Meinung

Kolumbien: Donald Trumps Rammbock zum Sturz von Nicolás Maduro

Die Gespenster der Vergangenheit wie Folterungen, Morde und die Unterstützung blutiger Diktaturen begleiten die Ängste der Gegenwart angesichts des beharrlichen Versuchs, die Regierung Venezuelas zu stürzen, und der internen Befürchtungen über die NATOisierung des Landes.
Kolumbien: Donald Trumps Rammbock zum Sturz von Nicolás MaduroQuelle: AFP © Juan BARRETO

von Luis Gonzalo Segura

Anfang Juni berichtete die US-Botschaft in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, dass 45 Elitesoldaten der "Security Force Assistance Branch" (SFAB) der US-Streitkräfte nach Kolumbien entsandt würden, um "im Kampf gegen den Drogenhandel zu helfen".

Die US-Botschaft erklärte zur SFAB-Mission in Kolumbien:

[Sie sei] eine Gelegenheit, unser gegenseitiges Engagement gegen den Drogenhandel und die Unterstützung des regionalen Friedens, die Achtung der Souveränität und das dauerhafte Versprechen, gemeinsame Ideale und Werte zu verteidigen, unter Beweis zu stellen.

Eine illegale und unglückliche Entscheidung

Diese Erklärung der US-Botschaft schien nicht viele zu überzeugen. So bezeichnete etwa Senator Iván Cepeda, ein politischer Gegner von Kolumbiens Präsident Iván Duque, die US-Militärpräsenz als invasiv und feindselig. Auch die Gerichte schienen nicht überzeugt zu sein, da eine Richterin aus dem Departement Cundinamarca die Einstellung der Aktivitäten der Militäreinheit anordnete und verlangte, dass alle Informationen innerhalb von 48 Stunden an den Senat der Republik übermittelt werden.

Dieses Vorgehen der Regierungen Kolumbiens und der USA ist bestenfalls eine unglückliche Entscheidung, die auf viele Faktoren zurückzuführen ist. Etwa auf den Rückschritt, den Kolumbien bei der Befriedung des bewaffneten Kampfes seit der Machtübernahme von Iván Duque erlitten hat. Ein Teil der FARC [Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo] kehrte im vergangenen Jahr aufgrund der Nichteinhaltung der mit Duques Amtsvorgänger Juan Manuel Santos unterzeichneten Friedensabkommen in den Kampf zurück. Zusätzlich zu dem immer noch latenten Konflikt mit der weiteren linksgerichteten Miliz ELN [Ejército de Liberación Nacional], die sich aus etwa 3.000 bis 4.000 Kämpfern zusammensetzt und seit dem Rückzug der FARC an Boden gewonnen hat.

Als wäre dies noch nicht genug, hat der Erzbischof von Cali, Monsignore Darío de Jesús Monsalve, erklärt, dass die Regierung von Iván Duque eine "völkermörderische Rache" an den Friedensprozessen von Juan Manuel Santos übt. Diese Erklärungen wurden von der kolumbianischen Amtskirche umgehend als persönliche Stellungnahmen bezeichnet und mit der Ablehnung des verwendeten Wortes "Völkermord" offiziell nicht zugelassen.

NATOisierung Kolumbiens

Das Szenario ist sogar noch komplexer, als es scheinen mag, da Kolumbien sich in einem Prozess der NATOisierung befindet, der erst der Anfang einer militärischen Integration Lateinamerikas in die bewaffnete Organisation der Vereinigten Staaten sein könnte. Im Mai 2018 wurde Kolumbien der erste globale Partner des Nordatlantischen Bündnisses in Lateinamerika, was es zu einem direkten Feind der NATO-Feinde macht. Schließlich ist die NATO ein Synonym für die Vereinigten Staaten. Diese "Partnerschaft" führt Kolumbien daher unnötigerweise in ein geopolitisches und militärisches Schlachtfeld.

So kritisierte Iván Duque im Dezember 2018 die gemeinsamen Militärmanöver Venezuelas und Russlands, und Kolumbien nahm im Januar dieses Jahres mit 115 Militärangehörigen der 82. Luftlandedivision der US-Armee auf der Militärbasis Tolemaida im Departement Tolima an gemeinsamen Manövern teil. Die "Vereinigung" schmierte den Militärapparat. Abgesehen von den vielfachen Klagen über den Souveränitätsverlust, den sie für Kolumbien bedeuteten, und über das Risiko, Instabilität in der Region zu erzeugen, sollte man sich an die Worte von Juan Manuel Santos im Mai 2018 erinnern:

Wir werden uns nicht an militärischen Operationen der NATO beteiligen.

Im Hintergrund: Der "Sturz Venezuelas"

Das Verhältnis zu Kolumbien ist jedoch nicht nur auf die Integration und militärische Unterordnung ganz Lateinamerikas ausgerichtet, sondern auch auf den Sturz Venezuelas, der dortigen linksgerichteten Regierung von Nicolás Maduro. Eine Analyse der weltweiten Vorgänge genügt, um zu erkennen, wie oft die NATO diejenigen Staaten zu Partnern macht, die an ihre Feinde grenzen: Saudi-Arabien neben dem Iran, der Irak und Afghanistan zwischen dem Iran und China, die Mongolei zwischen Russland und China, Südkorea und Japan neben China und Nordkorea. Und nun Kolumbien neben Venezuela, zwei Staaten, die sich 2.200 Kilometer gemeinsamer Grenze teilen. Nur Australien und Neuseeland könnten aufgrund ihrer historischen Bindungen als natürliche Partner der NATO betrachtet werden. Die übrigen Partner sind nur eine Art Rammbock, um gegnerische Regierungen zu stürzen. Als geographische Zufälle können all diese Übereinstimmungen schwerlich gelten.

