Meinung

Reichlich Geld fürs Phrasenschwein – "Stand heute" im Dreikampf um die Kanzlerschaft

Wahldebatten mit zwei Kandidaten sind schon eine schwierige Angelegenheit. Drei Köpfe fürs Kanzleramt machen das Ganze zu einer Geduldsprobe. Am Ende gab es viel Erwartbares, aber auch ein paar Highlights. Hier die Schnellübersicht.
Reichlich Geld fürs Phrasenschwein – "Stand heute" im Dreikampf um die KanzlerschaftQuelle: AFP

von Arthur Buchholz

Ein Triell, so Wikipedia, ist eine Form des Duells, nur eben mit drei Personen. Die Besonderheit dieser Konfrontation ist, dass unter bestimmten Bedingungen der schlechteste Schütze gewinnen kann.

Da im deutschen Kanzlertriell leider alle "Schützen" schlecht sind, fällt diese spieltheoretische Besonderheit leider flach. Insofern muss man sehen, wer am Ende noch steht und nicht durch das Gewicht seiner eigenen politischen Phrasen erdrückt worden ist.

Kein leichter Job für die Moderatoren Pinar Atalay und Peter Kloeppel, die zwischendurch versuchten, den Kandidaten mit pointierten Fragen nachzuhelfen. 

Überraschungsgast war Nikolaus Blome, der Wanderpokal des deutschen Politikjournalismus, erst bei Bild, dann Spiegel, jetzt Politikchef von RTL/ntv. Es blieb allerdings bei einem Blitzauftritt, was der Sendung aber durchaus gutgetan hat.

Der erste Eindruck 

Annalena Baerbock wirkt leider immer noch auf unsympathische Weise nervös. Sie konnte als Herausforderin natürlich den Trumpf der "Erneuerung des Landes" ausspielen. Man merkte jedoch recht bald, dass sie außer dieser Karte beim Thema Klimaschutz nicht viel auf der Hand hatte. Die Herren von CDU und SPD kamen mit dem Nachteil, dass sie bzw. ihre Parteien seit Jahren in der Verantwortung sind. Vorteil: Sie konnten sich damit brüsten, was sie schon erreicht haben. Da merkte man schnell, was den Grünen fehlt. Laschet wirkte wach und fokussiert, Scholz erweckte manchmal den Eindruck, er habe die Wahl schon gewonnen (oder verloren) und betreibe die Debatte aus Nettigkeit.

Verteidigung

Keine grundsätzliche Überraschung: Alle wollen die Bundeswehr mit mehr Geld ausstatten. An der Sinnhaftigkeit des Afghanistan-Einsatzes wollte keiner so recht rütteln.

Laschet will zusätzlich eine Europaarmee und mehr Material, keine Kritik am eigentlichen Ansatz. 

Frau Baerbock sieht überall nur weinende Kinder und Mütter, dabei haben sich vor allem "junge Männer" am Flughafen in Kabul eingefunden. Außerdem will sie irgendwie mehr Schutzwesten und Nachtsichtgeräte besorgen.

Scholz meint, dank der SPD hat die Bundeswehr überhaupt Geld, dabei war es Annegret Kramp-Karrenbauer, die die höheren Etats ausgehandelt hat.

Corona

Die wichtigste Frage von Atalay: Wann sind wir so weit, dass wir sagen: Wir müssen mit dem Coronavirus leben wie mit anderen Infektionskrankheiten auch? 

Alle drei antworten mit dem üblichen Politikersprech und es nervt da gewaltig, dass es kein Phrasenschwein gibt.

Laschet ist hier der Einzige, der von "Grundrechtseinschränkungen" spricht. 2G ist für ihn kein Thema. Von den drei Kandidaten scheint er bei dem Thema am wenigsten verstockt.

Baerbock will in "Stadtteile" und "Gemeinschaftsunterkünfte" reingehen. Hmm, was könnte sie damit wohl meinen?

Im Übrigen will sie eine Impfquote von mindestens 80 Prozent, besonders in den Schulen, aber keine Impfpflicht.

In einem Interview mit der Funke Mediengruppe konnte man ihre Ansichten auch anders interpretieren.

Sehr interessant: Alle beteuern, dass es keinen neuen Lockdown geben wird. Ob diese Aussage Bestand hat, werden wir sehen. Baerbock schränkt schon mal mit einer schönen Vokabel ein: "Stand heute".

Klimaschutz 

Baerbock ist in ihrem Element und sie rattert los: Klimaschutzsofortprogramm, zwei Prozent Landesfläche für die Windkraft, Solarpflicht für alle Dächer, Kohleausstieg vorantreiben. Bis 2030 alle Verbrenner verbieten. 

Laschet und Scholz wollen prinzipiell in die gleiche Richtung, aber langsamer. Klar, dass Baerbock hier voranpreschen kann.

Kloeppel und Atalay haken mehrfach nach: Solche Maßnahmen werden richtig viel Geld kosten. Alle Kandidaten meiden die unangenehme Antwort auf diese Frage. Baerbock lässt ein wenig durchblicken, was wirklich auf die Bürger zukommt. Höhepunkt der Klimafantasien: Baerbock will Familien mit kleinem Einkommen einen zinslosen Kredit gewähren, damit sie sich ein E-Auto leisten können. Chapeau! So sieht die sozialverträgliche Klimapolitik aus.

Scholz versteigt sich sogar in die Aussage, die Bürger bekommen am Ende noch was raus! 

Einzig Laschet gibt sich skeptisch. Denn, auch das ist klar, umsonst wird es diese Energiewende nicht geben. Gerne wird die Schweiz als Modellland für die Umlage herangezogen. Aber auch da gehen nur 66 Prozent der Kosten an die Bürger zurück.

Jede Aussage, die Bürger bekommen am Ende noch was raus, sollte daher besonders in Deutschland mit Vorsicht zu genießen sein.

Lohn, Rente und Armut 

Dieses Thema ist das wohl am lustlosesten diskutierte der ganzen Sendung. Klar wurde von allen Beteiligten mal hier mal da am Spitzensteuersatz gedreht, mal ein bisschen Geld für Kinder mehr hier und da versprochen, aber in diesem Bereich hat keiner mit überschäumendem Enthusiasmus geglänzt. Wahrlich ein Armutszeugnis für Deutschland.

Beim Thema Gender wird gerne auf die bekannten Positionen verwiesen.

Fazit 

Es war eine zähe Nummer, die den Sinn nach zukünftigen Duellen oder Triellen in dieser Form infrage stellt. Zwei Stunden Sendung sind bei drei Kandidaten leider notwendig, trotzdem zu lang. Dafür hatten die Moderatoren die Diskutanten gut im Griff, die waren aber auch eher pflegeleicht.

Völlig subjektiver Sieger: Scholz, der gute Chancen hat, Merkel als Inkarnation zu folgen. Seine unaufgeregte und ruhige Art ist geeignet, Schlaflosigkeit zu heilen.

Laschet landet knapp dahinter. Er zeigt, dass er in Diskussionen besser wegkommt als grinsend im Hochwassergebiet.

Plattitüde des Abends: "Stand heute", Baerbock mehrmals.

Maulfaulster Kandidat: Scholz, Zitat: "Was ich fordere, ist ja seit Langem bekannt."

Lustigster Satz des Abends: "Wir haben Freiheitsrechte, jeder kann Witze machen, denken und sprechen, wie er gerne möchte."

Verlierer des Abends: Baerbocks Sprachtherapeut.

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