Meinung

Der Fall Nawalny und der Nowitschok-Nebel (Teil 3)

Dieser Teil widmet sich dem britisch-deutschen Interagieren im Fall Nawalny und der Mission der deutschen, schwedischen und französischen Labore im Syrien-Krieg Und welche Rolle die OPCW dabei spielt. Also jener Labore, die bei Nawalny "zweifelsfrei" Nowitschok feststellten.  
Der Fall Nawalny und der Nowitschok-Nebel (Teil 3)Quelle: www.globallookpress.com © Ministry of Foreign Affairs of Russia

von Jürgen Cain Külbel

(hier sind Teil 1 und Teil 2 zu finden)

Das Phänomen ist bekannt: der Konsument von True Crime, von "wahren Verbrechen", fragt sich kopfschüttelnd, wieso Ermittler die Bezüge zwischen Kapitaldelikten, die von einem Einzeltäter oder Serienmörder begangen worden sind, nicht sofort, sondern erst nach zäher Untersuchung oder durch Zufall erkannt haben. In der Realität ist das ein kriminalistischer Kraftakt, bei dem während der Fallbearbeitungen umfangreiche strategische, logistische und erkenntnistheoretische Probleme gelöst werden müssen. Nobody is perfect, noch immer wird nur jede zweite Mordserie tatsächlich als Serie erkannt. 

Ich sehe in den Chemiewaffen-Vorfällen, die die Welt seit 2013 in Syrien, Salisbury, Sofia und nun mit Nawalny in Russland in Atem halten, einen Zusammenhang, eine Art internationalen Kriminalitätsbrennpunkt mit geheimdienstlichem Hintergrund. Politik, Militär und Geheimdienste des kriegführenden "Wertewestens" zeigten stets nur wenig Interesse an einer wirklichen Aufklärung der Vorfälle und beeilten sich stattdessen, den vermeintlich Schuldigen zu benennen: Russland und Syrien, also Putin und Assad. 

Und immer unterfütterte die NATO-nahe "Rechercheplattform" Bellingcat mit medialen Verbündeten wie dem Spiegel oder der New York Times diese gewünschten Schuldzuweisungen. Die isolierte Betrachtung der Einzelfälle Skripal oder Nawalny und der Chemiewaffenvorgänge in Syrien führen daher weder zu Hintergründen, weder zum Motiv noch zur Klärung der Täterschaft. Widmen wir uns trotzdem zuerst dem "Einzelfall" Nawalny. 

Nawalny, die Wasserflasche und Porton Down 

Wenn Russland – oder gleich dem "Putin-Regime" – aufs Neue ein Kapitalverbrechen angeschmiert werden soll, dann krempeln das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel und das Propaganda-Outfit Bellingcat gemeinsam die Ärmel hoch, um "Belege" zu liefern. So auch im Fall Nawalny, wo Bellingcats "Topermittler", der dubiose Bulgare Christo Grozev, als Mitverfasser verschiedener Spiegel-Artikel fungiert. Eilfertig liefern sie "Interna", werfen mit "Beweisen" um sich, die nie welche sind, machen Stimmung gegen Kreml und Konsorten. So schrieb der Spiegel etwa am 17. September:

Eine Wasserflasche trägt womöglich zur Aufklärung des Giftanschlags auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny bei. Das Team des russischen Oppositionellen schildert in einem Post auf Instagram, es habe in Nawalnys Hotelzimmer in der sibirischen Stadt Tomsk eine Flasche sichergestellt, an der später Spuren des Nervengifts Nowitschok nachgewiesen worden seien. Nawalny war demnach bereits abgereist. Damit lässt sich der Zeitpunkt der Vergiftung des Politikers eingrenzen: Sie muss noch vor seiner Abreise aus dem Tomsker Hotel erfolgt sein.

Grozev twitterte am selben Tag in Reaktion auf den Flaschenfund:

Offensichtlich wurde er vergiftet, bevor er das Hotel verließ; entweder durch die Flasche selbst oder durch Berühren eines anderen vergifteten Gegenstandes vor dem Berühren der Flasche. Angesichts der bekannten 'Inkubationszeit' für Nowitschok wäre er am Morgen vor seiner Abreise dem Gift ausgesetzt gewesen … Dies bedeutet wiederum, dass es im Hotel passiert ist und das Gift am Abend zuvor oder – weniger wahrscheinlich – während des Schlafens angewendet worden wäre. In beiden Fällen wäre es für russische Ermittler leicht herauszufinden, wer in den Stunden vor seiner Abreise Zugang zu Nawalnys Zimmer hatte.