Das Interesse am Sturz der venezolanischen Regierung geht über Beiläufiges hinaus. Denn US-Präsident Donald Trump hat bei mehreren Gelegenheiten öffentlich versichert, dass dies ein vorrangiges US-amerikanisches Ziel sei. Und als Jair Bolsonaro die brasilianische Regierung übernahm, gab es sogar Spekulationen über eine gemeinsame Militäroperation unter Führung lateinamerikanischer Militärs. Die lächerliche "Operation Guaidó", der als ein ausgedientes Spielzeug der Vereinigten Staaten zu enden scheint, bestätigt zusammen mit dem bereits als "Operation Gideon" beschriebenen historischen Flickwerk, dass Kolumbien zum Rammbock der Vereinigten Staaten geworden ist, um Nicolás Maduro zu stürzen.

Die "Operation Gideon" fand vor lediglich drei Monaten statt und ist die vorerst letzte der bizarrsten Militärputsch-Operationen gegen Nicolás Maduro. Sie geht weit über den gescheiterten Putsch von Juan Guaidó hinaus, der die Regierung stürzte, ohne sie zu stürzen, und im April 2019 einen Militärputsch ohne das Militär inszenierte. So landeten am 3. Mai Dutzende von Putschistenanführern an den Stränden von Caracas, Chuao und Macuto. Sie wurden kurz danach gefangen genommen. Wenig später wurden die Teilnehmer und Förderer, wie das US-Unternehmen Silvercorp und Personal aus dem Umfeld von Juan Guaidó, Leopoldo López und anderen Gegnern, öffentlich bloßgestellt – ebenso wie das Zentrum der Operationen: Kolumbien.

Schließlich ergab sich aus den nachfolgenden Ermittlungen unwiderlegbar, dass Kolumbien das Zentrum dieser Putschbewegungen ist: die Feier mehrerer Treffen in Bogota; das Konzert vom Februar 2019 an der kolumbianischen Grenze; die Residenz seit 2019 im Norden Bogotás von Jordan Goudreau, dem für die "Operation Gideon" verantwortlichen Ex-Silvercorp-Milizionärs; die Verhaftung Antonio Sequeas am Flughafen von Bogotá mit einem falschen Pass Ende 2019; die Verhaftung von Leutnant Figueroa Fernández in einem Grenzgebiet zu Kolumbien etc. Die venezolanischen Putschisten haben einen Zufluchtsort und ein Operationszentrum in Kolumbien, während die Vereinigten Staaten in dem von Iván Duque geführten Land einen Brückenkopf gefunden haben, um Nicolás Maduro zu stürzen und ganz Lateinamerika zu integrieren und militärisch zu unterwerfen.

Das Ziel: Auslöschen der Guerilla

Doch nicht ganz Kolumbien hat sich zum Sturz Venezuelas verschworen, und das ist ein Problem für die US-Amerikaner. Und es ist auch eine Erklärung für die militärische Präsenz der USA in Kolumbien. In der Tat ist es kein Zufall, dass die Vereinigten Staaten vor einigen Wochen, Mitte Juni, zehn Millionen US-Dollar für Informationen über zwei ehemalige Führer der FARC angeboten haben – auf der Suche nach Verbindungen zum Drogenhandel. Genau mit dieser Aufgabe wurden die 45 Elitemilitärs der Security Force Assistance (SFAB) betraut. Dieser "Zufall" wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass sowohl "Jesús Santrich" (Seuxis Hernández Solarte) als auch "Iván Márquez" (Luciano Marín Arango), die beiden Ex-Guerillakämpfer, für die die Vereinigten Staaten eine Million US-Dollar Belohnung ausgesetzt haben, Mitte 2019 ihren nach dem Friedensabkommen erhaltenen Abgeordnetensitz verließen und kurz darauf die Rückkehr in den bewaffneten Kampf ankündigten. Ein bewaffneter Kampf gegen den Sturz von Nicolás Maduro.

Es scheint, dass die Vereinigten Staaten versuchen, Guerillas auszuschalten, die gegen ein Kolumbien sind, das als US-amerikanischer Rammbock zum Sturz der venezolanischen Regierung dient – und nicht zum Kampf gegen Drogenhändler. Allerdings müsste sich der dringlichere Kampf des kolumbianischen Militärs auf die Verteidigung der Menschenrechte richten, wenn man die jüngsten Ereignisse berücksichtigt: wie die Vergewaltigung eines indigenen Mädchens durch mehrere kolumbianische Militärangehörige oder das Wiederauftauchen "falscher Opfer" ("falsos positivos") im Kampf gegen die Guerillas – mit 2.248 wahllos vom kolumbianischen Militär zwischen 1998 und 2004 getöteten Zivilisten, nach Angaben der Staatsanwaltschaft, und mehr als 4.000, nach Angaben von Opferverbänden.

Luis Gonzalo Segura ist Ex-Leutnant des spanischen Heeres. Er hatte Korruption, Amtsmissbrauch und anachronistische Privilegien in den Reihen der Streitkräfte angezeigt, was zu seiner Entlassung aus dem Militärdienst führte. Er ist Autor des Essays "El libro negro del Ejército español" (2017) sowie der Erzählungen "Un paso al frente" (2014) und "Código rojo" (2015).

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