor Malzew
Das Thema "US-europäischer Handelskrieg wegen Ausschluss europäischer Hersteller aus dem US-Klimaschutzprogramm" wird heiß diskutiert, scheint mir. Und es hört sich nach Wahrheit an – aber in Wirklichkeit ist dem ganz und gar nicht so. Die US-Regierung ist weitaus gerissener, als man gemeinhin annimmt, und erst recht geht es hier überhaupt nicht um Joe Biden. Was wirklich los ist? Ein Handelskrieg auf Leben und Tod.
Während die Europäer im Allgemeinen und die Deutschen im Besonderen versuchen, gegen die Inflation, die Folgen des immer noch nicht abgeschlossenen grünen Wandels, den Mangel an Erdgas als Rohstoff für die Industrie und zur Stromerzeugung anzukämpfen und sich Investitionen zu erkämpfen, fallen ihnen die USA in den Rücken. Unter Bidens Unterschrift wurde ein milliardenschweres Klimagesetz namens Inflation Reduction Act verabschiedet. Sein Kern ist folgender: Damit die USA weniger Treibhausgase ausstoßen, sollen nicht nur dringend riesige Subventionen an grüne Unternehmen in der Energie-, Transport- und Wasserstoffindustrie vergeben werden. Sondern vor allem schreibt das Gesetz auch vor, dass ihre Produkte in Nordamerika hergestellt werden müssen.
Doch was, fragt man sich auf den ersten Blick, hat denn Europa damit zu tun? Sie kämpfen drüben, in Detroit und San Francisco und sonst wo, für alles Gute und gegen CO₂? – Ja, dann sollen sie doch kämpfen, meine Güte!
Aber hier gibt es zwei Schlüsselwörter: "Multimillionen-Subventionen". Das bedeutet, dass der US-amerikanische Staat allen Unternehmen, die sich bei ihm dafür anmelden, beispiellose staatliche Präferenzen und Unterstützung gewährt. Nochmals deutlicher: also alles, was die US-Amerikaner bei Gerichtsprozessen gegen ausländische Importeure als "unlauteren Wettbewerb" bezeichnen. So entspringen der noch immer andauernde Skandal um Boeing und Airbus und die dazugehörigen Klageprozesse der Idee, dass Airbus in einem Teilbereich der Produktion staatliche Unterstützung von Frankreich oder der EU erhalte und Airbus daher einen unfairen Vorteil im Preiswettbewerb mit Boeing genieße – mit Boeing, das im Gegensatz dazu natürlich und zweifelsfrei das Produkt härtester Arbeit im Geiste ehrlichsten Unternehmertums Marke Frontier-Ära sei.
Aber was die EU nicht darf, das dürfen natürlich die USA. Denn zwingt Washington die ganze Welt nicht dafür dazu, seine Richtlinien zu befolgen, um sich ihnen auch selbst zu unterwerfen. Den Spiegel zum Beispiel erinnert das "verdächtig an die 'America First'-Strategie".
Und nun Schritt Nummer zwei: Indem sie Sanktionen gegen die Russen verhängen und fördern und die EU zwingen, diese Sanktionen zu akzeptieren und umzusetzen, verdienen sich die USA nicht nur die sprichwörtliche goldene Nase an Flüssigerdgas, das im Vergleich zum Pipeline-Gas viel teurer ist. Sondern sie machen auch jede künftige Entwicklung der europäischen Industrie unrentabel – und damit unwahrscheinlich. Und natürlich machen sie die europäische Konkurrenz damit schon jetzt wettbewerbsunfähig. Dies gilt umso mehr für den US-Markt.
Und selbst wenn es in den USA Steuerabzüge von um die 7.000 US-Dollar beim Kauf von Elon Musks Elektroautos gibt – das ist doch nur Kampf für die grüne Agenda, oder? Vollkommen richtig. Nur gibt es keinerlei Abzüge oder Subventionen beim Kauf importierter Elektroautos zum Beispiel aus Deutschland. Das ist nur ein Detail – aber eines von vielen, die Bände sprechen.