Die Flaschen-Saga im Fall Nawalny wurde meines Erachtens nach aufgebaut, um hinterher den Tatverdacht auf den Lieblings-Bösewicht des Westens seit dem Fall Skripal lenken zu können: den russischen Militärnachrichtendienst GRU (Hauptverwaltung für Aufklärung). Grozev suggeriert nämlich: Es gibt Täter, russische Geheimdienstler, die im Tomsker Hotel agierten und irgendwo Nowitschok anbrachten.

Mehr zum ThemaNawalny-Team nahm Wasserflaschen aus dem Hotel mit, um sie später nach Deutschland zu schmuggeln

Blöd jedoch, dass der mephistophelische Ansatz "Hotel, Nowitschok, Flasche = GRU-Täter" nicht glaubwürdig ist, weil nachher nicht eine einzige Person – außer angeblich Nawalny – Schaden nahm durch das irgendwo in Tomsk angeschmierte, extrem tödlich wirkende Nervengift; weder im Omsker Hotel Xander noch auf dem dortigen Flughafen; auch nicht im Flieger nach Omsk. Weder in der Omsker Notfallklinik, im Rettungsflieger nach Berlin, noch in der Charité.

Und dass die kontaminierte Flasche überhaupt keinen Kollateralschaden anrichtete, so wie es sich für das extrem tödliche Nowitschok ziemt, ist mehr als bemerkenswert. Zumal es sich im Fall Nawalny um eine noch "härtere" Version der bisher bekannten Formen handelte, wie der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, in der ersten Septemberwoche in geheimer Runde erklärte. Und der Spiegel mitsamt Bellingcat-"Ermittler" Christo Grozev waren mittendrin:

Nach Spiegel-Informationen soll es sich bei dem gegen Nawalny eingesetzten Giftstoff um eine Weiterentwicklung von bislang bekannten Zusammensetzungen des Nervenkampfstoffes Nowitschok handeln.

Ein Stoff, der alles und jeden sofort umhaut? Oder war gar kein Nowitschok im Spiel und wir sitzen lediglich einer der seit spätestens 2003 bekannten Gaunereien westlicher Geheimdienste auf? Erinnert sei an den Magier-Auftritt des US-Außenministers Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat, wo er mit weißem Pulver und Utensilien illusionierte, um Amerikas Krieg gegen Saddam Hussein Hand und Fuß geben zu wollen. 

Wer stellt so "eine Weiterentwicklung von bislang bekannten Zusammensetzungen des Nervenkampfstoffes Nowitschok" überhaupt fest? Der Spiegel berichtete bereits am 28. August, die Ärzte der Berliner Charité hätten sich an das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr in München (InstPharmToxBw) sowie an das britische Militärlabor in Porton Down gewandt und diese um Hilfe bei der Identifizierung des Giftes gebeten.

Das Fachblatt Chemistry World zitierte am 3. September den Chemiker Andrea Sella vom University College London:

Experten weisen darauf hin, dass das deutsche Militärlabor, das derzeit Tests an Nawalny durchführt, seine Ergebnisse mit dem britischen Verteidigungsforschungslabor Porton Down vergleichen wird, das an dem Fall der Skripals gearbeitet hat. 'Wenn die verwendete spezifische Verbindung als genau dieselbe identifiziert wird, die bei Skripal und seiner Tochter verwendet wurde, wird dies die Dinge nur weiter zementieren, aber wenn es eine andere ist, schwächt das nicht wirklich die These, dass es Russland getan hat', sagt Sella.

Dass "die Salisbury-Probe vermutlich tiefe Einblicke in die Nowitschok-Stoffe lieferte", wusste Science am 8. September zu berichten. Es zitiert dazu Kamil Kuča, Toxikologe an der Universität von Hradec Králové in der Tschechischen Republik, laut dem die britischen Behörden "jetzt viel mehr über Toxizität, Nachweis und allgemeines Verhalten von Nowitschok wissen". Zoran Radic von der University of California, San Diego (UCSD), sagte gegenüber dem Blatt: "Sie [die Briten] könnten ihre Ergebnisse mit 'Freunden' wie Deutschland teilen". Laut ihm könnten die chemischen Detektivarbeiten, die von Ermittlern des britischen Verteidigungslabors Porton Down durchgeführt wurden, die Analysen im Münchener Labor beschleunigt haben, indem sie "geeignete Protokolle zur Verfügung stellten". 

