Querdenker oder Politiker – Wer ist hier die Fake-News-Schleuder?

Ab 23. August müssen sich Ungeimpfte auf Coronavirus-Bestandteile testen lassen, wenn sie öffentliche Räume betreten wollen. Die Entscheider begründen dies mit Angaben zur Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe, die in vielen Fällen nicht haltbar sind. Aussagen dreier deutscher Politiker im Faktencheck.
Querdenker oder Politiker – Wer ist hier die Fake-News-Schleuder?Quelle: www.globallookpress.com © Christian Mang / dpa

von Susan Bonath

I. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Gespräch mit dem Stern am 11. August

"Wir haben ja eigentlich jetzt viel höhere Inzidenzwerte, also bei den Ungeimpften – denn wir haben ja eine Pandemie der Ungeimpften – denn die Geimpften sind ja im Prinzip nicht betroffen."

Der CSU-Hardliner Söder glaubt demnach an eine hohe Dunkelziffer – allerdings nur bei Ungeimpften. Überhaupt seien Letztere alleinige Träger des Virus und Verbreiter. Woher Bayerns Ministerpräsident seine Weisheiten hat, verrät er in dem Stern-Interview nicht.

Vom Robert Koch-Institut (RKI), das in der Pandemie zu einer Art Wahrheitsinstitut mutiert ist, können sie nicht stammen. Dessen neuester Wochenbericht gibt ganz andere Daten her. Demnach steigen mit der Impfquote auch die Zahl und der Anteil der Impfdurchbrüche am gesamten Infektionsgeschehen in Deutschland. Geimpfte spielen also sehr wohl eine Rolle.

Immer mehr doppelt Geimpfte symptomatisch erkrankt

Das RKI berichtet darin von 6.135 doppelt Geimpften allein innerhalb der Kalenderwochen 28 bis 31 – also vom 12. Juli bis zum 8. August – die frühestens zwei Wochen nach ihrer letzten Dosis positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet wurden. Davon waren laut Bericht 4.906 Betroffene (80 Prozent) symptomatisch erkrankt, und nur diese wertet es als Impfdurchbrüche.

Für eine Bewertung muss man diese asymptomatischen und symptomatischen Positivfälle bei doppelt Geimpften nun in Relation zu den Gesamtfällen setzen, die in diesem Zeitraum entdeckt wurden. Das RKI meldete in diesem Zeitraum insgesamt 54.814 Positivfälle. Aus seinem Wochenbericht geht hervor, dass davon 36.261 Menschen (66 Prozent) Symptome entwickelt hatten. Das bedeutet: 11,2 Prozent aller positiv Getesteten und 13,5 Prozent aller Menschen mit Symptomen waren bereits doppelt geimpft.

Noch klarer wird das Bild, wenn man die einzelnen Alterskohorten nimmt. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Ministerpräsidentenkonferenz am 11. August der Presse erklärte, seien "gut 80 Prozent der über 60-Jährigen" in Deutschland geimpft. In dieser Altersgruppe treten seit dem Beginn der warmen Jahreszeit die wenigsten Positivtests auf – von Woche 28 bis 31 meldet das RKI im Bericht 2.381 symptomatische Erkrankungen. 753 dieser Betroffenen hatten ihre Zweifachimpfung erhalten – 31,6 Prozent, also fast ein Drittel.

Bei den Jüngeren ist auch die Impfquote noch etwas geringer, insbesondere bei den Unter-Zwölf- bis 18-Jährigen. In dieser Altersgruppe meldete das RKI 3.755 symptomatische Erkrankungen für den Vierwochen-Zeitraum, davon hatten 48 (1,3 Prozent) die zweite Impfung schon hinter sich. Bei den 18- bis 59-Jährigen waren 4.105 von 30.125 (13,6 Prozent) doppelt geimpft.

Noch etwas wird deutlich: Mit der Impfquote in Deutschland steigt der Anteil der doppelt Geimpften unter den Positivfällen. Woche 25 bis 28 (das RKI meldet nur diesen Vierwochen-Zeitraum) registrierte es 1.542 Positivfälle, davon 1.128 symptomatische, also Impfdurchbrüche, unter doppelt Geimpften. In den Wochen 28 bis 31 waren es schon 6.135 Positive, davon 4.906 mit Symptomen – viermal so viele.

Geimpfte wohl mindestens zeitweise genauso ansteckend wie Ungeimpfte

Weil Geimpfte sich nicht mehr so häufig testen lassen müssen, könnten bei ihnen Fälle ohne oder mit sehr geringen Symptomen zudem erheblich unterschätzt werden. In einer Studie in Massachusetts (USA) fanden die Forscher etwa heraus, dass nicht nur ein hoher Anteil einer Gruppe Infizierter doppelt geimpft war. Auch die Viruslast bei Letzteren war zumindest zeitweise so hoch wie bei Ungeimpften. Das würde bedeuten: Sie können das Virus in dieser Zeit genauso übertragen wie Ungeimpfte. Gleiches fanden Wissenschaftler in Großbritannien heraus.

