Meinung

Und wo bleibt "der Hitler"? Eine Glosse zum Trump-Alarmismus der Medienlandschaft

"Er ist wieder da" – und zwar seit den US-Wahlen im Jahr 2016. So klingt CJ Hopkins zumindest der damalige Tenor der Mainstream-Medien noch heute in den Ohren. Er führt an, was er als Indizien erachtet, und diskutiert den Sinn – oder vielmehr Unsinn – dieses Keulenschwingens.
Und wo bleibt "der Hitler"? Eine Glosse zum Trump-Alarmismus der MedienlandschaftQuelle: Reuters © Jonathan Ernst

von CJ Hopkins

Also jetzt zeigt ihn endlich. Ich bin mit meiner Geduld am Ende. Keine Ausreden mehr! Wo bleibt der Hitler?

Ja, ihr habt mich richtig verstanden. Mit euch spreche ich. Mit euch respektablen Journalisten und politischen Experten. Mit euch Geheimdienstlern und Politikern. Mit euch fanatischen Liberalen. Mit euch Pseudo-Antifaschisten. Mit euch allen, den Mitgliedern einer "Résistance" im Namen des globalen Kapitals, die ihr hysterisch "Trump ist Hitler!" geschrien hattet, seit er damals im Jahr 2016 die Nominierung gewann.

Gut und schön: Jetzt haben wir Dezember 2020. Die Show ist fast vorbei. Wann kriegen wir denn nun den Hitler zu Gesicht?

Nein, jetzt sagt mir nicht: "Irgendwann, sehr bald". Das sagt ihr uns jetzt schon vier Jahre lang. Sehen wir vielleicht aus wie ein Haufen leichtgläubiger Idioten, die ihr uns vier Jahre lang mit eurem ständigen "Hitler!"-Geschrei in einen Rausch hirnlosen Hasses und bis zur Paranoia hochpeitschen könnt – und denen ihr dann keinen echten Hitler vorzuzeigen braucht?!

Wisst ihr was? Das sind wir nicht. Wir wissen noch, was ihr gesagt habt. Ihr habt versprochen, uns diesen Hitler zu zeigen. Und jetzt wollen wir ihn auch endlich sehen – oder wenigstens eine anständige Kopie von Hitler.

Und tut jetzt bloß nicht so, als hättet ihr uns keinen Hitler an die Wand gemalt. Das habt ihr nämlich sehr wohl. Soll ich es beweisen? Okay!

Der braune Teufel an der Wand...

Erinnert ihr euch noch? An das Jahr 2016, als das Wall Street Journal, die New York Times, der Guardian, die Washington Post, der Inquirer und andere derartige "führende, respektable Großformatblätter" sowie auch noch Online-Magazine – wie Mother Jones, Forward, Slate, Salon, Vox, AlterNet und unzählige andere – warnten, dass Trump geheime antisemitische "Hundepfeifen"-Signale – wie man das nannte – an seine Untergrundarmee von Nazi-Terroristen senden würde – indem er wortwörtlich über "internationale Banken", "globale Eliten", das "politische Establishment" und sogar "Unternehmen" und "Lobbyisten" sprach ... was ja alles angeblich  Codeworte für "die Juden" seien, die er also ausrotten würde, sobald er die Wahl gewonnen hätte.

Also ich schon, ich erinnere mich sehr genau daran.

Und wie war das noch: Nachdem er die Wahl gewonnen hatte, alarmierte The Guardian "Weißer Suprematismus hat gewonnen", und die New York Times, NPR, Keith Olbermann und andere verifizierte Nachrichtenquellen warnten, dass die Vereinigten Staaten von Amerika im "rassischen Orwellianismus" oder im zionistischen Antisemitismus oder im "bodenlosen Abgrund des Faschismus" oder worin auch immer versinken würden. Oder als Michael Kinsley in der Washington Post versicherte, dass "Donald Trump in Wirklichkeit ein Faschist" sei.

Erinnert ihr euch an das alles? Also ich erinnere mich ganz gewiss.

Erinnert ihr euch auch noch an Aaron Sorkins Brief
In welchem er seine Tochter warnte, dass Millionen von "muslimischen US-Amerikanern, mexikanischen US-Amerikanern und Afroamerikanern wie Espenlaub zittern", in der Erwartung, Trump werde jede Sekunde sie alle zusammentreiben und ins Lager schicken – zusammen mit den "jüdischen Küsteneliten".

Und wie war das, als das Stern-Magazin Trump abbildete – in die Flagge gehüllt und mit dem Arm zum Hitlergruß erhoben?

Oder als die Philadelphia Daily News ihn ebenfalls als Hitler auf ihrem Cover darstellte? 