Dann schließlich der dritte Schritt, der im Inflation Reduction Act beschrieben ist: Die Produktion muss in Nordamerika (den USA und Kanada) erfolgen. Infolgedessen machen sich in Berlin nicht nur Investoren in die deutsche Industrie und Wirtschaft rar, sondern ganze Unternehmen wandern ab – vor allem solche, die stabile und günstige Energielieferungen benötigen. Denn diese konnten weder die Windkraftaktivisten gewährleisten noch den Politikern, die Washingtons Befehl, "Putins Gasleute" zu erwürgen, sofort mit Ja und Amen zustimmen.
Und nun sagt Washington zur BASF oder, sagen wir, zu Northvolt, dem Hersteller von Elektroauto-Batterien: "Welcome to America the Great" und öffnet seine Arme. Und im selben Atemzug zu Europa: "Was dein war, wird mein." Also nordamerikanisch. Wow, how many Arrrrbeitsplätze – dänkieshawn! Mehren der Steuereinnahmen, Stärken der industriellen Macht der USA und so weiter – alles auf Kosten Europas. Klappt doch alles wie am Schnürchen.
Und damit das klar ist: Damit ist der Kurs auf den Ruin Europas bereits konkret eingeleitet worden – wovor einzelne Scheuklappenfreie unter den Bürgern schon seit Langem warnten. Also mindestens seit den letzten sechs Monaten.
Wer seine Produktion und Technologie in die USA verlagert (natürlich ohne zugehöriges Personal – Arbeitskräfte haben wir hier auch selbst genug, bleibt ihr mal schön in München, Rüsselsheim und so weiter), der bekommt sofort staatliche Subventionen, der spielt eine führende Rolle im Kampf für das Klima, ist überhaupt der strahlende Held und se gud Gei.
Und wer seine faschistisch vorbelasteten deutschen Wertprodukte wie "Das Auto" auf altmodische Art und Weise aus Deutschland exportieren will – und seien sie noch so grün und klimaneutral, der hat, ehrlich gesagt … Ääähhh, ja, die falschen Batterien in falschem Formfaktor, Größe und Kapazität. Genau. Die falschen Batterien. So. Und dann hat er natürlich auch keinen Anspruch auf die grüne Subvention. Hunderte von Inspektoren werden ausschwärmen, und sie werden Spuren von staatlicher finanzieller Subvention aus Bayern in der linken Scheinwerferreihe finden, was unlauteren Wettbewerb bedeutet. Und das muss natürlich finanziell geahndet werden. Mit saftigen Strafzöllen.
So setzen denn auch viele deutsche Unternehmen nach Angaben des Industrie- und Handelskammertages den Plan "Mehr in den USA investieren" bereits emsig um.
Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits erkannt, dass in Europa und insbesondere in Deutschland gerade Kapital expropriiert wird. Der Wirtschaftskrieg zwischen der EU und den USA hat bereits begonnen. Die Frage ist nur, wer als Erster aussprechen wird, dass es sich um einen Krieg und nicht um einen Streit zwischen Wirtschaftssubjekten handelt.
Selbst Scholz hat das verstanden und auf seiner jüngsten Asienreise eine Rede über "freieren Handel" gehalten. Aber was nützt das? Der Prozess ist schon angelaufen. Beschweren Sie sich gefälligst bei Ihrem Karl Marx.
Übersetzt aus dem Russischen.
Igor Malzew ist ein russischer Journalist und Schriftsteller, war und ist teils noch immer Kolumnist, politischer Kommentator und Beobachter für zahlreiche russische Blätter, stellvertretender Chefredakteur der Iswestija, erster Chefredakteur der Medwed, Chefredakteur und Gründer des Automobilressorts beim Kommersant. Er ist regelmäßiger Kolumnist beim russischen Zweig von RT.
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