Fazit:

Bayerns Ministerpräsident Söder könnte man unterstellen, populistische Fake News zu verbreiten – ob absichtlich oder nicht, sei dahingestellt. Seine Behauptung, dass es sich ausschließlich um eine "Pandemie der Ungeimpften" handele, ist nicht haltbar.

II. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Pressekonferenz zur Corona-Runde der Ministerpräsidenten am 10. August

"Wir können davon ausgehen, dass auch bei der Delta-Mutation die Impfwirkung sehr, sehr positiv ist, insbesondere bezüglich schwerer Verläufe der Pandemie."

Kanzlerin Merkel behauptet also eine "sehr, sehr positive" Wirkung der Impfung gegen die Delta-Mutation des Coronavirus und bezieht sich dann vor allem auf den Schutz vor schweren Krankheitsverläufen. Zu dieser Erzählung ging auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) über, nachdem Medien immer mal wieder von geimpften "Superspreadern" berichtet hatten und besonders hohe Sieben-Tage-Inzidenzen (Positivfälle pro 100.000 Einwohnern) in Ländern mit hoher Impfquote bekannt geworden waren. Wobei es zugleich weiterhin darauf besteht, die Impfstoffe wirkten je nach Mittel zu 70 bis 95 Prozent gegen eine Ansteckung.

Hohe Impfquote, aber Superinzidenzen

Die Lage in zahlreichen Ländern zeigt zunächst hinsichtlich der Ansteckungshäufigkeit ein anderes Bild. Für Gibraltar bei einer Impfquote von nahezu 100 Prozent wurden Ende Juli Inzidenzwerte von rund 600 gemeldet, so hoch wie noch nie seit Beginn der Pandemie. In Island stieg die Inzidenz trotz hoher Durchimpfung auf nunmehr über 400, in Spanien auf über 300.

In Israel, wo knapp 60 Prozent der Menschen doppelt geimpft sind, stieg die Inzidenz jetzt auf über 300. Auch verzeichnet das Land bereits erste Infektionen nach einer Drittimpfung, wie das Schweizer Nachrichtenportal NAU unter Berufung auf den israelischen Sender Channel 12 berichtete. Von 14 positiv Getesteten würden zwei mit schweren Symptomen in einer Klinik behandelt, heißt es. Kurz zuvor hatte Israel seine Maßnahmen verschärft, weil offenbar auch die Zahl schwerer Corona-Fälle zugenommen hatte.

Am 16. Juli berichtete die Bild über eine Studie aus Großbritannien, wonach 47 Prozent der neuen Postivfälle mindestens einmal geimpfte Personen betroffen hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatten rund 69 Prozent der Briten wenigstens eine Dosis eines COVID-19-Vakzins erhalten. Da nicht genau bekannt ist, zu welcher Zeit die Daten für die Studie gesammelt wurden, könnte sie zu diesem Zeitpunkt auch noch darunter gelegen haben. Demnach ist die Prävalenz des Virus in der Gruppe der Ungeimpften immer noch höher. Doch von einem 70- bis 95-prozentigem Schutz ist kaum auszugehen.

Geimpfte in der Klinik – Deutschland mit Datenlücke

Auch schwere Fälle unter Geimpften nehmen dort wohl ebenfalls zu. Mitte Juli waren laut Berliner Zeitung 40 Prozent der COVID-19-Patienten in britischen Kliniken mindestens einmal geimpft. Offenbar verhindern die Impfstoffe das Ansteckungsrisiko nicht so stark wie propagiert, und es kommt auch öfter zu einem schweren Verlauf.

In Deutschland zeichnet sich ebenfalls ab, dass Geimpfte sich mit der Zeit nicht nur immer häufiger infizieren, sondern auch in einer Klinik landen. Das RKI gibt hierzu in seinem jüngsten Wochenbericht jedoch nur selektive Daten zu den doppelt Geimpften wieder. Von insgesamt 4.906 symptomatischen Impfdurchbrüchen in den Kalenderwochen 28 bis 31 betrafen 26 die sogenannte Alpha-Variante und 2.699 die sogenannte Delta-Mutation, von den restlichen ist die Virusvariante nicht bekannt. Aber nur zu diesen Fällen gibt es die Hospitalisierungen an: insgesamt 95 in den zuletzt erfassten vier Wochen, 3,5 Prozent.

Nun bedeutet Krankenhaus nicht automatisch Intensivstation. Aber hier gibt es eine Datenlücke, wie die Rheinische Post (RP) vor wenigen Tagen berichtete. Kurz: Das RKI und das DIVI-Intensivregister erfassen den Impfstatus bei diesen schweren Fällen gar nicht. Auch auf Anfrage der Autorin hatte das RKI angegeben, hier über keine Zahlen zu verfügen. Die RP habe von drei Chefärzten in drei Kliniken herausgefunden, dass dort insgesamt zehn COVID-19-Patienten auf einer ITS betreut würden – einer davon sei doppelt geimpft gewesen.