Mehrfache Anfragen des Autors, ob bezüglich der Nawalny-Probe eine Kooperation stattgefunden hat, wurden sowohl vom Porton Down-Geschäftsführer Gary Aitkenhead als auch vom Münchener InstPharmToxBw ignoriert.  

Wir erinnern uns: Das Labor in Porton Down "identifizierte" Nowitschok nach Vorschlag des britischen Ex-Militärnachrichtendienstlers und Bellingcat-Verbündeten Hamish de Bretton-Gordon als diejenige Substanz, mit der der Anschlag auf die Skripals im März 2018 in Salisbury exekutiert worden sein soll. Damit es nicht untergeht: de Bretton-Gordon identifizierte das Nervengift nicht nur innerhalb weniger Stunden nach dem Vorfall, sondern auch aus weiter Ferne – er befand sich damals auf einer Konferenz in Abu Dhabi. Als "rein russisches" Nowitschok konnte es indes weder von Porton Down noch später von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) identifiziert werden. 

Und erneut der Spiegel:

Bei den deutschen Sicherheitsbehörden geht man derzeit davon aus, dass nur ein russischer Geheimdienst Nawalny auf dem Weg zum oder am Flughafen selbst vergiftet haben kann. … Das Kalkül der Täter war es demnach, dass Nawalny noch an Bord des Flugzeugs sterben sollte.

Mit heißer Nadel schlecht gestrickt: Der Nowitschok-Superspreader Nawalny sollte also auf seinem Sitz im Flugzeug sterben. Wieso waren seine Sitznachbarn Kira Jarmysch und Ilja Pachomow sowie all die anderen Fluggäste, Ersthelfer und Mediziner nicht von dem Nowitschok betroffen? 

"Bedingungslose Sicherheitsbeziehungen" – Die Kumpanei der Geheimdienste

Wie sagte noch MI6-Chef Alex Younger im Dezember 2018: "Eines der ungeheuerlichsten Beispiele … war der Angriff in Salisbury, bei dem der russische Staat auf britischem Boden eine chemische Waffe von Militärqualität einsetzte… Unsere Verbündeten vertrauten nach dem Angriff von Salisbury auf unsere Geheimdienste. Wir empfanden dies als einen Akt der Solidarität, und es bedeutete uns eine enorme Menge. Unseren Verbündeten war jedoch klar, dass es sich sowohl um einen Akt des Eigeninteresses als auch um einen Akt der Solidarität handelte. Was auch immer ein Gegner uns antun kann, hat er anderen angetan und kann es anderen antun."

Am 15. Februar 2019 gaben die Chefs von BND, dem französischen DGSE und dem britischen MI6 auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu Protokoll: "Die Chefs ... sagten, dass alle drei Dienste weiterhin enge Verbündete sein würden, um Europa gemeinsam vor Bedrohungen wie Islamismus, Terrorismus, organisierter Kriminalität oder Cyberangriffen zu schützen". Younger ergänzte: "Unsere Sicherheitsbeziehungen zu unseren europäischen Kollegen sind bedingungslos …  Wir brauchen einander … Die Beziehung zwischen uns und unseren europäischen Partnern ist enger als je zuvor in meinen 30 Jahren als Geheimdienstoffizier." 

Auch in Sachen des verdeckten NATO-Krieges gegen Syrien hielten die Dienste zusammen. Westliche Anschuldigungen gegen Damaskus, Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt zu haben, führten 2017 zu Raketenangriffen der USA und 2018 zu Militärschlägen der USA im Verbund mit Frankreich und Großbritannien. 

Der sogenannte Sarin-Angriff in Chan Schaichun war der Grund für einen US-Raketenangriff im April 2017. Trotz unschlüssiger und gefälschter Beweise, bei denen Menschen ungeschützt um den Sarin-Bombenkrater herumliefen und keine Überreste der Luftbombe gefunden wurden, sowie vieler anderer Ungereimtheiten wurde die syrische Regierung vom Gemeinsamen Ermittlungsmechanismus (JIM) für schuldig befunden", betonte seinerzeit der Ständige Vertreter Russlands bei den UN, Wassili Nebensja.

