US-Geheimdienst auf Kurs zu neuem "Krieg der Sterne"?

Mit der neuen "Space Force" haben die USA nun 18 Geheimdienste. Damit strebt Washington mit weiterer Militarisierung die Dominanz im Weltraum an und riskiert, den Vertrag zur friedlichen Nutzung des Weltalls endgültig auf den Scherbenhaufen der Geschichte zu werfen.
US-Geheimdienst auf Kurs zu neuem "Krieg der Sterne"?Quelle: Gettyimages.ru © 3DSculptor / iStock / Getty Images Plus

von Rainer Rupp

Die USA haben Ende Dezember letzten Jahres offiziell ihren 18. "Intelligence Service" (Geheimdienst) bekommen, nämlich die US Space Force. Nur in den Jahren unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verfügte die US-Regierung über noch mehr "Intelligence Services". Mit der neuen Space Force – Raumstreitmacht – will das Pentagon den Weltraum noch stärker militarisieren, als dies leider bisher schon der Fall ist.

Zugleich hat Washington mit der Gründung der fast 15.000 Mann starken Space Force unverkennbar die Weichen in Richtung des Wettrüstens im Weltall gestellt. Denn laut einem Bericht des "Wissenschaftliches Dienstes des US-Kongresses" (CRS), datiert vom 8. Januar 2021, steht "die Herstellung der totalen US-Dominanz im erdnahen Weltraum" an erster Stelle der "Mission" der neuen US Space Force.

Leider verliert der CRS-Bericht an den US-Kongress kein Wort darüber, wie sich die Aufgabenstellung des neuen US-Geheimdienstes für das Weltall mit dem "Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" – kurz Weltraumvertrag – verträgt, der am 27. Januar 1967 auf Basis der Erklärung der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 1963 zu den Rechtsgrundsätzen hinsichtlich der Tätigkeiten im Weltraum vereinbart wurde. Der Vertrag trat am 10. Oktober 1967 in Kraft. Bis Juli 2020 hatten ihn 110 Staaten ratifiziert – darunter fast alle Staaten, die gegenwärtig Aktivitäten im Weltraum betreiben, allen voran bereits 1967 die USA und die Sowjetunion, deren juristischer Nachfolgestaat Russland ist.

Der Weltraumvertrag von 1967

Der sogenannte "Weltraumvertrag" war nach jahrelangen Verhandlungen im Rahmen der Bemühungen der Vereinten Nationen zustande gekommen. Das Ziel war, die Militarisierung des Alls zu verhindern und seine Erforschung ausschließlich friedlichen Zielen nutzbar zu machen, "zum Vorteil und im Interesse aller Länder", wie es im Artikel 1 des Vertrags heißt.

Artikel 4 verpflichtet alle Vertragsstaaten, "keine Gegenstände, die Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen tragen, in eine Erdumlaufbahn zu bringen und weder Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestücken noch solche Waffen im Weltraum zu stationieren." In 17 weiteren Artikeln versucht der Vertrag, die friedliche Nutzung des Weltraums festzuzurren und vor allem ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern.

Allerdings hatten die großen Atomwaffenstaaten von Anfang an größten Wert darauf gelegt, dass im Vertrag nur vollständige Umlaufbahnen "als Nutzung des Weltraums" definiert waren. Damit fielen zum Beispiel ballistische Interkontinentalraketen mit ihren Nuklearsprengköpfen nicht unter die im Vertrag festgehaltenen Einschränkungen.

Bereits 15 Jahre nach seiner Ratifizierung durch die USA und die Sowjetunion hatte der damalige US-Präsident Ronald Reagan den Vertrag provokativ in Frage gestellt, als er 1983 der Öffentlichkeit sein SDI-Projekt vorstellte, nämlich die Stationierung eines waffenstarrenden Gürtels im Erdorbit.

So weit kam es damals zum Glück nicht. Denn das SDI-Projekt wurde in den 1990er Jahren eingestellt – aber nicht, weil es den Weltraumvertrag verletzte, sondern wegen technischer Probleme einer Realisierung. Man muss kein Waffenexperte sein, um zu erkennen, dass der Weltraumvertrag schon lange ausgehöhlt ist. Heute umkreisen Hunderte Satelliten mit militärischen Aufgaben die Erde. Sie tragen allerdings keine Atomsprengköpfe. Das würde gegen den Weltraumvertrag verstoßen. Der Grund für diese seltene Vertragstreue ist jedoch, dass alle Atomwaffenmächte aus Eigeninteresse eine Stationierung von Atomwaffen im All verhindern wollen.

