Meinung

Ein Brief aus dem transatlantischen Sumpf – aus Angst vor einem "Sieg für Putin"

Eigentlich möchte man es gar nicht so genau wissen, wie innerhalb dieses transatlantischen Bündnisses kommuniziert wird. Das jüngst veröffentlichte "Geheim"-Schreiben der deutschen Botschaft in Washington zeigt, dass nichts offen ausgesprochen wird.
Ein Brief aus dem transatlantischen Sumpf – aus Angst vor einem "Sieg für Putin"Quelle: www.globallookpress.com © Jens Büttner

von Dagmar Henn

Das Schreiben der deutschen Botschaft in Washington, das wohl an demokratische Vertreter im US-Parlament ging und das das Internet-Portal Axios am Sonntag veröffentlichte, zeigt, welcher Sumpf auch in diesen Beziehungen herrscht.

Axios dekorierte den Inhalt des Schreibens natürlich mit den laufenden Propagandageschichten wie den angeblich drohenden 100.000 Mann russischen Militärs (ja, immer noch die Fotos aus Jelnja) und mit der putzigen Formulierung, eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 nähme der Ukraine "eine der letzten Abschreckungen vor einem russischen Einmarsch". Das erschließt sich nicht wirklich, außer, Kiew erpresste erneut mit einer Sperrung der Pipeline.

In Wirklichkeit war es ja das unzuverlässige Verhalten der ukrainischen Kleptokratie, die – wie die "Gasprinzessin" Julia Timoschenko – ihren Reichtum zum Teil einfach aus der Pipeline gestohlen hatte, das zum Bau der beiden Nord-Stream-Verbindungen führte. Wenn jemand Energieversorgung zur Erpressung gebraucht hat, dann war das die Ukraine.

Aber was schert die Wirklichkeit? Interessant an diesem Dokument ist zum einen, dass es irgendjemand an Axios durchgestochen haben muss, wobei nicht klar ist, ob dieser jemand zum Sender, also der deutschen Botschaft, oder zum Empfänger, also den US-Abgeordneten gehört. Auffällig ist auch, dass das Papier um die nüchternen Fakten herumschleicht wie die Katze um den heißen Brei. Schließlich könnte auch die deutsche Botschaft ganz offen schreiben, ohne Nord Stream 2 würde eine nennenswerte Zahl Deutscher diesen Winter frieren, und das würde sie den USA oder gar den ukrainischen Kleptokraten nicht gerade gewogen stimmen.

Sie sagen auch nicht, dass Nord Stream 2 durchaus ein strategisches deutsches Projekt ist, um selbst den Rest Europas erpressen zu können. So viel Ehrlichkeit verträgt dieses innige transatlantische Verhältnis offenkundig nicht. Im Grunde lässt sich der Inhalt in zwei Zeilen zusammenfassen: Wir brauchen dieses Projekt, lasst die Finger davon. Da wird kompliziert ums Eck argumentiert. Weil wir im Juli eine Vereinbarung abgeschlossen haben, wie wir mit der Ukraine zukünftig umgehen, und wir doch glatt unser Vertrauen in euch, die US-Amerikaner, verlieren, wenn ihr sie jetzt ignoriert und über unsere Interessen hinweggeht, und wir dann auf euch böse sein müssen, dann nützt das letztlich Putin. Was ist das für eine "Partnerschaft", in der man sich derart windet?

Die Stelle muss man tatsächlich im Original lesen. Die Überschrift darüber lautet "Sanktionen gegen einen US-Verbündeten wären nur ein Sieg für Putin".

"US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 würden die Deutschland gegenüber in der Gemeinsamen Erklärung eingegangenen Verpflichtungen untergraben, die Glaubwürdigkeit der US-Regierung schwächen und die Errungenschaften der gemeinsamen Erklärung gefährden, einschließlich der Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine. Sie würden letztlich die transatlantische Einigkeit gefährden."

Das Dokument belegt auch, wie sehr die letzten Bundesregierungen mit gespaltener Zunge sprachen: "Seit der illegalen Annexion der Krim durch Russland und Russlands Handlungen in der Ostukraine als Wendepunkt in den Beziehungen zu Russland hat Deutschland die EU dahin geführt, sich bei den Sanktionen hinter die USA zu stellen, und stand es an der Spitze der Schaffung mehrerer auf Russland bezogener Sanktionsregime in der EU und national." Gut, dass wir das einmal so deutlich zu lesen bekommen, dass unsere Regierung diesen Mist nicht einfach mitgemacht, sondern tatsächlich angetrieben hat – und die ganze Zeit so tat, als könne sie kein Wässerchen trüben.

Trotz all der Heuchelei und der Beschwörung, wie sehr und felsenfest man an der Seite der Ukraine stehe, ein klitzekleines bisschen könnte dieses Schreiben – zumindest vorübergehend – tatsächlich dem Frieden genützt haben. Schlicht, weil ein Ende von Nord Stream 2 für die US-Regierung gewissermaßen ein Kollateralnutzen aus einer militärischen Provokation im Donbass wäre, falls diese ein russisches Eingreifen erforderlich macht. Und noch mehr Motivation, gewaltigen Unfug anzustellen, brauchen die absteigenden USA sicher nicht.