Oder wie war das, als die Konzernmedien berichteten, Trump hätte die Verandafackel-Nazis in Charlottesville "sehr feine Leute" genannt (obwohl er das nachweislich nicht getan hatte)? 
Oder als sie Trump dabei erwischten, wie er jemanden einen "Globalisten" nannte?
(Diese Episode war ja nun für mich persönlich ganz besonders beunruhigend: Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich wortwörtlich ein Nazi bin! Gott sei Dank haben mich die Konzernmedien und die Anti-Diffamierungs-Liga darüber aufgeklärt, dass das Reden über "globalen Kapitalismus" oder "Neoliberalismus" oder – Gott helfe mir – über "Banken", nichts anderes sind als Ausdrücke der Nazi-Codesprache – quasi für "Tod den Juden!")

Oh, und weil wir gerade beim Thema "Hundepfeifen"-Signale an Nazis waren: Wisst ihr noch, als das US-Heimatschutzministerium heimlich einen Nazi-Code in eine seiner offiziellen Pressemitteilungen einbaute? Oder als jener jüdisch-mexikanisch-amerikanische Gerichtsbeamte jener "Untergrundarmee der Nazis" im Dienste Trumps signalisierte, dass der Oberste Gerichtshof der USA erfolgreich infiltriert war – und somit der gefürchtete "Boogaloo" – der zweite US-Bürgerkrieg – wahrscheinlich unmittelbar bevorstand?

Und wer könnte es jemals vergessen, wie die New York Times dieses ausgewachsene dystopische Fantasiewerk veröffentlichte? Zur Erinnerung: Darin bilden Trump, Putin, Marine Le Pen, die AfD und andere notorische, die "Globalisten" hassende Hitler-Anhänger heimlich eine Achse des Bösen (die "Allianz autoritärer und reaktionärer Staaten"), lösen sodann die Europäische Union und die NATO auf, verhängen schließlich internationales Kriegsrecht und unterziehen Einwanderer ethnischen Säuberungen –  und zwar weltweit. Oder dieses Propagandafilmchen: "Wenn Sie noch keine Angst vor dem Faschismus in den USA haben, Sie sollten es!"?

Und die "Ermutigung" erst! Um Haaresbreite hätte ich die "Ermutigung" ausgelassen: Sicherlich ist euch nicht gänzlich entfallen, wie die Konzernmedien berichteten, dass Trump mit seinen Hitler-Tweets Weiße Suprematisten zum Terrorismus ermutigte... Man konnte ja wirklich fast glauben, mordgeile rassistische Psychopathen hätten bei Mama im Keller gesessen, mit einem halbautomatischen Gewehr in der einen Hand, das Smartphone in der anderen, mit Volks-Twitter auf dem Display – und nur darauf gewartet hätten, vom Präsidenten endlich "ermutigt" zu werden.

Ach so, da war ja noch was, genau: Die "Konzentrationslager"! Na, ihr wisst schon: Die Lager, wo Biden und Harris persönlich hingeflogen sind und alle Insassen befreit haben – gleich am nächsten Morgen, nachdem sie die Wahl gewonnen haben. Die Lager, wo Kinder in Käfige gesperrt und alle Gefangenen gezwungen wurden, aus dem Klo zu trinken.
Wenn ich die nicht erwähnt hätte, würde ich es mir selbst niemals verzeihen.

...Die Wirklichkeit...

Und das da oben – das war nur eine kleine Auswahl, ein Best-of, nur ein paar Höhepunkte.

Der springende Punkt ist doch wohl, dass ihr "Widerstandskämpfer" uns vier Jahre lang ein Nazi-Scheusal an die Wand gemalt habt – und jetzt tut ihr auf einmal so, als hättet ihr ihn auf einmal besiegt. Und es tut mir ja leid, aber das reicht uns nicht! Ihr werdet uns schon noch diesen "echten Hitler" vorweisen müssen, bevor wir zur "Schönen Neuen Normalität" übergehen, sonst könnten wir anfangen, nun ja: an eurer Glaubwürdigkeit zu zweifeln.

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Ich meine: Kommt schon! Klageprozesse? Wählerstimmennachzählungen? Revisionen? Wütende Tweets? Golf spielen? Um Himmels willen: Sollte sich so ein Hitler verhalten? Nicht im Entferntesten. Ihr habt uns einen Putschversuch versprochen, einen Reichstagsbrand, Nazi-Milizen, die die Kongresshallen besetzen, Stadien voller Rednecks (Anm.: abfällig für arme weiße Südstaatler), die "Sieg Heil!" schreien, weiß-suprematistische Terroristen, die alle … hm… terrorisieren ... und jetzt? Kriegen wir jetzt wirklich nur Rudy Giuliani, der sich live im Fernsehen seine Haarfarbe oder irgendetwas aus dem Haar herausschwitzt? Soll das wirklich alles gewesen sein?
In Ordnung, ich gebe ja zu: Das war wirklich ziemlich beängstigend. Aber das ist nicht gerade das Kaliber eines Joseph Goebbels, der fanatisch den "totalen Krieg" herbeischrie, und auch nicht dieselbe Hausnummer wie Legionen von Faschisten in Hawaiihemden, die in strammer Zugformation die Pennsylvania-Avenue hinaufmarschieren.

