Meinung

Scholz, Merkel oder: Wo ist der "gewaltige Unterschied"?

Auf der Pressekonferenz mit dem österreichischen Bundeskanzler Kurz wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel gefragt, ob Scholz, wenn er sich auf die Große Koalition berufe, nicht "Erbschleicherei" betreibe. Und Merkel meinte plötzlich, es gebe einen "gewaltigen Unterschied" zwischen ihr und ihm.
Scholz, Merkel oder: Wo ist der "gewaltige Unterschied"?Quelle: AP © Michael Sohn, pool

von Dagmar Henn

"Merkel kanzelt Vize-Kanzler ab", titelt die Bild und gibt sich allergrößte Mühe, eine Nachricht zu erzeugen. Olaf Scholz, so der Vorwurf, ziehe eine Koalition mit der Linken in Betracht, und das gäbe es mit Angela Merkel nicht.

Die Bild hat den Bandwurmsatz, den Merkel als Antwort auf die Frage, ob Scholz eine Art Erbschleicherei betriebe, indem er sich auf die Große Koalition berufe, zurechtgestutzt und damit unauffällig entmerkelt. Man sollte schon den kompletten Text zu sich nehmen, der ehrlicherweise tatsächlich als ein einziger Satz niedergeschrieben werden muss.

So lautet die komplette Aussage auf ihrer Pressekonferenz mit dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz:

"Was den Wahlkampf anbelangt, so freue ich mich, dass Olaf Scholz anerkennt, was wir in der Großen Koalition geleistet haben, denn ich finde, wir haben eine Menge miteinander bewegt, und dass da seitens der SPD positiv gesprochen wird, das war nicht immer so in der Vergangenheit, aber das ist gut, dass das so ist, aber ich will deutlich auch von meiner Seite sagen, dass es für die Zukunft, und gerade in diesen Zeiten, auch sehr klarer Aussagen über die Fortführung von Regierungsarbeiten egal in welcher Konstellation bedarf, und dass es, wenn man sich sozusagen auf mich beruft, es einen Unterschied gibt, mit mir als Bundeskanzlerin würde es nie eine Koalition geben, in der die Linke beteiligt ist, und ob dies von Olaf Scholz so geteilt wird oder nicht, das bleibt offen, und in dem Zusammenhang ist es einfach so, dass da ein gewaltiger Unterschied für die Zukunft Deutschlands zwischen mir und ihm besteht."

Aha, kann man da nur erwidern. Und worin bitte sollte der Unterschied für die Zukunft Deutschlands bestehen?

Es wäre ja erfreulich, wenn es einen gäbe. Weg von unverhältnismäßigen Eingriffen in Bürgerrechte beispielsweise. Weg von der tief im Apparat verankerten Korruption. Weg von den Militäreinsätzen im Ausland. Weg von einer Politik, die bestenfalls in der Erhöhung der Armutsquoten glänzt. Ich breche an diesem Punkt mal ab, sonst verlängert sich die Liste noch bis morgen.

Und es wäre auch erfreulich, wenn es in der Linken eine parlamentarische Kraft dafür gäbe. Nur, nachdem diese ihre Fertigkeiten in der Kunst des Stöckchenspringens so weit perfektioniert hat, dass sie nicht nur in der Corona-Politik voll auf Linie ist, sondern auch in der Sozialpolitik mittlerweile bellt, nicht beißt, und zuletzt sogar meinte, nicht mehr gegen den Einsatz der Bundeswehr auf dem Flughafen Kabul stimmen zu müssen, sind die Aussichten da wohl sehr begrenzt.

Und Scholz? Steht als Person für alles, was die Große Koalition so unerträglich macht. Insbesondere durch seine Verwicklung in Cum-Ex, diesen gewaltigen Betrug, womit er keinen Deut sauberer dasteht als sein Kabinettskollege Jens Spahn von der CDU mit seinen Maskenproblemen. Was den unterwürfigen Gehorsam gegenüber der Milliardärskaste betrifft, passt kein Blatt zwischen die Großkoalitionäre.

"Erbschleicherei", wie das in der Frage genannt wurde, ist überhaupt ein irriges Wort in diesem Zusammenhang. Wäre die Große Koalition eine Erbtante, wäre man gut beraten, dieses Erbe auszuschlagen. Schließlich wurden die Beziehungen nicht nur zu Ländern, die auf der Abschussliste der NATO stehen, systematisch vergiftet. Man kann beliebige Griechen oder Italiener fragen, was sie von der Bundesregierung halten, dieser wie der davor, und von Merkel insbesondere. Beliebt ist dieses großspurige Deutschland, das allen anderen Moral predigt und selbst abzockt, nun wirklich nicht.

Über die Hinterlassenschaften der GroKo in der Infrastruktur braucht man keine Worte zu verlieren; die kann ein jeder tagtäglich genießen. Aber der Rüstungsetat wurde hochgetrieben. Eine Freude zumindest für alle, die Aktien der entsprechenden Firmen besitzen.

Nun, sollte die Merkelsche Bemerkung weitere Kreise ziehen, lässt sich der weitere Verlauf problemlos vorhersagen: Scholz wird erklären, er halte die Linke sowieso nicht für regierungsfähig, die Linke wird betonen, sie sei das doch so sehr, und der müde Wahlkampf wird, gleich, wie er ausgeht, in einer Koalition enden, die für die Mehrheit der Bevölkerung keinerlei Verbesserung verspricht, relativ unabhängig davon, wie sich die vorhandenen Parteien kombinieren. Die interessanteste Zahl des Wahltages wird vermutlich die der Nichtwähler sein, die als einzige den realen Zustand wiedergibt.

Es gibt im Grunde nur drei Unterschiede zwischen Merkel und Scholz – dass Erstere eine biologische Frau, Letzterer ein biologischer Mann ist; dass sie unterschiedliche Parteibücher in der Tasche tragen; und dass Scholz, weil seines von der SPD ist, etwas besser geeignet ist, die Gewerkschaften weiter im Koma zu halten, wenn Inflation und ökonomische Krise zuschlagen.

Das "gewaltig" zu nennen, ist mächtig übertrieben. Aber in diesem Wahlkampf tut sich ja sonst nichts.

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