In anderen Bereichen wird das Militarisierungsverbot des Weltraumvertrags von den großen Mitgliedsstaaten jedoch sehr "kreativ" und weit ausgelegt, wie die große Zahl der militärischen Satelliten im All zeigt. Diese dienen längst nicht mehr nur der Spionage, sondern inzwischen sind etliche Satelliten auch in der Lage, andere Satelliten zu rammen und zu zerstören, um damit im Ernstfall die Infrastruktur ganzer Länder lahmzulegen.

Aber auch aus der modernen Kriegführung sind Satelliten nicht mehr wegzudenken. Denn sie sind zu Schlüsselelementen für die Steuerung von Drohnenangriffen sowie für die militärischen Kommando-, Kontroll- und Kommunikationsstrukturen geworden, ohne die hier unten auf der Erde ein breites Spektrum militärischer Operationen gar nicht mehr möglich wäre. Diese Entwicklung war nach dem formalen Ende von Ronald Reagans "Star Wars"-Projekt, wie SDI im Volksmund genannt wurde, vor allem vom Pentagon in Zusammenarbeit mit dem militärisch-industriellen Komplex vorangetrieben worden.

Das Ziel: Globale US-Vorherrschaft in allen militärischen Bereichen

Tatsächlich ist die Grundidee von SDI in Washington, D.C. nie aufgegeben worden. Denn in der US-Hauptstadt überwiegen nach wie vor die Falken. Diese Kriegstreiber streben trotz zunehmender ökonomischer Schwäche ihres Landes weiterhin nach der "full spectrum dominance", also nach der absoluten globalen US-Vorherrschaft in allen militärischen Bereichen, einschließlich im Weltraum. Letzteres, nämlich die Dominanz in allen Teilbereichen des erdnahen Weltraums, steht denn auch an erster Stelle der Prioritätenliste der neuen US Space Force. Und das militärpolitische Gewicht der Space Force wird allein dadurch betont, dass ihr Kommandeur in der Hierarchie im Pentagon unabhängig und gleichberechtigt neben dem Stabschef der US Air Force steht.

Laut dem eingangs bereits erwähnten Bericht des CRS vom 8. Januar 2021 lautet die "Mission" der Space Force prioritär:

"Die Weltraumüberlegenheit, Bereitschaft in allen Bereichen des Weltraums (militärisch, zivil und kommerziell); Offensive und defensive Raumkontrolle; Befehlszentrale für und Steuerung der Weltraumstreitkräfte & Satellitenoperationen; Weltraumunterstützung der Nuklearstreitkräfte, der Kommunikation und Kontrolle sowie der Raketenwarn-/Verteidigungsoperationen."

Unter Bezugnahme auf das US-Haushaltsgesetz für das Militär (NDAA) für das Fiskaljahr 2020 listet der CRS die der Space Force übertragenen Aufgaben wie folgt auf:

  1. die Interessen der Vereinigten Staaten im Weltraum zu schützen;
  2. Aggressionen im, aus dem und in den Weltraum zu unterbinden; und
  3. Raumoperationen durchzuführen.

Demnach soll die Space Force

"die Freiheit (militärischer und ziviler) US-Operationen im, vom und in den Weltraum hinein sichern. Dazu gehören sowohl kampf- als auch weltraumorientierte Kampfunterstützungsfunktionen, die es den Vereinigten Staaten ermöglichen sollen, unverzüglich offensive und defensive Weltraumoperationen durchzuführen, um US-amerikanische und verbündete Interessen in allen Kriegsgebieten zu schützen."

Damit die Space Force möglichst schnell ihre Mission erfüllen kann und um Doppelarbeit zu vermeiden, sollen der neuen Geheimdienst-Truppe etwa 75 Prozent ihrer Bedürfnisse an technischer Hardware (zum Beispiel Radarstationen und IT-Support) und Infrastruktur (wie Logistik und Basisbetriebsunterstützung) aus den aktiven Beständen der US-Luftwaffe überstellt werden. Gleiches gilt für insgesamt etwa 16.000 zivile technische Experten und Soldaten, die zuvor bei der US-Luftwaffe gearbeitet haben. Die Soldaten wechseln lediglich ihre Uniformen und tragen nun die Insignien der neuen Space Force.