Fazit:

Merkels Behauptung von der "sehr, sehr positiven Impfwirkung" bezüglich der Delta-Mutation, "insbesondere bezüglich schwerer Verläufe", steht auf wackeligen Füßen. Den Daten zufolge können sich Geimpfte durchaus in erheblichem Maß anstecken und auch schwer erkranken. Die Wirksamkeit erscheint geringer als angegeben.

III. Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, nach den Verschärfungsbeschlüssen für Ungeimpfte am 10. August

"Ich will ausdrücklich noch mal darauf verweisen, dass alle klinischen Studien und auch alle Erfahrungswerte bei den Impfungen von Millionen Menschen auch klar ergeben, dass wir sichere und verlässlichen Impfstoffe haben und niemand Sorgen haben muss, sondern das ist eine wichtige Hilfestellung, um durch diese Pandemie zu kommen."

Er will ihnen alle Testungen erlassen und die Quarantäne-Auflagen für sie lockern.

Zur Verlässlichkeit der Impfstoffe, also ihren Schutz gegen COVID-19, wie von Günther hier propagiert, ist bereits eine Menge gesagt worden, was seine Behauptungen keiner journalistischen Untersuchung standhalten lässt. Fraglich ist aber ebenso ihre angebliche Sicherheit, wonach "niemand Sorgen haben" müsse. Es geht um mögliche Nebenwirkungen der Vakzine. Mit Sicherheit ist zu sagen: Noch nie wurden den zuständigen Behörden so viele mutmaßliche Nebenwirkungen zu Impfstoffen gemeldet wie im Fall der vier in Europa bedingt zugelassenen COVID-19-Vakzine.

So viele Verdachtsfälle von Nebenwirkungen wie noch nie bei Impfstoffen

Der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA wurden, Stand 12. August, 802.786 Personen mit mutmaßlichen Nebenwirkungen für alle Impfstoffe gemeldet, rund 700.000 davon erhielten die am meisten verabreichten Mittel von Pfizer/BioNTech und AstraZeneca. Insbesondere von leichteren Nebenwirkungen wird dabei verschiedenen Studien zufolge nur etwa ein Prozent oder weniger der tatsächlichen Fälle bei den Behörden angezeigt. Abrufbar ist dies auf der EMA-Seite unter dem Buchstaben C für COVID-19-Impfstoffe. Fast die Hälfte der angegebenen noch höheren Anzahl von Einzelwirkungen sind als "ernsthafte Reaktionen" gekennzeichnet. Auch Tausende Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung verzeichnet die Behörde.

Bekannt ist, dass viele Verdachtsfälle bei Arzneimitteln nicht gemeldet werden. Studien zufolge beträgt die Melderate bei leichten mutmaßlichen Nebenwirkungen weniger als ein Prozent, bei schweren Fällen rund zehn Prozent. Viele Meldefälle werden aber offenbar nicht untersucht, sodass auch hier nicht klar ist, ob ein Zusammenhang besteht.

Anerkannt sind bereits Nebenwirkungen wie Thrombosen, unter anderem der Hirnvenen, in Verbindung damit (TTS), aber auch eigenständig auftretend, Thrombozytopenien (Mangel an Blutplättchen, was zu inneren Blutungen führen kann) und Herzentzündungen, die bei Kindern und Jugendlichen nach einer von 18.000 Impfungen auftreten sollen, aber auch bei jüngeren Erwachsenen, vor allem Männern, gehäuft vorkommen.

Untersucht werden zudem übermäßige Menstruationsblutungen bei Frauen, das sogenannte Guillain-Barré-Syndrom, eine autoimmune Entzündung des Rückenmarks mit Lähmungen, und Tinnitus (Ohrgeräusche) sowie Schwindel. Die Impfstoffproduzenten Pfizer und Moderna prüfen darüber hinaus einen Zusammenhang mit Nierenversagen und allergischen Hautreaktionen.

Meldefälle werden kaum rechtsmedizinisch untersucht

Das für Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI), seit Wochen im Rückstand mit seinen Sicherheitsberichten, listet bis zum 30. Juni 2021 fast 107.000 Meldungen von mutmaßlichen Impfreaktionen auf, darunter gut 10.600 schwere Fälle, gut 1.000 der davon betroffenen Personen starben im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung. 14 Frauen und zehn Männer erlagen nach einer AstraZeneca-Impfung dem als Nebenwirkung anerkannten TTS-Syndrom.

"Faktenchecker" wie das dafür bezahlte Portal Correctiv betonen immer wieder gern, dass es sich nur um Verdachtsfälle handele und überhaupt nichts bewiesen sei. Das Problem: Die Meldefälle werden kaum rechtsmedizinisch untersucht, die Toten nur selten obduziert. Das beklagte jüngst auch der Heidelberger Chefpathologe Peter Schirmacher. Er geht sogar von einer "beträchtlichen Dunkelziffer an Impftoten" aus und forderte mehr und gezieltere Obduktionen.

Fazit:

Eine politische Anweisung zu gezielten Obuktionen erfolgte bisher nicht, und die Impfwerbung der Bundesregierung läuft einfach weiter. Dafür müssen zumindest fragwürdige Sicherheitsversprechen wie das des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Günther herhalten.

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