Meinung

Das Märchen von der Betriebsrente

Die gesetzliche Rente wird immer niedriger; inzwischen wird sogar schon vom Renteneintritt mit 70 gemunkelt. Macht nichts, heisst es, Riester-Verträge und Betriebsrenten bessern auf. Nach dem Institut Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen ein Märchen.
Symbolbild; älteres Paar in Nizza 2017Quelle: AFP © VALERY HACHE / AFP

von Dagmar Henn

Das Renteneintrittsalter in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt mittlerweile bei 67 Jahren, doch fast die Hälfte der gezahlten Renten liegt unter 800 Euro. Nirgends in Europa ist der Abstand zwischen dem Arbeitseinkommen und der ausgezahlten Rente so hoch. Verkauft wurde diese Entwicklung als nötige Reaktion auf die demografische Entwicklung, und es wird heftig für ergänzende Vorsorge geworben, für Riester- und Betriebsrenten.

Dass die Riesterei sich nicht lohnt, ist mittlerweile allgemein bekannt. Dazu kommt natürlich noch das Problem, dass man das Geld für jede Art von Sparvertrag tatsächlich übrig haben muss, und zu viele nichts übrig haben. Bleibt also noch das, was als "dritte Säule" des Rentensystems gepriesen wird, die Betriebsrente.

Das Institut Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen hat sich die realen Zahlen aus dem Jahr 2019 dazu genauer angesehen und kommt zu ernüchternden Ergebnissen. Der Durchschnitt liegt bei den Männern bei 635, bei den Frauen bei 244 Euro. Aber die Hälfte der Männer und fast drei Viertel der Frauen erhalten Betriebsrenten von weniger als 300 Euro; bei einem Drittel der Frauen sind es sogar weniger als hundert Euro im Monat. Daraus lässt sich erkennen, dass sich durch Betriebsrenten gerade an den unteren Renten gar nichts ändert, genauso wenig wie durch "Riestern". Glück haben 18 Prozent der Männer, sie erhalten mehr als 1.000 Euro. Ihr Einkommen dürfte aber so hoch gewesen sein, dass sie auf diese zusätzliche Zahlung ohnehin nicht angewiesen sind.

Noch ernüchternder ist der Anteil der Beschäftigten, die überhaupt Betriebsrenten erhalten. In den alten Bundesländern sind dies nämlich ohnehin nur 28 Prozent der Männer und nur lächerliche 9 Prozent der Frauen. In den neuen Bundesländern wird die Betriebsrente gänzlich zum Phantom – dort erhalten nur sieben Prozent der Männer und ganze drei Prozent der Frauen eine betriebliche Rente.

Ein wenig beachteter Nachteil, den die Betriebsrente mit dem Riestern gemeinsam hat, ist, dass das dafür aufgebrachte Geld (meistens) auf dem Kapitalmarkt investiert wird. Das bedeutet nicht nur ein wesentlich höheres Risiko als bei der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung; gleichzeitig tritt den Beschäftigten ihre eigene Rentenanlage als Gegner gegenüber. Schließlich sind, gesamtgesellschaftlich gesehen, Einkünfte aus Löhnen und Gehältern und Einkünfte aus Kapitalvermögen Konkurrenten um den selben Topf; die Einkünfte aus Kapitalvermögen steigen in dem Maße, in dem die Löhne sinken, und umgekehrt.

In der wirklichen Welt ist es aber, das belegen die Daten des Instituts, für die allermeisten Beschäftigten die Entwicklung der gesetzlichen Rente, die über die Lebensqualität ihres Rentnerdaseins entscheidet.

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