Meinung

Flüchtlingskrise an der Grenze zu Weißrussland – Polen sollte stark bleiben

Die EU hat jetzt zwei Möglichkeiten: Sie kann nichts tun und wartet, bis sich die drohende Flüchtlingskrise weiter verschlimmert. Oder sie kann mit dem Bau von Grenzbefestigungen beginnen, um den Zustrom von Flüchtlingen in geordnete Bahnen zu lenken.
Flüchtlingskrise an der Grenze zu Weißrussland – Polen sollte stark bleibenQuelle: AFP © Leonid Shcheglov/BELTA/AFP

Eine Kommentar von Paul A. Nuttall

Polens Ostgrenze zu Weißrussland wird derzeit von Tausenden von Flüchtlingen belagert, die versuchen, in die Europäische Union zu gelangen. Allein in diesem Jahr haben 23.000 Migranten versucht, aus Weißrussland nach Polen einzureisen – alleine 11.300 davon im Oktober. Nun sind weitere 4.000 an der Grenze angekommen und versuchen, teilweise mit Gewalt, über die Grenze zu gelangen. 

Die polnische Regierung hat darauf reagiert, indem sie einen Stacheldrahtzaun errichten ließ und 12.000 bewaffnete Soldaten in die betroffene Grenzregion entsandte. Längerfristig hat Polen angekündigt, eine 350 Millionen Euro teure Grenzbefestigung zu errichten, die sich über die gesamte Grenze zu Weißrussland erstrecken soll.

Die Szenen an der polnischen Ostgrenze sind derweil hässlich. Junge kräftige Männer – es sind immer überwiegend junge kräftige Männer im Wehralter, egal was die Mainstream-Medien erzählen – versuchen, nach Polen einzudringen, um dann von stämmigen Grenzsoldaten zurückgedrängt zu werden. Besorgniserregend ist jetzt aber, dass der polnische Regierungssprecher Piotr Müller sagte, man erwarte "eine weitere Eskalation der Situation, die bewaffneter Natur sein wird".

Die Polen zeigen derweil mit dem Finger direkt auf die weißrussische Regierung, die angeblich die Migranten aktiv an die Grenze zu Polen gekarrt haben soll. Es wurden auch Vorwürfe laut, dass die Migranten nach Weißrussland eingeflogen werden, wo man ihnen Touristenvisa aushändigt. Westliche Beobachter vermuten, dass der Zweck darin bestehe, in Europa eine weitere Migrationskrise zu entfachen. Die weißrussische Regierung wies jedoch alle Vorwürfe kategorisch zurück und warf ihrerseits den Polen "militärische Aktivitäten" an der Grenze zu Weißrussland vor. 

Unabhängig davon, wer nun die Wahrheit sagt, entwickelt sich an der besagten Grenze eine humanitäre Krise, mit Berichten, dass einige Migranten an Unterkühlung leiden und andere bereits an den frostigen Bedingungen gestorben sein sollen.

Aber was kann man tun, um dieses Problem zu lösen? Erstens darf, meiner Meinung nach, Polen nicht nachgeben und darf nicht zulassen, dass diese Migranten in die EU einreisen. Natürlich sind die Liberalen in Westeuropa entsetzt über Warschaus robuste Haltung in dieser Sache. Amnesty International hat den polnischen Behörden bereits "ein rechtswidriges Vorgehen" gegen die Migranten vorgeworfen. Ich garantiere jedoch, dass, wenn die Polen kapitulieren sollte, noch mehr Migranten an diese Grenze pilgern werden und das Elend vor Ort mit dem aufkommenden Winter noch schlimmer wird.

Und zweitens glaube ich, dass Europa dieser Massenmigration nur mit dem Bau einer befestigten Grenze begegnen kann.

Mit dieser Überzeugung stehe ich nicht allein da. Im vergangenen Monat forderten die Innenminister von zwölf EU-Mitgliedsstaaten, darunter der polnische Minister, in einem Brief an die Europäische Kommission eine Finanzierung dieser Grenzbefestigungen durch die EU. In dem Schreiben wurde argumentiert, dass "physische Barrieren wirksame Grenzschutzmaßnahmen sind, die den Interessen der gesamten EU dienen, und nicht nur den erstaufnehmenden Mitgliedsstaaten." 

Dieses Argument wurde jedoch seitens der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zurückgewiesen, die gegenüber Journalisten sagte, dass "man sich in der Europäischen Kommission und im Europäischen Parlament seit langem einig darüber ist, dass es für Stacheldraht und Mauern keine EU-Förderung geben wird." 

Diese Stellungnahme hat Brüssel auf Kollisionskurs mit vielen seiner Mitgliedsstaaten gebracht. Insbesondere mit denen an den Süd- und Ostgrenzen der Union. Tatsächlich kündigte der ungarische Premierminister Viktor Orbán letzte Woche an, dass er einen rückwirkenden finanziellen Beitrag aus Brüssel erwarte, für den Bau einer 523 Kilometer langen Grenzbefestigung entlang der Südgrenze seines Landes.

Die derzeitige Krise ist ein Vorgeschmack auf das was passieren wird, wenn die Kacke im nächsten Jahr erst so richtig am Dampfen ist. Nämlich dann, wenn Heerscharen von Afghanen versuchen werden, auf den europäischen Kontinent zu gelangen. Bereits im April, also vier Monate vor Joe Bidens Flucht aus Kabul und der Machtübernahme durch die Taliban, warnte der türkische Außenpolitikexperte Kemal Kirişci, dass "ein Massenexodus von Flüchtlingen aus Afghanistan eine weitere Migrationskrise auslösen könnte."

Die EU-Mitgliedsstaaten in den betroffenen Grenzgebieten haben also zwei Möglichkeiten: Sie tun nichts und warten die kommende Krise ab. Oder sie können jetzt handeln und mit dem Bau von Grenzbefestigungen beginnen, damit die Migrationsströme ordentlich gesteuert werden können. Aber sie müssen sich bewusst sein, dass sie bei letztgenannter Möglichkeit zwar keinerlei Hilfe aus Brüssel erhalten, dafür aber umso mehr Kritik aus dem liberalen Westen ernten werden.

Interessanterweise könnten die Polen mit Deutschland einen Verbündeten haben. Kürzlich sagte der deutsche Innenminister Horst Seehofer: "Wir können den Polen nicht einen Vorwurf machen, nur weil sie die EU-Außengrenze mit zulässigen Mitteln sichern." Wenn das der Fall ist, warum nutzt Deutschland dann nicht sein Gewicht als größter Beitragszahler der EU, und zwingt Brüssel dazu, die Grenzbefestigungen zu finanzieren? Denn, wie Seehofer weiter sagte, die Polen leisten "einen ganz wichtigen Dienst für ganz Europa".

Mein Rat an Polen wäre, so schnell wie möglich diese Befestigung entlang der weißrussischen Grenze zu bauen und dann Brüssel die 350 Millionen in Rechnung zu stellen, die sie den polnischen Steuerzahler gekostet hat. Sie werden damit der gesamten Europäischen Union, und letztlich auch den Migranten, einen großen Gefallen tun.

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Paul A. Nuttall ist Historiker, Autor und ehemaliger Politiker. Er war von 2009 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und ein prominenter Aktivist für den Brexit.

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