Trotz der kostensparenden Übernahme eines Großteils ihrer materiellen Bedürfnisse in Form von Hardware und Infrastruktur aus bestehenden Air-Force-Beständen ist der Haushalt für das Finanzjahr 2021 der neuen Truppe mit immerhin 15,5 Milliarden Dollar veranschlagt. Davon geht der Großteil von 8,9 Milliarden Dollar an die "technologische Entwicklung von Satelliten". Da die US-Falken derzeit ihren inzwischen zwanzigjährigen "Globalen Krieg gegen den Terror" auslaufen lassen und einen neuen Kalten Krieg gegen Russland und China entfacht haben, bei dem die militärische US-Dominanz über den Weltraum eine oder sogar die ausschlaggebende Rolle spielt, ist davon auszugehen, dass die US Space Force in den kommenden Jahren finanziell aus dem Vollen schöpfen kann.

Die US Intelligence Community

Wahrscheinlich wird 2021 das letzte Jahr sein, in dem Zahlen über die Ausgabenstruktur der Space Force veröffentlicht wurden. Als neues, 18. Mitglied der US Intelligence Community (IC) verhindert ein Gesetz aus dem Jahr 2007, dass künftig Angaben auch darüber wie überhaupt über die Haushalte aller sonstigen Mitglieder der IC gemacht werden. Nur die eine einzige Zahl, nämlich die Gesamtausgaben dieser Community, wird dem US-Kongress gemeldet.

Die Gesamtausgaben der bisherigen 17 Geheimdienst-Einheiten der IC werden in der Regel verstanden als die Kombination des National Intelligence Program (NIP), das die strategische Planung und Politikgestaltung unterstützt, und des Military Intelligence Program (MIP), das militärische operative und taktische Planungs- und Operationsebenen unterstützt. Zugleich überschneiden sich einige Komponenten von NIP und MIP, und die Ausgaben kommen aus verschiedenen Finanzierungsquellen. Nachfolgend eine Auflistung der 17 Geheimdienste der USA:

Zum US-Verteidigungsministerium gehören:

  • Defense Intelligence Agency (DIA)
  • National Geospatial-Intelligence Agency (NGA)
  • National Reconnaissance Office (NRO)
  • National Security Agency (NSA)
  • US Air Force Intelligence
  • US Army Intelligence
  • US Marine Corps Intelligence
  • US Navy Intelligence

Weitere Geheimdienste:

  • Bureau of Intelligence and Research (zum US-Außenministerium gehörend)
  • Central Intelligence Agency (CIA)
  • Drug Enforcement Administration's Office of National Security Intelligence
  • Federal Bureau of Investigation's Intelligence Branch (FBI/IB)
  • Office of Intelligence and Analysis (zum Department of Homeland Security gehörend)
  • Office of Intelligence and Analysis (zum US-Finanzministerium gehörend)
  • Office of Intelligence and Counter-Intelligence (zum US-Energieministerium gehörend)
  • US Coast Guard Intelligence

Für das Fiskaljahr 2019 beliefen sich laut offiziellen US-Angaben die Ausgaben für alle 17 Mitglieder der IC auf 81,1 Milliarden US-Dollar, davon 59,9 Milliarden für das NIP und 21,2 Milliarden für das MIP. Für das Fiskaljahr 2020 beläuft sich der Gesamtbetrag auf 85,75 Milliarden US-Dollar, davon 62,8 Milliarden für NIP und 22,95 Milliarden für das MIP – ein Anstieg um 4,4 Milliarden US-Dollar gegenüber dem Vorjahr. Und für das laufende Jahr kann nochmals mit einem kräftigen Anstieg gerechnet werden, allein schon wegen der zusätzlichen Ausgaben für die neue Space Force.

In Euro ausgedrückt haben die US-Geheimdienste im letzten Jahr also 76 Milliarden Euro ausgegeben. Die Sollausgaben für die Bundeswehr beliefen sich auf 45 Milliarden Euro. Damit lagen die Ausgaben für die gesamt Bundeswehr, einschließlich Personalausgaben bei nicht einmal 60 Prozent der Ausgaben allein für die US-Geheimdienste.

Es verblüfft auch, wenn man die US-Geheimdienstausgaben von 85 Milliarden Euro zum gesamten russischen Verteidigungshaushalt von 65 Milliarden Euro in Beziehung setzt. Da muss sich doch jeder fragen: Wer bedroht hier wen?

Diese Vergleiche dürften auch einem Laien einen Eindruck von der totalen Überlegenheit und gigantischen Macht der gefährlichen US-Geheimdienste geben, auch gegenüber den NATO-Verbündeten oder Vasallen.

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