Mehr zum ThemaSchuldspruch ohne Beweise: Der Bericht zum Chemiewaffeneinsatz in Syrien wird zum Politikum

Der BND widersprach: er sah seinerzeitAssads Luftwaffe hinter dem Giftgas-Einsatz, hatte "eigene Erkenntnisse" und schloss die Reihen mit den Aggressoren Frankreich, USA und Großbritannien – und deckte also ihr völkerrechtswidriges Tun. 

Verquickung der Nawalny-Labore mit dem Syrien-Krieg 

Aber nicht nur die westlichen Geheimdienste schmolzen zu einer Tatwaffe gegen Syrien und Russland zusammen. Auch die Labore in München, Porton Down, Frankreich, Umeå, die zur länderübergreifenden Task-Group der NATO gehören, Nawalnys Proben untersuchten und die Nowitschok-These artig repetierten, sind längst in das Chemiewaffen-Theater in Syrien verquickt, keineswegs neutrale Labore also, die nach unvoreingenommener Analyse ein objektives Ergebnis liefern würden. 

Das "Institut für Verteidigungs- und Sicherheitsforschung" (FOICBRNE Defence and Security) in der nordschwedischen Stadt Umeå, das über 850 Forscher verfügt, kooperiert nach Eigendarstellung multilateral mit der Europäischen Union und der NATO im Rahmen der "Partnership for Peace" –  was – kratzt man die Kreide aus dem Hals – so viel bedeutet wie: … im Rahmen der völkerrechtswidrigen Angriffskriege gegen Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien. Åke Sellström, der am FOI in Umeå forschte, war Leiter des UN-Teams, das den Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Ghuta am 21. August 2013 untersuchte; der nachher veröffentlichte Bericht enthält keine Schuldzuweisung. 

Der US-Investigativjournalist Seymour Hersh berichtete über enge Verbindungen zwischen der Türkei und der islamistischen al-Nusra-Front, die gegen Assad kämpft. Die Türkei soll ein Programm der al-Nusra zur Entwicklung von Chemiewaffen unterstützt haben. Das Gas sei dann eingesetzt worden, um den Angriff Damaskus in die Schuhe zu schieben und so einen US-Militärschlag zu provozieren. Der damalige Laie und Blogger Eliot Higgins konsultierte den britischen Ex-Nachrichtendienstler und Chemiewaffen-Experten Hamish de Bretton-Gordon und griff Hersh heftig an: Die Türkei sei nicht in den Giftgas-Angriff von 2013 verwickelt, sondern Assad. Bald darauf gründete Higgins das NATO-Propaganda-Outfit Bellingcat. 

Gern treffen sich westeuropäische Spezialisten mit ihren schwedischen Kollegen, beispielsweise vom 8. bis 10. Juni 2016 in Stockholm, zum 12. International Symposium on Protection against Chemical and Biological Warfare Agents. Redner war dort auch de Bretton-Gordon, Verbindungsmann zwischen syrischen Weißhelmen, Londoner Regierung, Bellingcat, OPCW und diversen Laboren. 

Oberst a. D. de Bretton-Gordon, Ex-Kommandeur des britischen Joint Chemical, Biological, Radiological and Nuclear Regiment und des Rapid Reaction CBRN Battalion der NATO, spielte eine herausragende Rolle innerhalb der Aktivitäten der NATO-Länder auf dem syrischen Kampfgebiet und war maßgeblich daran beteiligt, das Narrativ in die Welt zu setzen, wonach Präsident Assad Chemiewaffen gegen das eigene Volk einsetze.

Oft war er dort selbst unterwegs auf "Probensuche", um Assad Giftgasangriffe "nachzuweisen". Seit spätestens 2013 arbeitet der einstige stellvertretende Direktor der Nachrichtendienstüberwachung und Aufklärungslandstreitkräfte im Londoner Verteidigungsministerium nicht nur mit Eliot Higgins, sondern auch "mit US-amerikanischen Netzwerken und britischen Zeitungen zusammen", um immer wieder "chemische Proben aus Syrien zu schmuggeln zwecks Verifizierung in Großbritannien und Frankreich". 

In Großbritannien ist Porton Down dafür zuständig, in Frankreich der Service de Santé des Armées – beide gehören zur NATO-Task Group und "engagierten" sich wohl auch in der Untersuchung der Nawalny-Proben.

Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr in München, ebenfalls der NATO-Task Group angehörig, wird von Oberstleutnant Professor Dr. Horst Thiermann geleitet. Den Arbeitsgruppen für biomedizinische Spurenanalytik stehen die Chemikerin und Oberregierungsrätin Dr. Marianne Koller sowie der Chemiker und Regierungsdirektor Prof. Dr. Harald John vor. Oberstarzt Thiermann dürfte das Ergebnis der Untersuchung der Nawalny-Proben an die Bundesregierung weitergereicht haben, die dann am 2. September erklärte, ein Speziallabor der Bundeswehr habe darin "zweifelsfrei" ein Nervengift der Nowitschok-Gruppe nachgewiesen.

Auch München dreht sich mit im syrischen Giftgas-Karussell: "Unser Institut gehört ... zu den ersten Einrichtungen, die den Einsatz von Sarin im Jahre 2013 und den Einsatz von Schwefellost 2015 in Syrien bewiesen haben." 

Woher stammten die syrischen Proben? In den Jahren 2013 und 2015 reiste nur einer "undercover" nach Syrien: Hamish de Bretton-Gordon. Und zwar für den britischen MI6. Am 22. März 2013 hieß es in The Times: Porton Down untersuchte eine Probe auf Sarin, die "in einer geheimen Mission" unter Beteiligung des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 aus Aleppo herausgebracht worden war. Syrische "Rebellen" behaupteten, sie seien von der syrischen Armee mit der Chemiewaffe angegriffen worden. Beamte des US-Verteidigungsministeriums drängten auf Beweise. 

Laut Homeland Security Todayvom 22. Mai 2015 "sammelte und analysierte (de Bretton-Gordon) Mitte April 2015 (erneut) Proben", diesmal "von einem angeblichen Chlorangriff in Sarmin". Die wurden nachher von US-Botschafterin Samantha Power dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt. US-Präsident Obama ließ sich von den britischen Ergebnissen aber nicht beeindrucken – der von Londoner und Washingtoner Hardlinern ersehnte "Game changer", der Angriff einer "Koalition der NATO-Willigen" auf Syrien, blieb aus.

De Bretton-Gordon arbeitete also Elementen in den Regierungen zu, die den Staat Syrien überfielen und dem Präsidenten Assad das Vergasen des eigenen Volkes anzudichten versuchten. Bei einem Treffen der "Freunde Syriens" im Westminster-Palast am 13. September 2016 plauderte de Bretton-Gordon aus:

Ich bin heimlich in Syrien gewesen, um Beweise für Angriffe mit chemischen Waffen zu sammeln, und habe sie der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und der UNO übergeben. 

Die Unterwanderung der OPCW durch britische "Experten" und Militärs

Zufälle gibt es: Am 19. August 2020, einen Tag vor der angeblichen Vergiftung von Nawalny, zeigte sich das Vereinigte Königreich gegenüber der OPCW spendabel und leistete "vier freiwillige Beiträge in Höhe von insgesamt 800.000 britischen Pfund, um eine Reihe von Großprojekten und Aktivitäten der Organisation zu unterstützen". Damit avancierte Großbritannien neben Frankreich, Deutschland und Kanada zum Hauptsponsor der OPCW. Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird!

Momentan steht wohl das "Großprojekt" Nawalny an, denn die OPCW ist integriert in den Fall. Eine Delegation war in der Berliner Charité und "bekam dort Blut- und Urinproben des vergifteten Politikers zur weiteren Untersuchung ausgehändigt". Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am 14. September 2020, Deutschland habe Speziallabors in Frankreich und Schweden "Proben von Herrn Nawalny" zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse "liegen nunmehr vor und bestätigen den deutschen Nachweis". Laut Seibert habe auch die OPCW "Proben von Herrn Nawalny entnommen und die nötigen Schritte eingeleitet, um diese durch Referenzlabore der OVCW untersuchen zu lassen".

Nach Auskunft auf der Bundespressekonferenz auf Nachfrage von RT Deutsch entnahmen tatsächlich Angestellte der Drittlabore/OPCW selbst Blut- und Urinproben aus Herrn Nawalnys Körper, benutzten sie (vermutlich) eigene medizinische Geräte (Injektionsnadel, Probenbehälter). Wurden ihnen in dem Fall Blindproben mitgegeben? Haben Angestellte der Drittlabore/OPCW mit eigenen Händen auch Proben von der mit Nowitschok kontaminierten Wasserflasche gezogen?

