Meinung

Diplomaten als PR-Agenten: Von Jugoslawien via Nahost in die Ukraine

Das Konzept der "Public Diplomacy" prägt die Disziplin der Diplomatie seit bald 20 Jahren. Öffentliche Informationsarbeit hat die Diskretion der Verhandlung verdrängt. PR und Lobbyismus führen aber zu Eskalation anstelle Entspannung, wie auch die Ukraine-Krise offenbart.
Diplomaten als PR-Agenten: Von Jugoslawien via Nahost in die UkraineQuelle: www.globallookpress.com © imago stock&people via www.imago-images.de

Ein Kommentar von Dr. Karin Kneissl

Heute, am 10. Februar, wird in einer schönen russischen Tradition der Tag des Diplomaten gewürdigt. Der Begriff der Diplomatie wird fast schon inflationär von der Berichterstattung mehrmals täglich beschworen, wenn es um die aktuellen Besuchskalender von Moskau bis Washington geht. Doch wie viel Diplomatie steckt in all diesen Terminen? Die Berichterstattung darüber hat mehr davon, denn kommentiert werden nunmehr selbst die Tische, an denen man sitzt. Die älteren Semester erinnern sich vielleicht noch an die Diplomaten vom alten Schlage wie Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher, der im Krisenfalle auch mehrmals wöchentlich persönlich anreiste. Er brachte im Gepäck meist auch Ideen mit. Den aktuellen Terminen mit ihren Inszenierungen, ob dramatisch mit Stahlhelm und Kugelweste an einer Front oder eher langweilig in einem Kanzlerbüro, fehlt es an Ideen.

Alles ist Kommunikation

Was wir in unserer Zeit als Diplomatie erleben, beschränkt sich oft auf ein lautes mediales Wiederholen wohlbekannter Positionen. Manche Außenministerien haben Teile ihrer Agenda regelrecht an Kommunikationsexperten ausgelagert, die dann entweder im Stab der jeweiligen Politiker direkt tätig sind oder auf Werkvertragsbasis "den Job erledigen". Letzteres hat dann nichts mehr mit staatlichen Aufgaben, sondern nur mit der medialen Verbreitung zu tun, sodass der jeweilige Politiker in der veröffentlichen Meinung möglichst gut dargestellt wird.

In anderen Fällen wiederum sind Diplomaten zu PR-Agenten mutiert, wenn sie in TV-Talks ihrem Gastland Ratschläge erteilen. Die Ukraine-Krise liefert uns täglich neue Beispiele, die wenig vom US-Slogan "Diplomacy is back" erkennen lassen. Vielmehr geht es um eine neue staatliche Praxis der Kommunikation. Die öffentliche Meinung soll auf Linie gebracht werden. Dieses "Transformieren" findet sich in der US-Diplomatie von Beginn an. Selbst der spätere US-Präsident Thomas Jefferson wollte noch als Gesandter in Paris die Gesellschaft rundum verändern.

In der Ära der 1950er-Jahre war dann die "Public Diplomacy" geboren, wie auch Öffentlichkeitsarbeit bald zum festen Bestandteil allen Wirtschaftens wurde. Die Public Affairs-Abteilungen der US-Botschaften organisieren Vorträge, stellen Interviews zusammen und pflegen enge Kontakte zu Bildungseinrichtungen und Redaktionen. Diplomatie sollte sich fortan nicht mehr auf Kontakte auf Beamten- und Regierungsebene reduzieren, sondern jeder einzelne Mitarbeiter der US-Botschaft aufgerufen sein, auf die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zuzugehen, der Öffentlichkeit im Empfangsstaat sämtliche Aspekte politischen, wirtschaftlichen und militärischen Handelns zu erklären.

Man kann diese umfassende Kommunikationsarbeit, die auf Beeinflussung der Meinungsbildung der Parlamentarier, Journalisten und der Entscheidungsträger in Wirtschaft und Bildung abzielt, auch als eine Form der Propaganda bezeichnen. Der Begriff Diplomatie hat hier aber wenig verloren, wenn man Diplomatie als Dialog, als Verhandeln und Annäherung der Positionen zweier Souveräne definiert.