Es ist allerdings kaum zu glauben, dass das hinter dem Schreiben der deutschen Botschaft steckt. Die wollte vor allem den machtpolitischen Vorteil verteidigen, den die deutschen Konzerne aus dieser Pipeline ziehen können. Ja, und angesichts des energiepolitischen Unsinns, der so alles beschlossen wurde, doch noch irgendwie sicherstellen, dass die deutsche Energieversorgung stabil bleiben kann. Was wiederum nicht nur irgendwelchen US-Demokraten, sondern auch deutschen Grünen missfallen haben könnte, weswegen es eben unklar bleibt, wer dieses Papier weitergereicht hat.

Wie weit die bisherige Bundesregierung zu gehen bereit ist, hat sie jüngst in ihrer Abkehr von den Minsker Vereinbarungen bewiesen. Die Position, die der deutsche Außenminister Heiko Maas in seinem Schreiben an Sergei Lawrow vertreten hat, ist ein weiteres Beispiel der gespaltenen Zunge. Während hier immer herumgesülzt wird, man setze sich für Frieden in der Ukraine ein, wird in Wirklichkeit der Kern der Minsker Vereinbarungen vollständig ignoriert. 2015, als diese Vereinbarungen unterschrieben wurden, als die damalige Bundesregierung sich für ihre Unterzeichnung einsetzte, ging es nur darum, die Reste des ukrainischen Militärs zu retten, zur späteren Weiterverwendung. Sonst hätten sich die Regierungen Merkel III und Merkel IV anders verhalten, irgendwann einmal Druck auf Kiew ausüben müssen.

Wobei man natürlich zugeben muss: Der unmittelbare Nutzen der ukrainischen Kolonie ist für die Herrschenden in Deutschland größer als für die in den USA. Der ruinierte, deindustrialisierte Staat bietet beständigen Nachschub an Billiglöhnern, die man nicht einmal erst alphabetisieren muss. Pflegekräfte und Lastwagenfahrer sind hochwillkommen; zumindest bei jenen, die mit ihnen Profit machen. Hätte das Land eine Perspektive eigener Entwicklung, würde dieser Nutzen schwinden. Also bleibt dort am besten alles so, wie es ist.

Und selbstverständlich sind sich die USA und die Bundesregierung darin einig, dass es nützlich ist, über die Bedrohung des Donbass ein Mittel in der Hand zu haben, Russland beständig zuzusetzen. Die Balten schreien zwar laut, aber sie können nicht wirklich wehtun. Die Ukraine gegen Russland zu stellen, das war schon den Habsburgern ein Herzensanliegen gewesen, die Nazis verfolgten den Weg weiter, und irgendwas muss man ja schließlich davon haben, wenn man diese ganzen dubiosen Gestalten jahrzehntelang in der Zeppelinstraße in München untergebracht und versorgt hat. Einen Ex-Boxer die Stadt Kiew zugrunde richten zu lassen, genügt da nicht.

Wie allerdings das künftige Außenministerium unter Annalena Baerbock zu dem Ganzen steht, ist noch unklar. Schließlich ist es den Grünen in Summe herzlich egal, ob die Deutschen Strom haben oder heizen können, und mit dem Frieden hat die ehemalige Friedenspartei schon lange nichts mehr am Hut. Im Gegenteil: Während in dem Schreiben der deutschen Botschaft unter dem ganzen Berg von Phrasen zumindest noch ansatzweise das Interesse erkennbar ist und zumindest objektiv (ausnahmsweise und eher versehentlich) auch im Interesse der deutschen Bevölkerung gehandelt wird, hat man es bei den Grünen mit Leuten zu tun, die die eigene Propaganda glauben. Insbesondere Baerbock, der man vermutlich als Kind einmal ein Märchen von der Baba Jaga vorgelesen hat und die sich seither vor Häusern auf Hühnerfüßen fürchtet.

Die wären sofort bereit, jede US-amerikanische Provokation abzunicken und Nord Stream 2 stillzulegen, und wenn die Normalsterblichen hier frieren, gilt es ihnen als angebrachte Buße für Klimasünden. Wie verwirrt sie sind, zeigt sich an ihren Plänen, Visaerleichterungen für junge Russen einzuführen. Sie sind überzeugt davon, dass die unter 25-Jährigen, die sie gerne einladen wollen, danach entweder begeistert im Westen bleiben, um als billige Arbeitskräfte zu dienen, oder als Agenten nach Hause zurückkehren.

Das kommt davon, wenn man den Unterschied zwischen der Moskauer und der Berliner U-Bahn nicht kennt. Oder zwischen Moskauer und Berliner Flughäfen. Oder den zwischen der Qualität des Internets in Moskau und der in Berlin. Sie glauben ernsthaft, dass ein Aufenthalt hier für den Westen wirbt.

Liebe Grüne, wenn ihr tatsächlich Nord Stream 2 verhindern solltet, könnt ihr euch dieses Programm gleich sparen. Der Zustand Berlins jetzt ist eigentlich abschreckend genug. Aber dann ist der Unterschied noch schneller zu erkennen. Moskau ist die Hauptstadt, in der nachts die Lichter an sind.

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