OPCW und NATO-Labore sollten dringend erklären, welche Substanz sie fanden, die die bizarre Aussage zulässt, ein "härteres" Nowitschok sei bei Nawalny eingesetzt worden. Aber da weiß man wohl schon Rat: Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, ein Mann der NATO, Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke und der Deutsch-Britischen Gesellschaft hat die Verschleierung bereits eingeleitet:

Die Bundesrepublik dürfe die Daten nicht offenlegen, weil die russischen Geheimdienste genau darauf warteten. Sie könnten dann ableiten, mit welchen Analysemethoden gearbeitet wurde.

Wie manipulativ die OPCW in Sachen Chemiewaffeneinsätzen vorgeht, für die der Westen seine Widersacher verantwortlich macht, zeigt die Untersuchung zu Duma in Syrien. Wir erinnern uns: Dort soll es am 7. April 2018 zu einem Giftgasangriff gekommen sein, der über 40 Menschen tötete. Der Westen machte Damaskus verantwortlich; USA, Frankreich und Großbritannien flogen als "Vergeltung" Luftangriffe. Die OPCW machte nachher ebenfalls das syrische Militär verantwortlich.

Zweifel von OPCW-Whistleblowern, die an der Untersuchung vor Ort beteiligt waren und von einer Inszenierung durch die Rebellen ausgehen, wurden von hochrangigen OPCW-Funktionären unterdrückt, der dazugehörige Bericht aus dem Archiv des Dokumentenregisters der OPCW gelöscht. Laut einem Whistleblower sei der Abschlussbericht so manipuliert worden, "dass Ergebnisse zustande kamen, die dem entsprachen, was sich die USA, Großbritannien und Frankreich von dieser Untersuchung erhofft hatten. Die Beweise allerdings unterstützten diese Ergebnisse aber nicht."

OPCW-Generaldirektor Fernando Arias bezeichnete die Whistleblower als unglaubwürdig und "abtrünnig". Gelten ließ Arias jedoch die "Ergebnisse" des OPCW Team Alpha, das den Vorfall untersuchte und zu dem Schluss kam: Assads Truppen waren es. 

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Dazu gehörte der britische Inspekteur Stephen Peter Wallis, 2008 bis 2010 im Police National CBRN Centre in Wiltshire, Porton Down tätig, Absolvent der Royal Military Academy Sandhurst und enger Bekannter von Hamish de Bretton-Gordon. Nach Duma kam er 2018 im Londoner Verteidigungsministerium unter, wo auch de Bretton-Gordon Chefberater in Sachen Chemiewaffen ist.

Wallis Mitstreiter im Team Alpha war der Brite Leonard Arthur Philips, der in den Niederlanden und in Wales lebt. Philips traf sich im Rahmen der Untersuchung des Vorfalls mit dem Gründer der Weißhelme, dem korrupten Suizidenten und Ex-Nachrichtendienstler James Le Mesurier, in der Türkei zur "Zeugenfindung". Le Mesurier, das ist bekannt, war der langjährige Freund von de Bretton-Gordon. 

Nach meinen Ermittlungen gab Philips zudem OPCW-Interna an Professor Gregory Koblentz weiter, den Direktor des Biodefense Graduate Program an der George Mason University, Fairfax, Virginia, USA. Koblentz stellte den direkten Kontakt zwischen Bellingcat und Phillips her. Der lieferte "vertrauliche" OPCW-Informationen, die das NATO-Propaganda-Outfit zur Irreführung der Öffentlichkeit im Fall Duma benutzte. 

Indizien für einen "Internationalen Brennpunkt Chemiewaffen", der weit umfassender und noch unerforscht ist, liegen auf der Hand. Ebenso, dass London darin verstrickt ist. Der Beginn des Brennpunktes im Jahre 2013 fällt zusammen mit der Entlassung des Oberst de Bretton-Gordon ins zivile Leben, damit der sich gemeinsam mit dem Weißhelm-Gründer James Le Mesurier dem syrischen Schlachtfeld widmen kann. 

"Proben" zum Fall Nawalny in den Händen der NATO-Labore und der unseriösen, von NATO-Einflussagenten unterwanderten OPCW bedeuten nichts Gutes. Vielmehr dürften sie einen angelsächsischen MI6-Stallgeruch haben. Ganz im Sinne von Pompeos CIA: "Wir lügen, wir betrügen, wir stehlen."

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