Die Grenzen der Propaganda

Angesichts des Sumpfes, in welchen die USA den Irak und sich selbst mit der Invasion im März 2003 manövriert hatten, wurde Karen Hughes im Namen der "Public Diplomacy" zur Marketing-Chefin dieser Mission bestellt. Ihr Auftrag lautete, rasch und massiv das Image der USA in der Welt, insbesondere in der arabischen und muslimischen Öffentlichkeit zu verbessern. Das Schlagwort von Hughes lautete Kommunikation. Ein deutsches Nachrichtenmagazin fasste diese Strategie so zusammen: "Die Diplomaten vor Ort sollten häufiger im Fernsehen auftreten, sie sollten ihre Zielgruppe genau im Auge behalten, sie sollten neue Medien nutzen, sie sollten Blogs schreiben." So sprach Karen Hughes von "Karen's Rules" – einer Art Medienfibel für ihre oft leicht phlegmatischen Diplomaten – zur Bedeutung von Sportstars als Image-Boschafter für die USA. Aus jener Warte schien der amerikanische Sieg im Kampf um die Herzen im Rest der Welt nur eine Frage der Zeit.

Ende 2007 nahm Hughes dann nach genau zwei Jahren den Abschied. Es war auch ihr klar geworden, dass selbst die bestfinanzierte PR-Kampagne all die realen Bilder der US-Politik im Irak, seien es die Folterungen im Bagdader Gefängnis von Abu Ghraib oder die unrühmliche Rolle der privaten Sicherheitsfirmen im Dienst der Regierung und im Nahen Osten insgesamt, nicht verdrängen konnte. Erst Jahre später brachten Whistleblower wie Julian Assange über die Plattform Wikileaks erschütternde Dokumente über die Kriegsverbrechen an der irakischen Zivilbevölkerung an die Öffentlichkeit.

"Rent a Diplomat" – die riskante Auslagerung an PR-Agenturen

Die meisten diplomatischen Apparate sind für die arbeitsintensive tägliche "Public Diplomacy" nicht ausgestattet. Da es den Botschaften an entsprechend ausgebildetem Personal und Kontakten oft fehlt, zeigt sich die wachsende Tendenz, diesen Bereich der Kommunikation auszulagern. Dies taten die Nachfolgestaaten Jugoslawiens in den frühen 1990er-Jahren, nämlich Kommunikationsagenturen mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Ausland und in den großen internationalen Medien zu betrauen. Zwar ist die Auslagerung diplomatischer Aktivitäten an PR-Agenturen kein junges Phänomen, doch mit der sprunghaft ansteigenden Zahl neuer Staaten und der Notwendigkeit des Lobbyings in Washington gewannen diese Firmen im Laufe der 1990er-Jahre neues Gewicht. Sie übernahmen die klassischen Aufgaben der Diplomatie, sprich die Vertretung im Ausland, die Platzierung von Gastkommentaren in führenden Tageszeitungen, die Betreuung der Politiker bei Interviews in US-Medien, die Kontakte zu Investoren etc.

Die Ukraine-Krise als PR-Finale

Das aktuelle Spektakel, das wir in diesen Wochen rund um die Verlegung von Truppen, Ultimaten und weiteren Drohkulissen erleben, wird vielleicht eines Tages im Rückspiegel der Geschichte betrachtet das letzte große PR-Aufgebot gewesen sein. Denn letztlich haben sich noch immer Fakten und Interessen durchgesetzt. Kommunikationsagenturen werden dann langfristig wieder eher im Verkauf von Autos eingesetzt werden. Die Diplomatie ist den Profis zu überlassen. Vorzugsweise jenen mit Talent und Glaubwürdigkeit, die am Tag des Diplomaten geehrt werden.

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