... und mögliche (aber unwahrscheinliche) Konsequenzen vom Missgriff zur "Hitlerkeule"

So wie ich es sehe, habt ihr noch vier oder fünf Wochen, um uns endlich zu beweisen, wie oder wann Donald Trump vollständig in den Hitlermodus wechselt und einen Putsch inszeniert oder wie er grundlos einen Massenmord an Juden versucht – oder überhaupt an irgendjemandem. Sonst – befürchte ich – fühlt sich die Öffentlichkeit ver..., hm, sagen wir verkackeiert, mindestens beleidigt, und ist vielleicht sogar ein wenig wütend. Die Menschen könnten das Gefühl bekommen, dass ihr "Widerständler" sie für einen Haufen völliger Idioten haltet, die ihr manipulieren könnt, immer und immer wieder, mit schwindelerregend lächerlicher Propaganda, die jeder durchschauen kann, der auch nur eine halbe Gehirnzelle sein Eigen nennt ... mit Propaganda, die – offen gesagt – dann und wann auch schon mal geradezu beleidigend war.

Mal im Ernst: Faschismus, Hitler, der Holocaust ... das alles sind ernste, sehr heikle Themen. Das sind eben keineswegs bloß bequeme emotionale Knöpfe, die ihr drücken könnt, um die Leute zu einem Rausch hirnloser Paranoia und zu mörderischem Hass hochzupeitschen – nur weil ihr gerade wieder mal Lust bekommt, irgendeine ausländische Führungspersönlichkeit oder den eigenen "unautorisierten" Präsidenten zu dämonisieren. Das Gleiche gilt übrigens für die Themen Rassismus und Antisemitismus.

Das alles sind echte Probleme und echte Themenkomplexe, die den Menschen nicht egal sind. Das sind nicht nur hochstilisierte Marketing-Schlagworte, die ihr mit euren anderen billigen Tricks aus der Tasche zaubern und euren Feinden um die Ohren klatschen könnt – als ob sie keine sonderliche Bedeutung hätten.

Und wenn ihr schon vier Jahre damit zubringt, jemanden zu beschuldigen, er sei wortwörtlich wie Adolf Hitler oder ein wiedergeborener Adolf Hitler, und Millionen leichtgläubiger Liberaler einer Gehirnwäsche zu unterziehen, damit sie glauben, dass die USA vor dem Abgrund des Faschismus stehen, dann könnt ihr doch nicht auf einmal sagen: "Hey, war nur Spaß. Wir haben doch nicht ernsthaft gemeint, dass er tatsächlich Hitler ist – oder dass der Faschismus wirklich auf dem Vormarsch ist." Die Leute lassen sich das nicht gefallen. Sie gehen in die Luft. Ihr bekommt es dann mit irgendeiner Art Aufstand zu tun.

Oder… na gut, nach kurzem Nachdenken … vielleicht auch nicht. Vielleicht kommt ihr ja auch durch damit, dass ihr auf irgendeinen milliardenschweren Blödarsch zeigt und dazu "Hitler!" brüllt, immer und immer wieder, täglich, jahrelang, ohne jemals einen tatsächlichen Beweis dafür zu liefern, dass der betreffende Blödarsch an Hitler erinnert, oder irgendetwas getan hat, was mit Hitler vergleichbar wäre, oder selbst auch nur in irgendeiner Weise entfernt Hitler ähnlich wäre. Warum eigentlich nicht? Ihr habt erfolgreich Jeremy Corbyn "verhitlert", ganz zu schweigen von Saddam, Gaddafi und Milošević – und einer langen Liste anderer "Bedrohungen der Demokratie" in Menschengestalt. Ihr werdet damit wahrscheinlich auch bei Trump durchkommen.

Habt ihr doch anscheinend mittlerweile die Öffentlichkeit (oder zumindest die überwiegende Mehrheit der Öffentlichkeit) überzeugt, sie werde von einer apokalyptischen Seuche heimgesucht – die bei 95 Prozent der Infizierten leichte bis mittelschwere grippeähnliche Symptome verursacht (oder, was häufiger vorkommt, überhaupt keine Symptome) und dass über 99,7 Prozent überleben, – und wir müssten deshalb die verfassungsmäßigen Rechte aufheben, Regierungsbeamte per Dekret regieren lassen, die Wirtschaft (oder zumindest Kleinunternehmen) zerstören, globale Konzerne jede abweichende Meinung zensieren lassen , alle dazu zwingen, schwer medizinisch aussehende Masken zu tragen, ganze Gesellschaften unter Hausarrest stellen, Kinder psychologisch terrorisieren und auch ansonsten den ganzen Planeten in einen einzigen riesigen paranoiden, totalitären Themenpark verwandeln.

Wenn man die Leute dazu bringen kann, sich auch darauf einzulassen ... dann lassen sie wahrscheinlich alles mit sich machen.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem EnglischenC. J. Hopkins ist preisgekrönter US-amerikanischer Dramatiker, Romancier und politischer Satiriker mit Sitz in Berlin. Sein dystopischer Roman "Zone 23" ist bei Snoggsworthy, Swaine & Cormorant erschienen. Seine Essays und anderen Werke finden Sie unter cjhopkins.com oder consentfactory.org.

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